Insolvenz des Start-ups WeWork: Ihr wollt es doch auch

Das Scheitern des Gründers Adam Neumann ist der neueste Beweis für die Ära der Hochstapler. Für diese sind wir selbst verantwortlich.

Der junge Adam Neumann lächelt einladend, trägt schulterlange, dunkle Haare, ein Sakko und darunter ein T-Shirt mit der Aufschrift: Creator

2010 gründerte Adam Neumann WeWork Foto: Tom Stockill/camera press/laif

Schon wieder ein Versprechen gebrochen. WeWork hat am Montag in New York Insolvenz angemeldet. WeWork, das war mal das wertvollste Start-up der USA, 47 Milliarden Dollar wert. Das Unternehmen, das die Immobilienwelt aufmischen wollte, versprach Gründer Adam Neumann. Auf der ganzen Welt, New York, London, Paris, Berlin, vermietete WeWork anderen Start-ups schicke Büros und damit eine angemessene Umgebung für diejenigen, die nach den Sternen greifen. Wer hier einen Space mietete, sagte der Welt: Ich will es zu was bringen. So wie Neumann.

Der flog im Privatjet um die Welt, rauchte Gras, bekam von einem japanischen Tycoon Milliarden geschenkt. Geiler Typ. Nur blöd: Offensichtlich fußte das Geschäftsmodell auf den niedrigen Zinsen, die seit der globalen Finanzkrise Unmengen an, wie Finanzanalysten es im Fachjargon nennen, dumb money in die Märkte spülten. Jetzt, da die Zinsen steigen, kollabiert so manches Unternehmen, bei dem sich herausstellt, dass es auf Sand gebaut ist.

Bei WeWork konnte man das schon länger wissen. Bereits 2019 zeigte sich, dass die Bücher ziemlich leer waren. Neumann wurde geschasst, bald füllten sich die Magazine mit Reportagen über Neumanns bizarren Lebensstil und seine offensichtlichen Flunkereien, Übertreibungen und den Größenwahn.

Als ein Reporter ihn mit Elizabeth Holmes verglich, klagte Neumann. Dabei ist der Vergleich treffend: Holmes hatte Silicon Valley und Großinvestoren davon überzeugt, dass sie eine Maschine entwickelt hatte, die aus nur einem Tropfen Blut eine genau Analyse des Gesundheitszustands gewinnen kann. Sogar Krebs wollte sie so entdecken. Doch das war Betrug. Holmes wurde mittlerweile zu gut 11 Jahren Knast und 400 Millionen Dollar Strafe verurteilt. Holmes und Neumann zeigen: Wir leben in der Ära der Hochstapler.

Eine Frage des Glaubens

Um in den USA zu bleiben, haben uns die vergangenen Jahre einige hochkarätige Betrugsfälle beschert: Billy McFarlane legte Tausende reiche Partywillige mit einem nicht existierenden Fyre Festival rein, was er mit 6 Jahren Knast büßte. Der republikanische Abgeordnete George Santos log sich seinen Lebenslauf so dreist zusammen und benutzte die Kreditkarten seiner Kampagnenspender, dass ihm jetzt eine langjährige Haftstrafe droht. Und zuletzt machte die Verurteilung von Sam Bankman-Fried, dem Gesicht von Kryptospekulation, Schlagzeilen, der 10 Milliarden Dollar seiner Investoren in Luft aufgehen ließ.

Nicht zu vergessen die Hochstaplerin unserer Herzen, Anna Sorokin. Als Anna Delvy hatte sie jahrelang die New Yorker High Society glauben lassen, sie sei eine reiche Erbin aus Deutschland, deren Kreditkarten gerade nicht funktionieren. Sorokin haute sogar den Fyre-Fraudster übers Ohr. Belohnt wurden beide mit Netflix-Serien. Und Sorokin mit 12 Jahren Haft.

Nick Bilton, der Journalist, der Elizabeth Holmes' Betrug aufdeckte, sagt, dass diese Art von Hochstapelei in einem System begünstigt wird, in der alle glauben wollen, dass die nächste weltverändernde Erfindung gleich um die Ecke liegt. Auch die Tech-Presse hat ihren Teil zu dem Hype beigetragen. Wo es nur darum geht, Zugang zu den Berühmten und Mächtigen zu erhalten und das nächste Gadget zum Besprechen zugeschickt zu bekommen, werden Nachfragen und kritisches Denken zum Hindernis für den Karriereaufstieg.

Neumann, Bankman-Fried und Konsorten hören nicht auf davon zu prahlen, wie sie die Verhältnisse umstürzen, die Branche umkrempeln und ihren Investoren die Taschen richtig voll machen. Das muss man ihnen glauben wollen.

Auch in Deutschland ein Problem

Das klingt alles sehr amerikanisch, nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten und des unendlich tiefen Falls. Aber aus dem Land, dessen Hauptstadt bis vor Kurzem von einer Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin regiert wurde, die ihre Doktorarbeit plagiiert hatte, sollte man nicht so arrogant in die USA blicken. Insbesondere weil das bei Weitem nicht die einzige Po­li­ti­ke­r:in dieses Landes ist, die es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt.

Und auch anderen wird gerne Glauben geschenkt: Immobilienkönig René Benko hat in diesem Land Karriere gemacht. Die öffentliche Hand hat ihm großzügig Milliarden in den gepuderten Hintern geblasen, Städte überließen ihm Filetgrundstücke, hebelten geltendes Baurecht aus und übergingen Stadtteilinitiativen und Lokal­po­liti­ker:in­nen. Man wollte sich auch im Glanz dieses aufstrebenden Unternehmers sonnen. Sie wollten seine Geschichte glauben. Anna Sorokin ist deutsche Staatsbürgerin. Eigentlich soll sie aus den USA abgeschoben werden. Wenn man sich in Berlin, in der Techszene oder der Kunstwelt so umsieht, auf welche Idiotien und Betrügereien hier die Leute so reinfallen, dann darf man sich sicher sein: Anna Sorokin würde in Berlin eine großartige Zukunft haben. WeWork war hierzulande ja auch sehr beliebt.

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Redakteur taz2, zuständig für Medienthemen. Interessiert sich auch für Arbeitskämpfe und sonstiges linkes Gedöns, aber auch queere Themen und andere Aspekte liederlichen Lebenswandels. Vor der taz einige Jahre Redakteur im Feuilleton der Zeit und als freier Journalist in Europa, Nordamerika und dem Nahen Osten unterwegs gewesen. Ursprünglich nicht mal aus Deutschland, aber trotzdem irgendwann in Berlin gestrandet. Mittlerweile akzentfrei.

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