Giorgia Meloni zu Besuch bei Olaf Scholz: Postfaschistin auf rotem Teppich

Am Freitag kam es zur ersten echten bilateralen Runde zwischen dem SPD-Kanzler und der radikal rechten Ministerpräsidentin Italiens. Es wurde eifrig Harmonie demonstriert.

Im Vordergrund Giorgia Meloni gestikulierend und eine Grimasse ziehend, im Hintergrund Olaf Scholz stoisch nach vorne blickend

Trotz der engen Bande: Die Divergenzen zwischen Giorgia Meloni und Olaf Scholz lagen klar auf dem Tisch Foto: Christian Mang/reuters

ROM taz | Da haben sich zwei wirklich kräftig angestrengt. Bundeskanzler Olaf Scholz und Giorgia Meloni, die italienische Ministerpräsidentin, die sich am Freitagnachmittag zum Antrittsbesuch in Berlin eingefunden hatte, taten beide ihr Bestes, um eifrig Harmonie zu demonstrieren.

Roter Teppich vor dem Kanzleramt, militärische Ehren, dazu ein Scholz, der sogar lächelte – Meloni hatte einen Empfang, der atmosphärisch kein bisschen dadurch getrübt war, dass da eine radikal rechte Postfaschistin einem sozialdemokratischen Regierungschef die Aufwartung machte. Wenn man von kurzen Gesprächen der beiden am Rand von EU- oder G20-Gipfeln absieht, war es die erste echte bilaterale Runde zwischen Scholz und der italienischen Ministerpräsidentin, und die hatte seit ihrer Amtsübernahme im Oktober 2022 fast dreieinhalb Monate gebraucht, um nach Deutschland zu kommen – doch von Misshelligkeiten war dann keinerlei Spur, auch nicht auf der abschließenden Pressekonferenz.

Scholz hob an, Italien sei ja so etwas wie ein „Sehnsuchtsland“ der Deutschen, und er schloss seine einführenden Bemerkungen, indem er der „lieben Giorgia“ das Wort übergab. Die wiederum ließ sich zu so viel Vertraulichkeit nicht hinreißen und blieb konsequent beim „Cancelliere Scholz“, doch auch sie wurde nicht müde, die engen Bande zwischen Deutschland und Italien zu würdigen.

Nichts änderten die engen Bande jedoch daran, dass am Ende diverse Divergenzen weiter auf dem Tisch blieben. Die allerdings hatten weniger mit den politischen Ausrichtungen der beiden Regierungen zu tun als mit den nationalen Interessen, die sie in Europa durchzusetzen suchen. Vollkommene Einigkeit herrschte allerdings auf einem Feld: der Haltung zur russischen Invasion in der Ukraine. Bei der Frage nach italienischen Panzern musste Meloni zwar passen, nicht jedoch, weil sie nicht will, sondern weil sie nicht kann: Italien hat diese Panzer schlicht nicht. Stattdessen wird sie vom Frühjahr an gemeinsam mit Frankreich ein Anti-Raketen-Abwehrsystem in die Ukraine liefern, und sie kündigte auch an, noch vor dem 24. Februar, dem ersten Jahrestag der russischen Invasion, nach Kyjiw reisen zu wollen.

Kein gemeinsamer Kurs bei EU-Flüchtlingspolitik

Weniger harmonisch ging es zwischen Scholz und Meloni dagegen bei zwei zentralen Fragen zu, die der Europäische Rat nächste Woche verhandelt: die Reaktion auf die milliardenschweren Staatshilfen, die US-Präsident Joe Biden der heimischen Wirtschaft zugutekommen lässt, und die Flüchtlingsfrage.

Deutschland setzt als Antwort auf die USA auf ein gelockertes Regime der EU bei nationalen Staatshilfen für Unternehmen, doch Meloni meldete da auch auf der Pressekonferenz mit Scholz Bedenken an. Die EU dürfe nicht vergessen, dass sie für ein „level playing field“, für faire Spielbedingungen unter den Mitgliedstaaten sorgen müsse, klagte sie ein, und die seien bei nationalen Hilfen nicht gegeben, da einige Länder in Europa, vorneweg Deutschland, größere Spielräume im Staatshaushalt hätten als etwa Italien. Stattdessen wünscht sie sich einen europäischen Unterstützungsfonds „mit gemeinsamer Schuldenaufnahme“. Scholz enthielt sich eines Kommentars, nur bei der ebenfalls von Meloni gewünschten flexibleren Verwendung von schon an die Staaten zugewiesenen Mitteln etwa aus dem EU-Kohäsionsfonds zeigte er sich gesprächsbereit.

Auch bei der Flüchtlingspolitik ist der gemeinsame Kurs vorerst nicht zu erblicken. Italien will die harte Abwehr, es predigt zudem großzügige Hilfen für die Herkunftsländer, für die wiederum Europa die Federführung übernehmen soll. Dass Deutschland und Italien kommende Woche im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs an einem Strick ziehen werden, zeichnete sich auch in dieser Frage auf der Pressekonferenz von Scholz und Meloni nicht ab.

Wenigstens in einer Frage jedoch näherte sich Meloni ihrem Gegenüber an. In einem Interview von 2019 hatte sie von ihrer „Allergie“ gegen Deutschland gesprochen, doch diese Allergie (ebenso wie die in ihrer Autobiographie von 2021 geäußerte „gewisse Aversion“) scheint verflogen. „Das soll ich gesagt haben?“ fragte sie sich selbst laut auf der Pressekonferenz, ganz nach dem alten Adenauer-Motto „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“. Sie habe es bloß mit der deutschen Sprache gehabt, erklärte sie dann noch, an deren komplexer Grammatik sie gescheitert sei. Wenigstens als Allergologe hat Scholz offenbar gute Arbeit geleistet.

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