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Gesundheitsminister Jens SpahnFade im Abgang

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Epidemische Notlage nicht verlängert, überflüssige Impfstoff-Überlegungen: Ein Rücktritt des Noch-Gesundheitsministers käme spät, wäre aber angebracht.

Zeit, nicht die Maske an den Nagel zu hängen – sondern den Job Foto: Michael Kappeler/dpa

J ens Spahn muss zurücktreten. Das mal vorweg. Nein, nicht wegen seiner aktuellen Impfstoffposse. Die legt eigentlich nur noch eine Schippe drauf, auf den Haufen Mist, den der CDU-Politiker in den Pandemie­jahren zusammengekarrt hat.

Aber spätestens mit seinem erst Mitte Oktober völlig ohne Not vorgebrachten Vorstoß, die epidemische Lage von nationaler Tragweite in Deutschland am 25. November auslaufen zu lassen, hat er bewiesen, dass er dem Titel nach vielleicht noch Gesundheitsminister, vor allem aber ein Meister der Fehleinschätzung ist. Dass ihm die kommenden Ampelmännchen dabei auch noch in all ihrer stupiden Liberalität gefolgt sind, macht es keinen Deut besser. Wer bei einem Blick auf die aktuellen Coronazahlen nicht erkennen mag, dass das Land sich in einer epidemischen Notlage von nationaler Tragweite befindet, sollte sich besser nach einem neuen Job umsehen. Nur aber bitte nicht in der Gesundheitspolitik.

Spahns Spitzenidee, in so einer Notlage überhaupt nur daran zu denken, die Ausgabe eines Impfstoffs zu bremsen, lässt einen nur noch ratlos den Kopf schütteln. Er mag ja recht haben in seinem Bestreben, den Vorrat an Moderna-Impfungen nicht verfallen zu lassen. Aber dafür kann man doch nicht die Verteilung von Biontech-Vakzinen limitieren. Jedenfalls nicht in einer – man kann das nicht oft genug betonen – epidemischen Notlage von nationaler Tragweite, in der die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung händeringend versucht, lieber heute als morgen einen Termin fürs Boostern zu kriegen. In der die Masse der frustierten Impfwilligen die der lautstark pöbelnden Impfverweigerer bei Weitem übersteigt.

Ein verantwortungsvoller Gesundheitsminister verstolpert sich in so einer Situation nicht in jungenhaften Autoquartettvergleichen, sondern er setzt sich in seinen Mercedes, seinen Rolls-Royce oder auf sein Fahrrad und bringt den heißen Stoff persönlich unter die Leute. So sieht eine engagierte Impfkampagne aus. Die Spahn’sche Spritzenverknappung hingegen führt mindestens zu Frustration, maximal sogar zur Verwirrung. Denn sie hinterlässt den fatalen Eindruck, dass die Lage so schlimm gar nicht sein kann. Dabei steht vor allem eins fest: Sie ist nicht nur schlimm. Sie ist sogar noch schlimmer, als viele das wahrhaben wollen.

Natürlich ist es längst egal, ob der geschäftsführende Spahn nun noch zwei Wochen mehr im Amt bleibt oder nicht. Aber man muss dem Minister mit dem abgelaufenen Haltbarkeitsdatum auch mal eine Chance geben. Vielleicht bekommt er ja wenigstens einen Rücktritt hin. Alles andere wäre im Abgang fade.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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36 Kommentare

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  • Ich sach's mal so: Geimpft wird, was auf den Tisch kommt! Das war doch von Anfang an nie anders.

    Da diskutiert man hier über eine Impfpflicht und hat vor Ort noch nicht einmal den Hauch eines praktikablen Plans, wie man ohne Impfzentren alle bis Weihnachten 2023 durchgeimpft haben will.

    Warum sollte Jens Spahn denn zurücktreten, wo Andreas Scheuer doch auch immer noch im Amt ist? Geld ist da.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Ich hätte an Spahns Stelle auch keinen Bock mehr mit Engelszungen auf lauter Bekloppte einzureden.



    Aber ich bin auch kein Profi.

  • "fade im Abgang"

    Natürlich kann man den Moderna Impfstoff nicht verfallen lassen. Nur Wein süffelnde Dekadenz und Moderna-Impfverweigerer lassen angesichts der Milliarden Ungeimpften weltweit bewusst Impfstoffe vergammeln.

    • @Rudolf Fissner:

      Wie Spahn aber hinterhergeschoben hat, ging es eigentlich darum, dass nicht mehr genug Biontech vorhanden ist. Er wollte es anfangs nur nicht sagen... Klassisches Kommunikationsmuster dieses Ministers, Nebelkerze nach Nebelkerze um vermeintlich bessere Nachrichten zu produzieren....

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Spüre ich Wut bei Gereon Asmuth? Oder wäre die Stimmung des Kommentators damit zu euphemistisch beschrieben?

  • Etwas OT, aber: wenn (bzw. falls) die neue Regierung denn vereidigt wird, ist der größte Gewinn zunächst mal, dass wir neben Spahn Scheuer, Klöckner und Seehofer loswerden. ALL diese Leute hätten längst zurücktreten müssen.



    Achja, eine weitere CSU-typische "Spitzenleistung" erbrachte Frau Bär, die für Digitalisierung zuständige Staatssekretärin, die es fertigbrachte, D in ihrem Zuständigkeitsbereich auf den vorletzten Platz zu "hieven".

  • CDU-Taktik: Versagen auf einen aus den eigenen Reihen projizieren, damit man selbst Opposition spielen kann. Spahn als Bauernopfer. Medien spielen das Spiel brav mit, statt das Versagen der scheidenden Regierung, insbesondere Merkel, insgesamt in den Fokus zu nehmen.

  • Man kann Herrn Spahn die Kompetenz absprechen. So eine Pandemie ist ja auch nicht ganz einfach zu steuern. Zudem lag die Hoffnung ja auch auf der Impfung. Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und die Impfverweigerer sollten eigentlich auch ein wenig leiden.

    Tatsächlich vermisse ich aber das längst überfällige energische Eingreifen der Kanzler:indoppelspitze, die den Ministerpräsident:innen der Länder die Leviten liest, doch endlich Massnahmen zum Schutz ihrer Bevölkerung zu ergreifen. Allen voran das Söderfreistaatsgebiet sowie Sachsen, Thüringen und BW, wenn der RKI Deutschlandkarte geglaubt werden darf.

    Ach, geht es nicht sowieso nur um Impfverweigerer? Da müssten die Moderna Vorräte für den Booster doch ausreichend sein, oder?

  • Span



    Scheuer



    Klöckner ...



    Rücktritt ist einen vergessene Kunst

    • @Opossum:

      Die Ampel ist sich noch nicht einig darüber, wer folgen soll. Keiner will über einer der drei Bretter über Bord gehen.

  • Sicher der größte Fehler von Frau Merkel, aus Parteigründen unfähige Politiker jahrelang als Minister mitzuschleppen.

    • @Kappert Joachim:

      "It's not a bug. It's a feature."

      Das System Merkel bestand darin, die Korruptesten, Skrupellosesten und Pflichtvergessensten in Deutschland und EUropa systematisch und zielgerichtet in die entscheidenden Führungspositionen zu promoten.

      Ob Corona-Desaster, das Brexit-Dilemma, der langjährige Kuschelkurs mit Orbán und polnischen Katholiban, die fehlende Klimastrategie, oder das sozialverträgliche Absaufen im Mittelmeer:



      Wo immer es in der EU richtig derbe stinkt, hängt die EVP/CDU-CSU federführend drin.

  • Ich verstehe nicht, weshalb es sich Herr Spahn mit den Impf-Gegnern so schwer macht. Soeben hörte ich im DLF einen Bericht über den „Schwyzer Corona-Widerstand“: „Auch hier scheitern leider die Versuche, Erklärungen zu bekommen, warum die Unteriberger so kategorisch Nein sagen zu den ohnehin nicht besonders harten Pandemiemaßnahmen der Schweizer Regierung. Ein Mann knurrt: „Wir sind einfach dagegen . . . wahrscheinlich müssten die in Bern das Impfen strikt verbieten, um den Unteribergern zu einer höheren Impfquote zu verhelfen!“. ttps:www.deutschlandfun...-02ca077e-100.html



    Na, Herr Spahn, wie wär’s?

  • D'accord. Nur eine Anmerkung zu:



    "Aber man muss dem Minister mit dem abgelaufenen Haltbarkeitsdatum (...)"

    Vieles ist ja auch nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums noch gut.

  • Nachtreten ist einfach. Spahns Kariere in der Politik ist eh am Ende, Kanzler wird er auf absehbare Zeit nicht mehr. Bedauerlich ist das nicht. Ab Dezember kann die neue Regierung zeigen, welchen Fehlbesetzungen sie uns beschert. Es wird nicht alles besser werden.

    • @TazTiz:

      Das es besser wird ist ohnehin nicht zu erwarten. Ich befürchte eher das Gegenteil.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Spahns wahre, sprachliche und inhaltliche Entgleisung neben der Automarkenmetapher lautete dann:



    "Wahrscheinlich wird am Ende dieses Winters jeder geimpft, genesen oder gestorben sein"



    Das lässt wohl jeden ratlos zurück.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @90118 (Profil gelöscht):

      „Das lässt wohl jeden ratlos zurück.“ Ratlos und zornig.



      Wer sarkastische Sprüche ablässt über Bockmist, den er selbst verzapft hat, steht auf der Nominierungsliste für den „Zyniker des Jahres“ ganz oben.

  • guter Kommentar

    Keine weiteren Worte erforderlich.

  • Empfehlung zum Rücktritt, völlig überflüssig und total an der Person vorbei. Das Alleinstellungsmerkmal von Spahn war ja gerade, dass er sich bei vielen Fehlentscheidungen genau am richtigen Ort wähnte. "wir müssen uns viel vergeben" heißt im Merkelsprech übersetzt: Ihr müsst mir viel vergeben. Sein Selbstbewusstsein ist zu 100% umgekehrt proportional zu seiner Kompetenz, nämlich der eines Kaufmannes, weshalb ihn Merkel in die Regierung genommen hat, wohlwissend, dass er ihr da nicht gefährlich werden kann. Dienst am Volk, Fehlanzeige bei Merkel und Spahn und vielen Anderen der Union.

  • Er hätte für seine Korruptionsskandale gehen müssen, Punkt. Versagen im Amt ist christdemokratische bzw. christsoziale Normalität, da sollte man seine "Leistung" nicht zu stark von der anderer Minister abgrenzen.

  • Puh, ja, also der hätte schon früher zurücktreten können, also eigentlich schon VOR seiner Ernennung, spätestens aber nach dem nach dem Maskendeal den Rezo in seinem dritten Video (zum Thema "Korruption") beschreibt oder nach der Affäre um seine Villa in Berlin.

    Und eigentlich ist mir das eh unerklärlich, wie die deutsche Wahlbevölkerung es der CDU/CSU durchgehen lässt, dass sie einen Pharma-Lobbyisten zum Gesundheitsminister gemacht hat.

    www.abgeordnetenwa...bbyfirma-beteiligt

  • "In der die Masse der frustierten Impfwilligen die der lautstark pöbelnden Impfverweigerer bei Weitem übersteigt."



    Deutschland hat eine sehr grausame Geschichte mit Abgrenzung und Beleidigung. Ich kann es nicht verstehen wie eine Zeitung wie Taz so etwas schreibt. Das hilft nur zu die Abgrenzung und Diskriminierung, was die Gesellschaft braucht ist ein Dialog und ein Miteinander nicht gegen ein andere.



    Personen mi mal alemán su idioma es complicado de escribir.

  • Bisher Ungeimpfte werden doch erst in drei Monatern nach der zweiten Impfung voll geschützt sein konnen und dann ist der Winter mit der hohen Infektionsgefahr quasi rum. Weshalb stellt jede*r diese Gruppe der Impfzauderer so in den Vordergrund.



    Da sowieso nicht Impfstoffe und Impfkapazitäten für alle da sind, sollten erst mal so schnell wie möglich die Impfwilligen geimpft werden und so viel Impfstoff wie möglich ins Ausland gespendet werden. Bis nächstes jahr könnten dann, wenn wieder Impfstoff da ist, viele Zweifler überzeugt werden oder es gibt dann hoffentliche auch weitere Impf- und Behandlungsmöglichkeiten.

    • @StefanMaria:

      Exakt! Und hier wird noch ein weiteres und noch viel tödlicheres Versagen Spahns (und Merkels) sichtbar:

      Immer noch hat Deutschland kein System, um ablaufende Impfdosen schnellstmöglich einzusammeln und dorthin zu liefern, wo es nicht genug gibt.

      Auch blockiert die amtierende Noch-Kanzlerin die Patentfreigabe für Impfstoffe massiver als irgendjemand sonst auf der Welt: Denn ohne ihr OK zur Freigabe des DE/US-Biontech-Patents kann dieses insgesamt nicht freigegeben werden, und damit kann Moderna die diskutierte unilaterale Freigabe der US-Patente durch Biden gerichtlich stoppen lassen (als Wettbewerbsvorteil für Biontech), und weil in USA/DE nichts freigegeben wird haben auch Frankreich, UK, China, Russland etc keinen Grund anzufangen.

      "Der Markt regelt" sieht aktuell konkret so aus, dass das Sonntagsarbeitsverbot in Sachsens Krematorien aufgehoben wurde.

  • Klar müsste Spahn zurücktreteb, aber die Argumentation des Autors ist gelinde gesagt unredlich:



    "Spahns Spritzenverknappung", suggeriert, es würde Impfstoff (Biontec) von ihm zurückgehalten und dadurch bekämen manche, die eine Boosterimpfung wolten keine. Das ist schlicht unwahr! Höchstens bekommt einer eben keine Impfung mit Niontech, sondern mit Moderna. So what? Und wenn einer nicht gleich dran kommt, mag es an allen anderen Fehlern der Regierung (Stichwort Impfzentren) und eben auch Spahn liegen. Das ist kein verantwortlicher Journalismus.



    Und: "epidemischen Notlage von nationaler Tragweite"



    Das ist erstmal ein juristischer oder besser politischer Begriff, der es der Regierung erlaubt, ohne Einbindung des Parlaments, einschneidende Entscheidungen zu treffen. Das war und ist zutiefst undemokratisch. Hat uns auch nicht vor der vierten Welle bewahrt.

  • Über die Nichtverlängerung der epidemische Notlage hat der gerade erst gewählte Bundestag entschieden. Was hat der Noch-Gesundheitsminister damit zu tun?

    • @DiMa:

      Spahn hat`s als erstes gefordert und hat dann dagegen gestimmt.

  • Für diesen Menschen fallen mir keine Worte ein, schon gar keine guten...

  • 9G
    95309 (Profil gelöscht)

    Leider richtig.

  • Frau, (die heilige) Merkel hat dich ihren Gesundheitsminister agieren lassen wie er wollte.



    Die scheidende Regierung war obwohl sie andere Informationen mehr mit Wahlkampf und Corona ist vorbei beschäftigt als die Daten aus Israel und Währungen vom rki umzusetzen

    • @Gretchen Müller:

      Zur scheidenden Regierung gehört auch die SPD und deren Kanzlerkandidat, die aber seit Anfang des Jahres die Regierungsarbeit stark eingeschränkt und sich mehr um ihren Wahlkampf gekümmert haben. ...und die tollen vielen Ideen der Ministerpräsidenten der Bundesländer, die kurz nach gemeinsamen Absprachen bereits vergessen hatten, was sie abgesprochen haben, darf man auch nicht vergessen. Und zu guter letzt hat ein Teil der Bevölkerung lange Zeit sich so verhalten als gäbe es keinen Virus mehr (und ein zu großer Teil tut dies immer noch).

    • @Gretchen Müller:

      ja, die gute Merkel in ihrer Bestürzung.... dabei hat sie mindestens genauso viel Anteil daran wie Spahn, hat sie sich doch mit solchen Nachtwächtern umgeben und denen freie Bahn gegeben. Ein Herr Scheuer fällt mir da auch noch ein... selbes Kaliber.

  • Spahn muss jetzt gehen. Er hatte im Bundestag sein Wort gegeben, dass es keine Impfpflicht geben wird. Das war sehr unüberlegt.

    • @wollewatz:

      Da müssten alle Spitzenpolitiker aller Parteien gehen, da auch diese ihr Wort gegeben haben, dass es mit ihnen keine Impfpflicht geben wird. Einige hatten sogar im Vorfeld schon Klagen angedroht. Vergessen?

      • @Wahrheitsliebender:

        Ja, das habe ich wirklich vergessen - an wen hatten Sie explizit gedacht?