Gesetzentwurf des Berliner Enteignungsbegehrens: Nicht zum Nulltarif
Die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen hat einen Gesetzentwurf vorgelegt – doch was taugt der tatsächlich?
D ie Aktivist:innen nehmen die Sorgen der Bürger:innen ernst. Niemand will, dass das Land Berlin 36 Milliarden Euro ausgibt, um Wohnungskonzerne zu enteignen – wenn Berlin hinterher das Geld für vieles andere fehlen würde, insbesondere für eine soziale Politik.
Deshalb hat das Team des Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co enteignen jetzt ein „Vergesellschaftungsgesetz“ vorgelegt, das niemand weh tun würde – außer den Wohnungskonzernen. Die Entschädigung wäre auf rund 10 Milliarden Euro begrenzt und müsste auch nicht in bar bezahlt werden, sondern in „Entschädigungsbonds“ mit einer Laufzeit von bis zu 40 Jahren. Die Tilgung würde aus den bis dahin eingenommenen Mieten erwirtschaftet.
Eine Superidee. So kann man kritische Fragen beim Unterschriftensammeln im Keim ersticken. Auswirkung der Enteignung auf öffentliche Haushalte? NULL!!!
Aber geht der Trick wirklich auf? Schwer zu sagen. Denn seit über 70 Jahren steht zwar die Möglichkeit zur Sozialisierung im Grundgesetz, aber es gab keinen einzigen Anwendungsfall. Deshalb musste auch das Bundesverfassungsgericht noch nie klären, welche Entschädigung dann zu zahlen wäre.
Klar ist nur: Der volle Marktwert müsste nicht erstattet werden. Schließlich heißt es im Grundgesetz: „Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen.“ Im Berliner Fall müsste das Land nach einem erfolgreichen Volksentscheid also keine 36 Milliarden Euro für die Enteignung einplanen.
Doch welchen Abschlag würde Karlsruhe noch akzeptieren? Falls das Land Berlin nur 10 Milliarden Euro Entschädigung zahlt, läge der Sozialrabatt immerhin bei 72 Prozent. Und möglicherweise ist die avisierte Entschädigung sogar noch weniger wert, da sie ja nicht bar, sondern in zinslosen Wertpapieren ausbezahlt wird. Wer weiß schon, wie sich der Kurs für solche Bonds entwickeln würde.
Was beim Unterschriftensammeln hilft, könnte vor dem Bundesverfassungsgericht also eher schaden. Die Vorstellung, dass das Land Berlin die Enteignung durchziehen könnte, ohne einen Cent in die Hand zu nehmen, wäre zwar für die Berliner:innen beruhigend, darin dürfte aber wohl nicht jede:r die vom Grundgesetz geforderte „gerechte Abwägung der Interessen“ sehen.
Und dann würden die Richter:innen sicher auch auf den sozialen Nutzen der Enteignungen schauen. Zwar wären Mieten von 4 Euro pro Quadratmeter für die Bewohner:innen der 240.000 betroffenen Wohnungen toll. Aber die Konzernwohnungen machen nur ein Achtel aller Berliner Wohnstätten aus. Und niemand weiß, wie viele dieser Mieter:innen wirklich sozial bedürftig sind. Zugleich würden die Mieten im Rest der Stadt steigen wie gehabt. Noch wirkt die Initiative eher wie eine antikapitalistische Provokation als wie ein überzeugendes sozialpolitisches Konzept.
Allerdings ist der Gesetzentwurf auch gar nicht Gegenstand des Volksbegehrens. Dort geht es nur um eine unverbindliche Aufforderung an den Senat, er solle Maßnahmen zur Vergesellschaftung „einleiten“. Das heißt aber auch: Erst nach einem erfolgreichen Volksentscheid wird es um die konkreten, vermutlich deutlich höheren Entschädigungssummen gehen. Teuer wird es immer erst am Ende.
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