Haushaltspläne der Ampel-Koalition: Teuer bezahlte Budgetkürzungen

Wiedereingliederung, Migration, Freiwilligendienste, Bafög – bei vielen sozialen Leistungen und Projekten wird im Haushalt der Rotstift angesetzt.

Blick in eine Flüchtlingsunterkunft.

Schon jetzt müssen traumatisierte Geflüchtete über sieben Monate auf Hilfe warten Foto: Sylvio Dittrich/imago

BERLIN taz | Schon jetzt könne man nur 4,1 Prozent der potenziell behandlungsbedürftigen Personen versorgen, warnte die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BafF) in einer Pressemitteilung im Juli. Die geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt für das Jahr 2024 sind da gerade bekannt geworden. Schon damals war klar, dass die Aussichten für Organisationen im Bereich Migration und Integration nicht rosiger werden dürften: Angebote zur Beratung und Betreuung geflüchteter Menschen verlieren fast 60 Prozent ihrer Fördermittel, kritisiert die BafF.

Lukas Welz, deren Geschäftsleiter, rechnet infolge der Kürzungen mit Entlassungen von Fachkräften und Aufnahmestopps, während die Zahl der Betroffenen immer weiter ansteige: „Die Kürzungen sind auch gesellschaftspolitisch fatal und zeugen von mangelnder Weitsicht. Die Bildungs- und Berufsperspektiven der Schutzsuchenden werden zerstört.“

Durchschnittlich 7,2 Monate müssen traumatisierte Geflüchtete aktuell auf Hilfe warten. Die Folgen werden Welz zufolge alle anderen gesellschaftlichen Systeme ein Vielfaches dessen kosten, was im Moment für Beratung ausgegeben werde. Dazu streicht die Ampel auch Mittel für Integration, Migrationsberatung und für humanitäre Hilfe und Krisenprävention, die die Bekämpfung von Fluchtursachen zum Ziel hat.

Im Bereich Arbeit sieht die Bundesregierung ebenfalls Kürzungen vor. Zwar soll das Bürgergeld für arbeitslose Menschen nach dem Wunsch der Koalition 2024 um 12 Prozent steigen. Für die Eingliederung, also Programme, die Langzeitarbeitslosen den Weg zurück in den Arbeitsmarkt ebnen sollen, sind statt 4,4 Milliarden aber nur noch 4,2 Milliarden Euro vorgesehen. Ein Jahr zuvor waren die Leistungen hier schon um 400 Millionen Euro gekürzt worden.

Vor allem Langzeitarbeitslose von Kürzungen betroffen

Die angekündigten Einsparungen werden zu Reduzierungen der Beschäftigungsprogramme führen, warnt die BAG Arbeit, ein Zusammenschluss von Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen, die sich für die Integration arbeitsloser Menschen einsetzen. „Dies wird insbesondere die Förderung für Langzeitarbeitslose betreffen“, schreibt die Organisation in einer Pressemitteilung. Es erscheine in Zeiten des gravierenden Arbeits- und Fachkräftemangels völlig unverständlich, bei der Qualifizierung und Reintegration in Arbeit zu sparen.

Verschärfen könnte sich der Mangel an Arbeitskräften in vielen Bereichen auch durch die Streichungen bei den Freiwilligendiensten. 78 Millionen Euro, also etwa ein Viertel des gesamten Budgets, sollen hier 2024 wegfallen, für 2025 sind weitere Kürzungen geplant. Damit könnte jede vierte Einsatzstelle für Freiwilligendienste wegfallen, fürchtet der Wohlfahrtsverband Diakonie.

Neben der Zahl der Plätze würde auch die Vielfalt der Einsatzstellen unter der Haushaltsplanung der Bundesregierung leiden: „Wer hier spart, nimmt der Jugend nicht nur eine wichtige Orientierungsperspektive, sondern gefährdet auch die Zukunft unserer sozialen Infrastruktur“, warnt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Die Bundesregierung konterkariere mit ihrer Fiskalpolitik ihre eigenen Pläne, Berufe im Sozialen und in der Pflege attraktiver zu machen und dem Fachkräftemangel zu begegnen, so Loheide weiter.

Auch die Kürzungen, die die Bundesregierung beim Bafög für Schü­le­r:in­nen und Studierende vorsieht, würden vor allem zulasten junger Menschen gehen. Im Koalitionsvertrag hatte man sich eigentlich den Ausbau der Ausbildungsförderung auf die Fahnen geschrieben. Stattdessen würde das Budget für Studierende um 440 Millionen auf 1,37 Milliarden und für Schü­le­r:in­nen um 212 Millionen auf 551 Millionen schrumpfen. Das Deutsche Studierendenwerk hatte die Kürzungen deutlich kritisiert und im Zuge der Debatte rund um das Bürgergeld eine Erhöhung des Bafög-Satzes gefordert, der bisher nicht an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst worden sei.

Auch die im Koalitionsvertrag angekündigten Strukturreformen, mit denen mehr Menschen Anspruch auf Bafög hätten, seien mit den Kürzungen nicht realisierbar: „Mit weniger Geld kann man nicht mehr Studierende fördern wollen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Studierendenwerks zu den aktuellen Bafög-Zahlen, die das Statistische Bundesamt am Montag veröffentlicht hatte.

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