Heiko Maas' Marshallplan für die USA: Spontane Fremdscham
Außenminister Maas hat es inhaltlich gut gemeint. Doch Wortwahl und Zeitpunkt sind maximal peinlich. Die USA brauchen keinen deutschen Oberlehrer.
M anchmal beweist die SPD ein großes Talent für Initiativen, die spontan Fremdscham auslösen. Heiko Maas’ neuester Vorschlag ist geradezu ein Musterbeispiel für gut gemeinte, aber schlecht gemachte politische Kommunikation. „Wir sind bereit, mit den USA an einem gemeinsamen Marshallplan für die Demokratie zu arbeiten“, tönt der SPD-Außenminister auf Twitter. Und fügt hinzu: „Die Spaltung in unseren Ländern bei den Wurzeln zu packen, ist eine der größten Aufgaben für die USA und Europa.“
Die Grundidee, das Vertrauen in westliche Demokratien und Multilateralismus zu stärken, ist richtig. Aber Maas schadet ihr mit seinem Angebot eher, als dass er sie stärkt, weil es großmäulig und anmaßend wirkt. Auf den Ton kommt es an. Da wäre erstens der historische Vergleich, der abwegig ist. Mit dem Marshallplan haben die USA der jungen Bundesrepublik und anderen westeuropäischen Staaten wirtschaftlich auf die Beine geholfen, nachdem die Nazis mit ihrem Angriffskrieg große Teile des Kontinents verwüsteten. Und jetzt soll Deutschland, das seine Demokratie auch den USA verdankt, die amerikanische Demokratie retten? Bitte nicht.
Auch wenn Maas es so platt nicht gemeint hat: Ein deutscher Außenminister sollte wissen, dass er präzise sprechen muss, damit falsche Assoziationen vermieden werden. Auch Form und Zeitpunkt von Maas’ Vorstoß sind maximal falsch gewählt. Dass er die Zusammenarbeit ausgerechnet nach einem dramatischen Ereignis, dem Sturm Rechtsextremer aufs Kapitol, öffentlich anbietet, dient erkennbar auch der eigenen Profilierung. Das ist peinlich und der Ernsthaftigkeit der Sache unangemessen.
Wenn es Heiko Maas wirklich darum geht, mit anderen Staaten zusammen den Glauben an die Demokratie zu fördern, und wenn er dazu eine engere transatlantische Kooperation anstrebt, hätte er gut daran getan, dies hinter den Kulissen zu organisieren. Manchmal ist es besser, einfach zu machen – und den Mund zu halten. Die USA brauchen keinen deutschen Oberlehrer, der ihnen die Demokratie erklärt. Maas hat diese Falle nicht erkannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner