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Kabinett beschließt KindergrundsicherungViel Lärm um fast nichts

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

In der Debatte um Kinderarmut ist die Ampelkoalition tief gesunken. Was jetzt beschlossen wurde, ist dürr. Aber mehr ist mit der FDP nicht drin.

Die FDP hat erfolgreich verhindert, dass Kinderarmut wirksam bekämpft werden kann Foto: Jens Kalaene/dpa

E s gibt Momente unfreiwilliger Ehrlichkeit in der Politik. Zum Beispiel am Mittwoch, als Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte: „Die Kindergrundsicherung ist die Antwort der Bundesregierung auf die Kinderarmut.“ Ja, genau, das ist die Antwort, und diese Antwort auf die Kinderarmut ist karg.

Die versprochenen materiellen Verbesserungen sind Neuberechnungen beim Existenzminimum, die für bestimmte Altersgruppen voraussichtlich um bis zu 28 Euro höhere monatliche Regelsätze ergeben. Zudem wird die Anrechnung von Einkommen abgemildert. Beides hätte man aber auch einfacher haben können, das Existenzminimum etwa wurde immer wieder mal neu berechnet, Einkommensanrechnungen verändert.

Das Herzstück der Reform, die Auszahlung der Kindergrundsicherung durch neue Familienservicestellen, ist riskant, denn das bedeutet einen gigantischen Verwaltungsumbau. Be­hör­den­ver­tre­te­r:in­nen warnen, dass der Umbau die Antragstellungen für Familien im Bürgergeldbezug verkomplizieren könnte. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein „Bürokratieabbau“ nach hinten losgeht, weil die „Vereinfachung“ erst mal aufwendig organisiert werden muss und Nebenwirkungen zeitigt.

Der politische Streit befeuerte Diskriminierungen. Man solle Alleinerziehenden, Familien im Bürgergeldbezug, darunter vielen mit Migrationshintergrund, bloß nicht zu viele Sozialleistungen gewähren, damit man keine „Erwerbsanreize“ mindere, warnten FDP und Union. Die FDP setzte durch, dass man Flüchtlingskinder von der Kindergrundsicherung entkoppelt und sie damit 20 Euro im Monat verlieren. Man wolle für Asyl­be­wer­be­r:in­nen „keine falschen Signale“ senden, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Dass er sich mit solchen Äußerungen nicht schäbig vorkommt, zeigt, wie tief man sinken kann in der Debatte.

Man kann also nur hoffen, dass es mit dem neuen Gesetz ab 2025 für manche Ge­ring­ver­die­ne­r:in­nen tatsächlich einfacher wird, Sozialleistungen für ihre Kinder zu beantragen. Mehr ist im Moment nicht drin.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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34 Kommentare

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  • Zentral ist, dass die Antragstellung vereinfacht wird. Das ist der große Wurf. Offenbar können das nur Menschen nachvollziehen, die den Bürokratiejungel kennen und die Schwierigkeit, "was Einem zusteht" auch "einzufordern".

  • "Die FDP setzte durch, dass man Flüchtlingskinder von der Kindergrundsicherung entkoppelt und sie damit 20 Euro im Monat verlieren. Man wolle für Asyl­be­wer­be­r:in­nen „keine falschen Signale“ senden, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)."



    Nanu? Nicht mal liberal, die vorgeblich Liberalen? ;-/ Da Asylsuchende zumeist People of Color sind, so dürfte diese Aussage Rassismus widerspiegeln. Aber ja, die richtigen Signale wäre wohl Gleichbehandlung basierend auf Menschenrechten. Wo kämen die eigentliche Klientel der Liberalen aber dahin, diese konsequent umzusetzen? Gut, wirksam wird die Reform in Gänze obiger Einschätzung nach ohnehin nicht sein. Die Wut der Rechteren (jene rechter als die Spaßpartei) würde damit wohl auch nicht besänftigt. Danke für nichts, Christian!

    • @Uranus:

      👍👍

  • ...Erwerbsanreize für Kinder sind wohl jetzt nicht gemeint...



    Erwerbsanreize für Erwachsene würden geschafft werden, indem Löhne und Gehälter den durch Kreativität und persönlichen Einsatz erbrachten Arbeitsleistungen entsprechend bezahlt würden...



    Zudem, die besten Anreize laufen ins Leere, wenn Menschen krank, oder sich um ihre Kinder kümmern müssen.

  • Mit der FDP ist eben nicht mehr drin, was will man machen, als sich ein ums andere Mal über den Tisch ziehen zu lassen.

    Ein Trauerspiel.

    • @Jim Hawkins:

      Hm. Es ist doch mehr, als Habeck ausgehandelt hat. Und das in Ukraine-Krisenzeiten!

      Oder stimmt das nicht?

      Für ein Trauerspiel halte ich, dass der Fokus nicht bei Schulen und Kitas liegt. Im RRG Bremen haben 25% der



      aller jungen Erwachsenen in Bremen keine Berufsausbildung. Bei jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund liegt der Wert bei 37%. Gelder die in Schulen und Horte fließen kommen zielgenau bei den Kindern an.

      • @Rudolf Fissner:

        Keine Ahnung, so genau habe ich mich nicht damit befasst.

        Es ist mehr ein starker Eindruck, den ich da habe.

  • Das Gesetz wurde vom Kabinett beschlossen. Muss jetzt aber noch in den Bundestag wo es mit Sicherheit Änderungen geben wird. Und, dann muss es in den Bundesrat, der muß nämlich auch zustimmen.



    Also ich schätze allein deshalb, wird es nicht vor 2025 evt. eher 2026 kommen in mit Sicherheit abgeänderter Form.

  • "In der Debatte um Kinderarmut ist die Ampelkoalition tief gesunken"

    Wohl kaum: Am Boden ist am Boden. Weiter sinken kann man nicht.

    • @Bolzkopf:

      "Am Boden ist am Boden. Weiter sinken kann man nicht."

      Na ja. Es ist der deutsche Dachboden.

      Der Test der Welt lebt zu großen Teilen im Keller.

  • Mehr Bürokratie wagen?



    2 Mrd Eoro für einen irren zusätzlichen Bürokratieaufwand für bedürftige Familien mit Kindern, die künftig keinen Cent mehr bekommen sollen, aber stets bei zwei Behörden ihre Bedürftigkeit darlegen und absehbar länger als bisher auf die Bewilligungen warten müssen.



    Das alles nur damit die Grünen ihr Gesicht wahren - aber welches Gesicht?



    Und dazu krasse Diskriminierung - für Kinder Asylsuchender ohne Ausgleich 20 Euro weniger - was soll das sein?



    Diese diskriminiernde und total überflüssige Gesetz gehört umgehend auf den Müllhaufen der Geschichte!

  • Das Gesetz taugt nichts, schuld soll die FDP sein. Warum eigentlich? Schuld ist, wer im Koalitionsvertrag nicht klar rein schreibt, was und wie viel er will.

    • @Rudi Hamm:

      Mal zum Vergleich Merkels letzter Koalitionsvertrag:

      www.bundesregierun...csu-und-spd-195906

      Da steht auch kaum was Konkretes drin.

      Also bleiben wir bei denen, die so wenig wie möglich Geld für arme Kinder ausgeben wollen. Der FDP.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Also bleiben wir bei denen, die so wenig wie möglich Geld für arme Kinder ausgeben wollen. Der FDP."

        Das stimmt ja wohl nicht.

        Nach ihrer Behauptung müsste die Sozialquote unter der FDP fallen. Die eh schon weltweit mit am höchsten Sozialquote ist aber unter Lindner noch gestiegen. Sowohl insgesamt als auch der Anteil am Bundeshaushalt.

        • @Rudolf Fissner:

          Wer die Diskussionen um die Kindergrundsicherung verfolgt hat, weiß, dass es die FDP ist, die möglichst wenig zahlen will.

          Da nützt dann auch eine allgemeine Sozialquote als Ausrede nichts. Wir reden hier über die Kindergrundsicherung in D.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Nö, sie haben das große ganze angesprochen und die FDP hat n die kinderfeindliche Ecke gesteckt, wo ihr arme Kinder am Arsch vorbei gehen.

            Nun wollen Sie das große ganze (=Sozialquote) nicht sehen, weil es das Gegenteil belegt.

  • Na ja. Ich finde, dass ist für viele schon eine erhebliche Verbesserung. Mehr geht natürlich immer, aber es muss ja auch bezahlen.

    Sind es in D wirklich die (zu niedrigen) Geldzahlungen, die Kinder „arm“ machen oder andere Umstände (desaströses Elternhaus. Schulen mit Fokus auf Mittelschicht etc.)?

    • @André Schlebes:

      Ähem, der Niedriglohnsektir wurde über die Jahre ausgeweitet, Hartz(I)V wurde lange Zeit kaum angehoben ... dann ist die Inflation noch dazu gekommen. Ja, sicher liegt es an den zu niedrigen Einkommen(szuteilungen). Auch wenn die Spaßpartei rummosern dürfte, dass jene Arme einfach nicht in (die richtigen) Aktien investiert hätten.

  • Die jährliche Erhöhung der Aufwandsentschädigung/Diäten für die MdBs wird vermutlich schneller und ohne Diskussion beschlossen.

  • Leider macht das Arbeit noch viel unattraktiver. Schlimm dass die FDP da überhaupt zugestimmt hat.

    • @Wombat:

      Um da mal die von Ihnen begonnene Satire auf die Spitze zu treiben: Schlimm, diese spätrömische Dekadenz!

    • @Wombat:

      *Stirnrunzel* dann müsste die FDP ausnahmsweise mal konsequent sein und auch die anderen leistungslosen Einkommen begrenzen, z.B. über eine (Wieder-)Angleichung der ErbSt und der KapSt an die LSt und die veranlagte ESt in der Höhe...

      Oh wait, das sind ja ausgerechnet die Gruppen, von denen sie regelmäßig geschmiert werden.

    • @Wombat:

      Also Arbeit unattraktiv macht zuallererst ein Sklavenlohn, welcher meist in Kombination mit unattraktiven Arbeitsbedingungen, unfähigen "Führungskräften" (die sich meist für Gottes Geschenk an die Welt halten, zumindest aber der festen Überzeugung sind, dass nur sie auf der Welt sich diese "Führungsposition" mit unermüdlichem Fleiß, überragender Intelligenz und weit überdurchschnittlichen Fähigkeiten verdient haben.). Diese FDP spielt auf Zeit, beschleunigt aber lediglich den Niedergang Deutschlands durch die Ich, ich, ich-Mentalität.

      • @Max Weber:

        Nun, haben Sie doch Erbarmen mit dem Deutschen Mittelstand! Dem Sie ja mit höheren Löhnen höhere Kosten aufbürden wollten. ;-)

    • @Wombat:

      Höhere Löhne machen Arbeit attraktiver. Erst bei einem Stundenlohn von EUR 20,- hat man Anspruch auf die Mindestrente. Die Lücke zum Mindestlohn schließt am Ende wer? Genau, der Steuerzahler.

      • @Ludowig:

        Sie wissen aber schon wie extrem teurer das Leben wird, wenn der Mindestlohn 20€ ist. Gerade bei Lebensmitteln wäre ein extremer Preisanstieg die Folge. Obst und Gemüse werden dann zum Luxusgut.

        • @Rudi Hamm:

          Die klassische Lohn-Preis-Spirale halt. Besser wäre deshalb eine gesetzliche Koppelung der Löhne an den Unternehmensgewinn.

          • @Wolfgang Amadeus:

            Bedeutet für sehr viele - kein Lohn.

          • @Wolfgang Amadeus:

            ...sehr gut - genau meine Meinung 👍

        • @Rudi Hamm:

          ...Qualität hat ebend ihren Preis - da sollten wir schon Konsequent bleiben...

        • @Rudi Hamm:

          Ja klar, wenn die unteren Einkommensschichten mehr bekommen wird alles teurer und die Welt geht unter. Können ja oben was wegnehmen dann passt es wieder.

          • @Andreas J:

            "Können ja oben was wegnehmen dann passt es wieder."



            Habe ich noch nie erlebt, werde ich wohl nie erleben. Also bleibt alles beim alten.

  • Angesichts des vollkommen fehlerbehafteten Titels des Gesetzes, der Historie um irgendwelche Zahlen ohne Gesetzentwurf, eines stets hinausgezögerten Gesetzesentwurfes, einer Gesetzesblockade und des stets von Kritikern ins Feld geführten Mehraufwandes ist das Ergebnis wirklich dürftig. Eine Erhöhung der Regelsätze hätte vollkommen ausgereicht.

    • @DiMa:

      Halbes Prokopfeinkommen für jeden ab 0 Jahren . Halbes Bruttoeinkommen abgeben. Fertig. Nennt sich Negative Einkommensteuer.