Gründe für Wahlniederlage der Grünen: Baerbock redet übers Geld
Die Grünen müssten soziale Fragen stärker beachten, sagt die Außenministerin, und erinnert an Fehler beim Heizungsgesetz. Die Kanzlerfrage lässt sie offen.
taz/afp | Bundesaußenministerin Annalena Baerbock spricht eine Woche nach dem schlechten Abschneiden der Grünen bei den Europawahlen über Fehler ihrer Partei und der Koalition. In der Süddeutschen Zeitung vom Montag sagte sie: „Sicherheit ist die Frage unserer Zeit – und zwar in jeglicher Hinsicht, gerade auch die gefühlte und die materielle Sicherheit. Und die haben wir als Bundesregierung und auch als Grüne offenkundig zu wenig adressiert.“
Konkret nannte sie die Debatte über das Gebäudeenergiegesetz aus dem Ministerium von Klimaminister Robert Habeck im vergangenen Jahr. „Beim Heizungsgesetz haben wir die Frage der sozialen Absicherung zu Beginn nicht ausreichend thematisiert“, sagte sie. „Vielen Menschen war lange nicht klar, was das alles für sie konkret heißt.“
Bislang gilt Habeck bei den Grünen als Favorit auf die Kanzlerkandidatur im nächsten Jahr, allerdings hält sich auch Baerbock eine erneute Kandidatur offen. „Als Außenministerin habe ich gelernt, dass alles möglich ist“, sagt sie der SZ.
Für die laufenden Haushaltsverhandlungen mahnte Baerbock mehr Flexibilität an. „Es wäre fatal, in ein paar Jahren sagen zu müssen: Wir haben die Schuldenbremse gerettet, aber dafür die Ukraine und die europäische Friedensordnung verloren“, sagte sie. Die Koalition will bis Anfang Juli den Haushalt für das kommende Jahr ausarbeiten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt eine Lockerung der Schuldengrenze strikt ab und verlangt deutliche Kürzungen in den Budgets mehrerer Ministerien.
Gleichzeitig sprach sich die Grünen-Ministerin gegen einen Austritt aus der Ampel-Koalition aus. „Den größten Gefallen, den wir den Feinden der liberalen Demokratie im In- und Ausland tun könnten, wäre, dass noch eine europäische Demokratie vorzeitig in Neuwahlen geht“, sagte Baerbock. „Unser verdammter Job als Regierung ist es, auch in schwierigen Zeiten Probleme miteinander zu lösen.“ Vorwürfe, dass die Grünen in der Koalition zu wenig durchsetzungsfähig auftreten würden, wies sie zurück: „Mir ist das zu simpel. Auf den Putz hauen und dann läuft es? Die Realität ist komplizierter. Dreierbeziehungen sind nie einfach“, sagte sie.
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