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Hungerstreik für bessere Klimapolitik„Bild“ kann Leben retten

Hungerstreikende wollen, dass der Kanzler die Wahrheit über die Klimakatastrophe sagt. Er tut es nicht. Ihr Plan B: Die „Bild“-Zeitung soll es sagen.

Pressekonferenz mit Plan B: Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen am 3. Juni in Berlin Foto: Waltraud Schwab

Berlin taz | Der Bundeskanzler soll den Menschen die Wahrheit sagen über die Klimakatastrophe – so lautet die zentrale Forderung der vier Männer, die zum Teil seit März in Berlin im Hungerstreik sind. Jetzt werden sie noch radikaler. Am Mittwoch treten zwei von ihnen auch in den Durststreik.

Die Menschen müssen wissen, dass der Klimawandel das Leben auf dem Planeten zerstört, sagen die Hungerstreikenden. Sie sollen wissen, dass die Vorstellung, dass es ein CO2 Restbudget gebe, das wir noch verbrauchen könnten, eine Mär ist. Jetzt schon ist viel zu viel CO2 in der Luft. Alles Fakten, die vom Weltklimarat und von Leuten aus der Wissenschaft bestätigt sind. Wer, wenn nicht der Bundeskanzler muss das den Leuten sagen. „Hungern-bis-ihr-ehrlich-seid“, heißt entsprechend die Kampagne. Die Hungernden sind in einem immer kritischeren gesundheitlichen Zustand.

Allein, Olaf Scholz windet sich, sagte auf einem Bürgerdialog in Erfurt in der vergangenen Woche, dass die Politik ihre Handlungen aus den wissenschaftlichen Daten ableite und ja, er sehe den Klimawandel, andere vielleicht nicht. Er stellt die Meinung der PolitikerInnen damit über die Fakten der Wissenschaft. Ein Vorgehen, das den KlimaleugnerInnen in die Hände spielt.

Und bei einem Dialog auf dem Demokratietag vor einer Woche sagte Scholz: „Zu sagen, ich löse die Situation mit einem Bekenntnis zu irgendetwas, ist kein ­Ausweg, denn es ist keine religiöse ­Veranstaltung“. Die wissenschaftliche Wahrheit auszusprechen wird demnach zum religiösen Bekenntnis.

Nichts mehr trinken

Jetzt wollen die Hungerstreikenden weiter eskalieren. Am Mittwoch, so kündigten sie an, wollen zwei von ihnen, der 49-jährige Umwelttechniker Wolfgang Metzeler-Kick und der 34-jährige Aktivist von „Letzte Generation“ Adrian Lack auch nichts mehr trinken. Sie gehen in den „trockenen Hungerstreik“. Das werde vermutlich, angesichts ihrer geschwächten körperlichen Kondition, in ein bis drei Tagen zum Tod führen.

Adrian Lack ist seit 28 Tagen im Hunger- und Schweigestreik. Wolfgang Metzeler-Kick hungert bereits seit 89 Tagen. Er hat in der Zeit 30 Kilo an Gewicht verloren. Er weist noch einmal eindringlich darauf hin, dass es wenig Sinn mache, auf zukünftige Techniken zu setzen, um CO2 aus der Luft zu holen, und gleichzeitig großzügig, etwa im Verkehr, zu erlauben, weiterhin CO2 in die Luft zu pumpen. Er wirft sein Leben in die Waagschale, um diesen Irrsinn zu stoppen. Im Invalidenpark in Berlin kann man dem Verfall hungernder Menschen und bald auch dem Sterben in Echtzeit folgen.

„Bild“ soll Druck machen

Nach einem Plan B gefragt, der die Hungerstreikenden motivieren könnte, ihren Hungerstreik abzubrechen, antwortet Metzler-Kick mit einem Schmunzeln, „ja, wenn die Bild-Zeitung unsere Forderungen drucken würde“.

Wie sich bei Nachfragen auf der Pressekonferenz herausstellt: Es ist durchaus ernst gemeint. Die Bild könnte das Leben der Hungerstreikenden retten, indem sie die Klimawahrheit ausspricht, wenn Olaf Scholz schon nicht bereit dazu ist. „Die Bildzeitung würde mehr Menschen erreichen als der Bundeskanzler“, meint Metzeler-Kick noch.

Jetzt müsste nur die Bild mutig sein, mutiger als der Bundeskanzler. „Wenn ich tot bin, beweist das, dass der Bundeskanzler lieber Menschen sterben lässt, anstatt ihnen die Wahrheit zu sagen“, sagt Metzler-Kick. Ob sich die Bild das auch nachsagen lassen will?

Inzwischen fordern auch Aktivisten aus der Klimabewegung die Hungerstreikenden auf, den Hungerstreik zu beenden. Der sonst für Forderung nach mehr Radikalität bekannte Aktivist Tadzio Müller hat Metzeler-Kick per offenem Brief aufgefordert, den Hungestreik zu stoppen. „Wir brauchen Dich, Dein Herz, Deinen Mut, Deine Sturheit noch“, schreibt Müller.

Einen Lichtblick gibt es. Bei der Pressekonferenz hing am Tisch vor den Hungerstreikenden in Transparent: „Wir wollen leben“, steht darauf.

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22 Kommentare

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  • Man fasst sich an den Kopf,



    Menschenleben retten, auch bei Spinnern, muß hier Vorang haben.

    Muß jetzt auch noch die Bild Karte gezogen werden?

    Zwangsernährung fällt aus, vielleicht hilft ein knallharter Medienboykott und das ab sofort !

    • @Peace85:

      Medienboykott wäre auf jeden Fall wichtig.



      Unabhängig davon sollte der Platz von der Polizei aber auf jeden Fall geräumt werden.

  • Die Nummer wird immer abstruser. Und dem eigentlichen Ziel wird maximal geschadet, weil (mal wieder) der Eindruck entsteht, Klimaaktivisten seien eine Bande geistig umnachteter Untergangssektierer.

    • @Samvim:

      So ist es.

    • @Samvim:

      Ach, wissen Sie, das wird doch sowieso behauptet. Die Gesellschaft will keinen wirksamen Klimaschutz, deshalb werden Aktivisti immer (und immer wieder) diskreditiert werden. Es war weitesten Teilen der Gesellschaft bislang völlig egal, wie die Klimabewegung in ihrem Aktivismus vorgegangen ist (siehe z.B. FFF, die immer völlig friedlich demonstriert haben), mensch und Medien haben sich ausgiebig an ihr abgearbeitet und haben beispielsweise andere Aktionsformen gefordert. Meist ohne konkrete Vorschläge. Und egal, was die Aktivist:innen auch gemacht haben, es wurde gesagt und geschrieben, dass gerade das das völlig Falsche war. Mir jedenfalls wird schlecht bei dem Gedanken, wie abgebrüht und empathielos viele mit dem Gedanken umgehen, dass hier Menschen sterben könnten.

      • @J. Straub:

        Darum geht es ja - der Mensch hat es selbst in der Hand, ob er stirbt oder nicht. Am Rest ändert sich dadurch nichts.

        • @Samvim:

          Der Mensch, der auf dem Hochhausdach steht, hat es auch selbst in der Hand.



          Trotzdem steht man nicht empathielos daneben und sagt: Ist doch sein Problem.



          Der Unterschied: Der Mensch auf dem Hochhaus hat eine Krankheit, die eine individuelle Therapie heilen kann.



          Der Mensch im Hungerstreik leidet an einer gesellschaftlichen Krankheit, die man mit einer gesellschaftlichen Therapie heilen könnte. Und uns alle anderen würde diese Therapie auch gut tun.

    • @Samvim:

      Das wollte ich grad' posten.

  • Herr Metzeler-Kick ist heute freiwillig in ein Krankenhaus eingeliefert worden. damit ist der Hungerstreik für ihn wohl zu Ende.

  • Die Bild berichtet doch immer wieder auch über die Klimakrise.



    Dr. Mark Benecke nutzt diese Beiträge immer wieder in seinen time is up Vorträgen

  • Es ist die Entscheidung der Demonstranten, jederzeit wieder Nahrung zu sich zu nehmen. Die Bild hat nix damit zu tun und weder Politiker noch Presse sollten sich erpressen lassen.

  • Nichts an dieser "Aktion" finde ich radikal, sondern lächerlich.



    Das Bekenntnis zu Worten nützt nichts.



    Sozialökologisch umsteuern müssen alle gemeinsam, ob nun ein Regierungsangestellter etwas sagt oder nicht. So etwas Chef-fixiertes ist echt ideenloser Fatalismus.

    • @Land of plenty:

      Die politischen Hebel sind so viel länger als private, das ist sehr wohl der Ansatz Nr. 1



      Auf ruznd 60 Mrd. Euro jährlich (!) beziffert das Umweltbundesamt die Summe, mit der klimaschädliches (!) Verhalten noch gefördert (!) wird.



      Dafür kann Oma lange warme Socken stricken.

  • "Bild" die Wahrheit drucken? Außer bei Datum, Gegendarstellungen und Sportergebnissen?



    Ein ambitionierter Wunsch.

  • Wenn es so einfach ist, diesen sinnlosen Tod zu verhindern, dann möge die BILD doch abdrucken, was immer die Aktivisten fordern.

    • @Jim Hawkins:

      Bild bei den Guten? Was würde Hans Esser dazu sagen?

    • @Jim Hawkins:

      Des ist ganz einfach den sinnlosen Tod zu verhindern, der Hungerstreik wird beendet .Wenn die bild sich erpresen läßt ist das das Ende der Pressefreiheit.

    • @Jim Hawkins:

      "sinnlosen Tod".



      Ist doch mit einer glasklaren Forderung verbunden.

      • @LeKikerikrit:

        Und wenn diese Forderung nicht erfüllt wird, ist es dann wirklich sinnvoll, dafür zu sterben?

      • @LeKikerikrit:

        Sterben für Worte?

        Gesagt oder gedruckt, wenn das nicht sinnlos ist, dann weiß ich nicht was sinnlos ist.

  • Oh jeh!



    "Ich schreib's der BILD"



    Das ging schon immer in die Hose.