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Als Philosoph war Immanuel Kant nicht nur Kopf der Aufklärung, sondern legitimierte auch Rassismus Foto: Gabriele Thielmann/imago images

Geschichte des RassismusDas Machtsystem

Rassismus ist auch ein System zur Rechtfertigung ökonomischer Unterdrückung. Seine Ideengeschichte reicht bis in die Antike und wirkt bis heute fort.

D eutschland hat ein Rassismusproblem – und ein Problem mit Rassismus. Er ist einerseits allgegenwärtig, andererseits wird er lautstark beschwiegen.

Manche wagen sich so weit vor, von Ausländer- oder Fremdenfeindlichkeit zu sprechen. Doch weder geht es um Feindlichkeit noch um Ausländer*innen. Weiße Dän*innen haben hierzulande weniger Probleme als Afrodeutsche.

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Obwohl People of Colour Rassismus ausgesetzt sind, kenne ich mehr Leute, die sich über Rassismusdebatten empören, als Menschen, die sich über Rassismus empören. Rassismus habe es im Nationalsozialismus gegeben und in der Apartheid, vielleicht gäbe es Rassismus in den USA, aber in Deutschland? Heute?

Ich kenne mehr Leute, die angeblich schon längst alles über Kolonialismus gesagt haben, als Menschen, die sich fragen, was das noch heute mit ihnen und allem zu tun habe. Ich kenne mehr Menschen, die behaupten, dass Deutschland nur ganz kurz mal Kolonialmacht war (immerhin länger als der Nationalsozialismus), als Menschen, die wissen, dass Deutschland mehr als einen Genozid beging und sich nicht für alle entschuldigte.

Ich kenne mehr Menschen, die Kant und Hegel als Leuchtfeuer der Zukunft zelebrieren, als solche, die wissen, dass Kant das Konzept „Rasse“ nach Deutschland trug, um, wie Hegel, Sklaverei und die Tötung von Schwarzen zu rechtfertigen. Und ich kenne mehr Menschen, die sich über Political Correctness empören, als Menschen, die sich an rassistischen Begriffen stören.

„Minstrel-Show“ im Deutschen Fernsehen

Am 27. Januar 2013 stellte sich der Literaturkritiker Denis Scheck für seine Sendung „Druckfrisch“ ins Erste Deutsche Fernsehen. Er hatte sein Gesicht mit brauner Farbe bemalt, seine Lippen mit breiter roter Farbe überpinselt und weiße Handschuhe getragen. Und wozu stellte er sich mit diesem Outfit in die Tradition der Minstrel Shows, bei denen Schwarze verhöhnt wurden? Er stritt darum, dass das N-Wort in den Pippi Langstrumpf-Romanen stehen bleiben müsse.

Mal abgesehen davon, dass das Buch in Schwedisch geschrieben wurde und Übersetzungen davon leben, sich neuen Zeiten anzupassen: Warum streitet ein erwachsener Mann dafür, dass in einem Kinderbuch ein rassistisches Wort steht?

Scheck weist zurück, rassistisch zu sein. Er nimmt sogar für sich in Anspruch, gegen Rassismus zu sein. Ich bin nicht rassistisch, weil ich nicht rassistisch sein will, und weil ich nicht rassistisch bin, muss ich mich damit nicht auseinandersetzen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Ende der Auseinandersetzung mit Rassismus. Und so strahlt er aus der Gegenwart in die Zukunft hinein.

So etwa lief es auch in der DDR, die auf dem Gründungsmythos aufbaute, antifaschistisch zu sein. Ich bin gegen Rassismus. Das sang ich als Einschlaflied im Kindergarten.

Als ich dann mit 20 Jahren eine Anzeige aufgeben wollte, weil ein Berliner Kneipenbesitzer ein „N dürfen hier nicht rein“-Schild in sein Fenster stellte, wurde ich mit den Worten abgewiesen, dass es in der DDR keinen Rassismus gebe und ich es deshalb nicht anzeigen könne.

Schon Aristoteles rechtfertigte Sklaverei

Auch das Grundgesetz regelt seit 1949, dass Rassismus verboten ist. Doch obwohl die UNO schon in den 1940er Jahren feststellte, dass es keine „Rassen“ gibt, steht das Wort „Rasse“ dort und in fast allen Antidiskriminierungsgesetzen. In Berlin heißt es neuerdings, dass „kein Mensch … aufgrund … einer rassistischen Zuschreibung“ diskriminiert werden darf. Rassismus wird beim Namen genannt – und das sollte auch mit seiner langen Geschichte geschehen.

Der Begriff Rassismus wurde erstmalig in den 1930er Jahren von Magnus Hirschfeld verwendet. Ihm ging es darum, die nationalsozialistische „Rassen-Ideologie“ zu widerlegen. Darauf baut die Rassismusforschung auf. Sie zeigt, dass Rassismus weder vom Nationalsozialismus erfunden wurde noch mit ihm ein Ende fand. Doch wann beginnt diese Geschichte?

Sie lässt sich bis in die griechische Antike zurückverfolgen. Aristoteles war der erste, der eine Theorie der Sklaverei entwarf und zum Schluss kam, sie sei gerecht. Er begründete dies aus körperlichen Konstitutionen heraus, die sich mental auswirkten.

Nur der griechische Mann sei vernunftbegabt, griechische Frauen* könnten sie verstehen, Sklaven aber, er nennt sie auch „Barbaren“, die könnten nicht mal das und seien daher, auch wegen ihres Körperbaus, in der sozialen Ordnung am besten als Werkzeuge aufgehoben.

Klimatheoretisch sortierte Hautfarben sind bereits in der Antike wichtige Differenzkriterien für Religion, Raum, Geschlecht und entsprechenden Kartierungen von Über- versus Unterlegenheit. Dabei galt Schwarz als Farbe des Animalischen und Bösen und wurde räumlich an Äthiopien als Afrika ohne Ägypten gebunden. Weiß dagegen wurde ambivalenter erzählt: als physischer Marker für Perser*innen und Skyth*innen, aber auch für griechische Frauen* und Philosophen.

Im christlich geprägten Mittelalter blieb Schwarz die Farbe des Animalischen und Diabolischen, wobei sie nichtchristliche Religionen und Räume im heutigen Afrika und Asien markierte. Weiß dagegen avancierte zur Farbe christlicher Überlegenheit und ihrem geografischen Raum, dem heutigen Europa. Dieses Narrativ lag abrufbereit, als 1492 eine neue Weltordnung entstand.

Die Lüge der Entdeckung

Viele kennen 1492 als Jahr, in dem Columbus die „Neue Welt“ „entdeckte“. Doch wie kann eigentlich jemand etwas „entdecken“ oder als „neu“ bezeichnen, das Menschen bereits bekannt war? „Entdecken“ ist letztlich nichts als ein Euphemismus für Eroberung und mehr als ein sprachlicher Lapsus.

Diese Bezeichnung bildet ab, dass die amerikanischen Räume zwar weder neu noch leer waren; jedoch menschenleer gemacht wurden, um sie als „neu“ deklarieren zu können.

Durch Genozide. Spanien und Portugal und bald auch andere europäische Kolonialmächte griffen gewaltvoll auf amerikanische, afrikanische und asiatische Territorien zu – und deren Ressourcen.

Um sie zu gewinnen, benötigte die amerikanische Plantagenwirtschaft Arbeitskräfte. Ab dem frühen 16. Jahrhundert wurden daher Millionen von Afrikaner*innen in die Amerikas deportiert. Insgesamt erreichten rund 18 Millionen das Festland, während nochmals etwa 18 Millionen auf dem Seeweg starben. Widerständige, Kranke und Leichen wurden einfach über Bord geworfen.

Zum Gesamtbild dieses Verbrechens gehört es, dass afrikanische Gesellschaften über Jahrhunderte hinweg traumatisiert und ihrer jungen Generationen beraubt wurden, wodurch sie nachhaltig sozial und ökonomisch geschwächt wurden.

Diese gestohlenen afrikanischen Arbeitskräfte in den kolonial erbeuteten Ländern schulterten, zusammen mit lokal ausgebeuteten Arbeiter*innen, die Industrielle Revolution im Globalen Norden. Eben das benennt das Wort Maafa, das aus dem Kiswahili als Katastrophe, Desaster, große Tragödie zu übersetzen ist. Die Krise der einen ist das Paradies der anderen.

Je mehr Natur, desto weniger Mensch

Wie aber waren die Genozide an den indigenen Bevölkerungen und die Maafa mit dem Zeitgeist der Renaissance und seinem Humanismus zu vereinbaren? Gar nicht. Und deswegen wurde im frühen 16. Jahrhundert das Konzept „Rasse“ aus dem Tier- und Pflanzenreich auf Menschen übertragen: Um Europas koloniale Gewalttaten zu „legitimieren“ und als Akt der Zivilisierung der Welt zu verkaufen. Dazu musste den First Nations in den Amerikas und den Afrikaner*innen das Menschsein abgesprochen werden, denn: Wer kein Mensch ist, dem konnte auch kein Humanismus zuteil werden.

Dafür wurde zum einen die Formel der humanistischen „chain of being“ aufgerufen: je mehr Natur, desto weniger Mensch, also anderen unterlegen; je mehr Kultur, desto mehr Mensch, also anderen überlegen. Dieser Grundgedanke wurde zum anderen durch die Visualisierung von „Rasse“ durch „Hautfarbe“ manifestiert.

Susan Arndt

ist seit 2010 Professorin für Englische Literaturwissenschaft an der Universität Bayreuth. Sie forscht zu britischen, afrikanischen und diasporischen Literaturen sowie zu Sprache, Diskriminierung und Empowerment im Umfeld der Gender Studies, Intersektionalitätsstudien und Rassismusforschung.

Die etablierte christliche Farbsymbolik hielt dazu ein verlockendes Angebot bereit: Schwarz steht für das Teuflische, Animalische, Böse. Weiß dagegen für das Göttliche, Überlegene, Gute. Von hier war es nur ein kleiner Schritt zu der ebenso simplem wie fatalen Logik: es gibt eine „weiße Rasse“ – und diese ist allen anderen überlegen. Das erforderte einen krassen Abstraktionsprozess; menschliche Komplexionen bewegen sich in Nuancen verschiedener Beige- und Brauntöne und niemand war je weiß oder schwarz.

Doch weil Europa von dieser Erfindung profitierte, setzte sie sich durch. In Anlehnung an die antike Klimatheorien wurde „Hautfarbe“ an Mentalitäten und Religionen sowie geopolitische Räume gebunden – mit ergänzenden Farbkodierungen. Europa sei weiß, Afrika schwarz. Nunmehr aber wurde Asien als gelb und First Nations als rot erzählt. Es war die Aufklärung, die dieses Narrativ erfand und implementierte.

Das stößt oft auf Verwunderung. Denn die Aufklärung ist vielen der Beginn freiheitlicher Visionen. „Freiheit. Gleichheit. Brüderlichkeit.“ Genau. Diese Vision von Freiheit schloss Frauen* nicht ein; und sie schloss alle Kolonisierten, alle People of Colour aus. Zwar bestärkten einige Aufklärer den Abolitionismus. Andere aber sahen Vernunft in der Versklavung von Afrikaner*innen. Dazu gehört etwa der Philosoph Immanuel Kant. Er führt den Begriff „Rasse“ in den deutschsprachigen Raum ein. Das ist keine Fußnote seiner Arbeit, sondern zieht sich ab 1764 durch sein Werk. Er spricht in Anlehnung an französische und englische Aufklärer von „racen“.

In „Von den verschiedenen Rassen der Menschen“ (1775) und anderswo bejaht Kant Aristoteles Klimatheorien, etwa, dass „Hautfarbe“ Rückschlüsse auf mentale Befähigungen erlaube. Ebenso folgt Kant Aristoteles darin, dass Sklaverei eine naturgegebene und gerechte soziale Ordnung sei. 1798 spricht er von der Notwendigkeit, andere als die „weiße Rasse“ auszurotten.

Weil Weiße und Schwarze von Natur aus ungleich seien, gäbe es Gleichheit nur in Anerkennung dieser Ungleichheit. Weiße seien zum Herrschen geboren, „Amerikaner und N. können sich [jedoch] nicht selbst regieren. Dienen also nur zum Sclaven“.

Die Dialektik der Rassisten

Hegel wird Kant ab 1822 in seinen „Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie“ zustimmen. Zwar sei Sklaverei eigentlich unrecht. Doch Schwarze (und Hegel benutzt wie Kant das N-Wort) wüssten gar nicht, was Freiheit sei. Deswegen könnten, ja müssten, Schwarze versklavt werden – um was zu tun? Lernen, was Freiheit sei. Das ist eine verstörende Dialektik.

Mitte des 19. Jahrhunderts geht die Maafa zu Ende. Der Kolonialismus tritt in seine imperiale Phase über. 1884/85 findet die Berliner Konferenz statt, die Afrika wie eine Torte unter europäischen Kolonialmächten aufteilt, darunter Deutschland.

Die geraden Grenzlinien zeigen, dass sich die europäischen Kolonialmächte keine Gedanken darüber machten, dass sie Barrieren mitten durch Gesellschaften, Dörfer, ja Familien hindurchzogen – und andererseits Gesellschaften zusammenlegten, die historisch im Konflikt miteinander standen. Deutschland ist eine brutale Kolonialmacht.

Noch immer liegen in deutschen Museen und Krankenhäusern viele menschliche Überreste rassistischer Pseudoforschung. 1904 begeht Deutschland seinen ersten Genozid, an den Herero und Nama im heutigen Namibia.

Zeitgleich radikalisieren sich die pseudowissenschaftlichen „Rassen“-Theorien. Zum einen drangen sie immer tiefer in den Körper hinein: Ab dem 18. Jahrhundert wurden Körperteile wie etwa Schädel oder Skelett, aber auch Sexualorgane vermessen. Ab dem späten 19. Jahrhundert dominierten „innere Merkmale“ wie Blut und Gene die Theorien.

Zum anderen radikalisieren sich auch die Konsequenzen, die aus der rassistischen Wissenschaft gezogen werden. Der französische Diplomat Arthur de Gobineau spricht davon, dass sich „höhere“ gegen „niedere Rassen“ zur Wehr setzen müssten. Nirgendwo erfuhren Gobineaus Buch und sein „Arier-Mythos“ ab Ende des 19. Jahrhunderts eine solche starke Rezeption wie in Deutschland.

Überlebende Herero nach der Flucht vor dem Genozid durch die deutsche Kolonialmacht (ca. 1907) Foto: unbekannt/ Galerie Bassenge

Der darauf basierende eliminatorische Antisemitismus nährte sich aus dem „wissenschaftlichen“ Rassismus und der darauf basierenden Eugenik. Dem industrialisierten Genozid der Deutschen, dem Holocaust, fielen sechs Millionen Jüd*innen sowie Hunderttausende von Sinti und Roma zum Opfer. Auch die Konstruktion slawischer Gesellschaften als „Untermenschen“ mit weiteren Millionen von Toten, basiert auf dieser Theorie.

So wie der NS und die Shoah nicht aus einem Vakuum entsprangen, sondern auf der jahrhundertealten Tradition von Rassismus, Eugenik und Genozid aufbauten, fand Rassismus mit dem Nationalsozialismus kein Ende. Auch die Alliierten waren nicht frei von Rassismus.

Denken wir nur an die „Jim Crow“-Gesetzgebung (Anm. d. Red.: Trennung zwischen Afroamerikaner*innen und Weißen in den USA), die bis 1965 galt, an den staatlich praktizierten Antisemitismus in der Sowjetunion unter Stalin oder den britischen und französischen Kolonialismus, der erst ab den späten 1950er Jahren dem Widerstand erlag.

Auch über 1945 und die Jahre der Unabhängigkeitserklärungen hinaus, blieb Rassismus ein global wirkmächtiges System. Es ist längst (auch aus der Biologie heraus) erwiesen, dass es keine körperliche Grundlage gibt, Menschen nach „Rassen“ zu sortieren, aber Rassismus besteht fort – als Glaube an die Existenz von „Menschenrassen“ und zur Absicherung von „white supremacy“.

Nährboden für rassistische Gewalt

Zum einen wirkt sich Rassismus als gewaltvolle Erzählung aus, denen sich People of Colour täglich stellen müssen. „Wo kommst du her?“ Oder: „Du sprichst aber gut Deutsch“ erzählt afrodeutschen Menschen vor allem eines: „Du gehörst nicht hierher.“ Das aber ist der Boden, der verbale und physische Gewalt grassieren lässt und eine stete Alarmbereitschaft vor rassistischen Übergriffen in den Alltag von People of Colour zwängt.

Martin Luther Kings berühmte „I have a dream“-Rede von 1963 ist zu einem Lebenselixier Schwarzen Widerstandes gegen die Maafa als Katastrophe und seine diversen Krisenmanifestationen geworden. Inmitten der damaligen Krise beschwor King die Möglichkeit, dass aus einem „Berg der Verzweiflung“ ein „Stein der Hoffnung“ geschlagen werden kann, um Gerechtigkeit zu erlangen.

Sein „Dream“ ist noch nicht verwirklicht: Demo zum 50. Jahrestag von Martin Luther Kings Rede Foto: James Lawler Duggan/Reuters

Dieser Stein, der in der Glut der Verzweiflung geboren wird, ist aber kein Versprechen auf eine friedliche Revolution. Da wird Martin Luther King von Weißen systematisch missverstanden. Sein Stein der Hoffnung und der Traum, der seine Rede trägt, sind ein Aufruf dazu, sich diese Zukunft zu erstreiten.

Noch ist sie nicht eingetreten. Es gibt noch kein gleichberechtigtes Wahlrecht, kein gleichberechtigtes Einkommen, kein gleichberechtigtes Gesundheitssystem. Während es deutlich mehr Schwarze als Weiße sind, die in den USA an den Folgen von Covid-19 sterben, wird George Floyd dort von einem weißen Polizisten erstickt. Polizeigewalt gegen Schwarze ist weder neu noch selten.

Neu im 21. Jahrhundert aber ist, dass sich ein US-Präsident wieder einmal offen rassistisch positioniert – inmitten einer Krise, in der sich die Schwarze Bevölkerung der USA einmal mehr von ihrem Land verraten sieht. Und so wird aus Rassismus als Krisengestalter ein Rassismus in der Krise.

Wie schon MeToo, MeTwo oder Fridays for Future ist Black Lives Matter zu einer globalen Bewegung geworden. Dem katastrophalen Rassismus steht weltweit eine gewaltige Krise bevor. Möge er an ihr ersticken.

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45 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Es ist sicherlich nicht einfach, komplexe wissenschaftliche Diskurse auf Zeitungsformat herunterzubrechen. Und von einer Literturwissenschaftlerin ist wohl nicht zwingend zu erwarten, dass sie Begriffsgeschichte kann. Oder Ideengeschichte. Mir ist das als Historiker jedenfalls zu "passend auf jetzt" zusammengestuchelt, auch wenn die Intention gewiß gut ist. Man nehem es als Anstoß zum Weiterlesen. Für die nordamerikanische Geschichte und Gegenwart von "race" sehr zu emfehlen ist z.B. "Racecraft" von den Geschwistern Fields.

  • Der heftigste Rassismus außerhalb Europas lässt sich übrigens in Australien beobachten: beinahe 60.000 (sechzigtausend !) Jahre lebten lang die Aborigenes unbehelligt in Australien:

    www.planet-wissen....rigines/index.html

    Dann, im Jahr 1770, also vor gerade einmal 250 Jahren, wurde Australien von Kapitän James Cook für die britische Krone in Besitz genommen und seitdem wurden den Aborigenes von den Briten ihr Land "mal eben so" weggenommen und sie selber systematisch massakriert und die Überlebenden diskriminiert, ihre Kultur unterdrückt und und z.T. zerstört. In ihrem eigenen Land.

  • Leuchtfeuer des Antisemitismus

    Zitat: „Ich kenne mehr Menschen, die Kant und Hegel als Leuchtfeuer der Zukunft zelebrieren, als solche, die wissen, dass Kant das Konzept „Rasse“ nach Deutschland trug, um, wie Hegel, Sklaverei und die Tötung von Schwarzen zu rechtfertigen.“

    Noch weniger Menschen dürfte es geben, die Kant überdies als Antisemiten wahrnehmen. Dieses Leuchtfeuer der Zukunft war vor allem auch der spiritus rector des religionsphilosophisch begründeten Antisemitismus avant la lettre. Für ihn waren die Juden „Vampyre der Gesellschaft‘ und forderte deren Euthanasie. Er sah im Judentum lediglich ein absurdes und sinnloses Gesetzeswerk ohne moralischen Bezug und sei daher eigentlich keine Religion, ganz im Gegensatz zum Christianismus, dessen Regeln Kant zufolge um einen moralischen Kern kreisten. Der jüdische Gott hingegen fordere vom Menschen die bloße Respektierung von Geboten, nicht aber von moralischen Prinzipien. (vgl. Markus Voss-Göschel „Zum Stellenwert vom theoretischen Antisemitismus in Immanuel Kants Religionsphilosophie“, Univers. Jena, 2013)

  • "Dabei liegt der Unterschied zwischen "Rasse" und "Art" ("Spezies") darin, dass Rassen durch Züchtung entstehen, Arten aber in der Evolution. Wer von Menschenrassen spricht, spricht von Menschenzucht."



    Die Art ist dabei völlig rausgenommen, wenn, dann geht es um das Verhältnis von Rasse als Zuchtform und Unterart/Subspezies als natürlich Entwicklung. Über die Begriffe könnte man natürlich streiten, aber es ist ja klar, dass mit dem Konzept "Rasse" beim Menschen auf die Subspezies abgezielt wird. Und das wird eben wegen fehlender Abgrenzungsmöglichkeit abgelehnt.

    • @Marius:

      war @Hannibal Corpse 23:18...

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Marius:

        Für mich bleibt das immer noch das Problem, das dabei rassische biologische Theorien auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden.



        Dabei ist es eine willkürliche Definition, wie groß die Unterschiede zwischen den Lebewesen sein müssen, damit eine neue Art/ Unterart definiert werden kann.

        Je nach Definition gibt es im Zweifelsfall mal eine Art, mal zwei. Je nach Definition fallen gewisse Individuen in die eine oder die andere Population oder in beide.



        Genauso wie Geschlechter sind Arten keine "Naturerscheinungen". Das sind menschliche Konzepte, die keine Entsprechung in der Natur haben.

        Die Frage ist, ob wir derartige Biologismen auf den Menschen anwenden wollen oder nicht. Für mich sind ganz klar die konkreten Menschen der Maßstab des Handelns, nicht irgendwelche abstrakt-allgemeinen Kategorien.

        Es ist meiner Meinung nach auch kein Zufall, dass mit dem Wort "Race" ein Wort aus der Zucht verwendet wurde, um die "Züchtigung" von Menschen zu rechtfertigen und sie ins "Zuchthaus" zu stecken.



        Das Wort "Species" hat Darwin benutzt. Er interessierte sich nicht für menschliche Zwecke. Kant dagegen schon, wenn er schreibt manche Menschen "dienten nur zu Sklaven".

        "Habe den Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!"



        Genauso wie diese Maxime den Verstand zum Diener des Willens macht, unterstellt Kant, "Rote" und "Schwarze" könnten legitim einem Dienstverhältnis unterworfen werden. Für Kant dient alles irgendwozu.



        Obwohl in Schulen und Universitäten verkündet wird, Kant habe geschrieben, kein Mensch dürfe zum Zwecke eines anderen gemacht werden. Aber der "kategorische Imperativ" hört genau da auf, wo die Verteidigung der bürgerlichen Ordnung beginnt. Kategorisch dürfe man nicht töten, aber die Todesstrafe ist für Kant trotzdem angebracht, wenn es darum geht, die "Ordnung" zu erhalten.

        • 8G
          85198 (Profil gelöscht)
          @85198 (Profil gelöscht):

          Ich meine selbstverständlich nicht nur Arten, sondern auch Unterarten.

  • Zu kurz gesprungen. nach einer guten Überschrift "Machtsystem" hätte ich mir mehr Beiträge über Unterdrückung durch Machtsysteme gewünsche. Schon das Beispiel der dänischen Ausländerin geht ja in keiner Weise auf ihre Kaufkraft und ihr Vermögen ein. Selbst Menschen aus D werden ja hemmungslos ausgenützt, niedergemacht, arrogant behandelt, bevormundet, beschimpft, wenn sie keine Gutverdiener mit Marktmacht sind, wobei Gutverdiener dagegen gehätschelt werden. Hat also mit Rasse weniger zu tun, als mit Sozialstatus und Finanzkraft. Einem Bezieher von Sozialleistungen wird hemmungslos alles schlechte Verhalten zugetraut und zugeschrieben.

    Solange wir uns von solchen Vorurteilen leiten lassen nützen Namensändrungen gar nichts, denn es ist ja nicht die Hautfarbe, die über den Wert einer Person entscheidet, sondern das Vorurteil über den Wert eines Menschen.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Es ist längst (auch aus der Biologie heraus) erwiesen, dass es keine körperliche Grundlage gibt, Menschen nach „Rassen“ zu sortieren,..."

    In den letzten Jahren haben Genetiker:innen heraus gefunden, dass alle "Nicht-Afrikaner:innen" zwei bis vier Prozent Neanderthalergene haben. Wissenschaftler:innen des Max-Plank-Institut stellen sich regelmäßig ins TV, um das zu bestätigen.

    Um zu beweisen, dass es keine biologische Grundlage für die Idee von Rassen gibt, muss erst einmal eine Theorie von Rasse aufgestellt werden, die dann falsifiziert wird.



    Also bestätigt dieser Diskurs die Möglichkeit, biologische Theorien von Rasse aufzustellen. Was, das könnten Rassisten unterstellen, am Max-Plank-Institut getan wird.

    Das ist nach meinem Verständnis kein zufriedenstellender Ansatz.



    Dabei liegt der Unterschied zwischen "Rasse" und "Art" ("Spezies") darin, dass Rassen durch Züchtung entstehen, Arten aber in der Evolution. Wer von Menschenrassen spricht, spricht von Menschenzucht.

    Das ist auch schon der ganze Grund, warum es keine Menschenrassen gibt. Weil Menschen nie zu Rassen gezüchtet wurden. Wer das unterstellt oder versucht, ist Rassist.

  • Kannte die Rassen-Mentalitätsabgrenzung der Alten Griechen bisher nur in Bezug auf die Bevölkerungen weiter nördlich, Kelten usw. Mit denen waren sie ja auch unmittelbar konfrontiert. Rotes/blondes Haar und hellere Haut galten als Indiz für rohe Triebhaftigkeit, Barbaren eben, und waren oft ein Kennzeichen von Sklaven.



    Bei den Römern setzte sich diese Charakterisierung fort: Affektgetriebenheit bei den Nordlichtern (später v.a. die als „Germanen“ eingeordneten) vs. sanftmütigere und besonnenere Mittelmeeranrainer; wiederum unterscheidbar nach Haut- und Haarfarbe und in etwa die Umkehr moderner rassistischer Stereotypen.



    Dass schwarze Hautfarbe seinerzeit „als Farbe des Animalischen und Bösen“ gegolten hat, lese ich hier zum ersten mal. Würde mich eine Quelle interessieren.

  • Ein Interview mit dem senegalesischen Autor Tidiane N’Diaye über Sklavenhandel und Rassentheorien in der Jungleworld.

    jungle.world/print/pdf/node/952/debug

    • @fibe:

      Herzlichen Dank für diesen überaus informativen Link!



      Er bestätigt meine Meinung, dass die Tragödie des Sklavenhandels einer globalen Betrachtung bedarf. Bisher läuft das alles hier viel zu semiprovessionell, eurozentristisch und auf die USA fixiert ab.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Als würde sich am Rassismus bei Pippi Langstrumpf etwas ändern, wenn sie nicht mehr auszieht, um "Negerkönig" zu werden, sondern "Königin der Schwarzen", "Herrin der PoC" oder "Oberhaupt der Südsee". Sowas lässt sich nicht durch Übersetzung "retten".

    Es steht der Kulturindustrie frei, eine Neuverfilmung "frei nach Astrid Lindgren" zu machen. Aber Literatur im Nachhinein bewusst fälschen? Warum dann nicht gleich mit Kant und Hegel anfangen?

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Literatur im Nachhinein fälschen?

      Wie wäre es damit:

      "Ein Kätzchen und ein Maüschen, die hatten Wirthschaft zusammen, und hatten sich ein Töpfchen mit Fett gekauft für den Winter, und hatten es unter den Altar in der Kirche gestellt. Bald darauf sagt das Kätzchen zum Maüschen, erlaub’ mir doch auszugehn ich muß Gevatter stehn;



      und das Maüschen erlaubte es."

      Das ist die Urfassung des Märchens "Vom Kätzchen und Maüschen" der Gebrüder Grimm.

      Wenn Sie das vorlesen, entsteht Gesprächsbedarf.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Ihrem ersten Absatz pflichte ich bei. Im zweiten Absatz wirkt das, was Sie schreiben allerdings unsinnig, wenn Sie sich damit gegen Änderungen in Kinderliteratur aussprechen. Schließlich sind Vorlesen von Gute-Nachtgeschichten keine Proseminare in Rassismus in der Philospohie. Wer forderte eigentlich hier Ihrer Ansicht nach, Literatur zu fälschen?

      • @Uranus:

        Kinderliteratur wird in diesem Land einfach nicht als echte Literatur ernstgenommen, das ist das Problem! Pippi Langstrumpf wurde in den 1940er Jahren geschrieben, das Buch hat -genauso wie auch die Werke von Ottfried Preussler- ein Recht darauf nicht nachträglich irgendwie verändert zu werden! Jedenfalls nicht was den fließenden Text betrifft, meinetwegen halt ein paar Fußnoten zur Erklärung von heutzutage problematischen Begriffen, das ist okay...und warum sollten die vorlesenden Eltern das dann nicht bei einer Gute-Nacht-Geschichte erläutern? Irgendwann sollten sie ihren Kindern gegenüber dieses Thematik ja eh ansprechen...hat mein Vater auch vor nun bald vierzig Jahren während der Abendlektüre als es um das Z-Wort ging und um das Vorurteil diese würden stehlen...

        • @Saile:

          Klar sollte Kinder gegenüber Rassismus aufgeklärt werden. Aber doch nicht in einer Vorlesesituation zum Einschlafen! Da wollen Sie dem Kind sicher nicht Rassismus erklären. Okay, Sie oder Ihr Vater offenbar schon. Also ich finde das unpassend und abwegig. Und ja, wer von den Betroffenen will durch rassistische Sprache unterhalten bzw. unterhalten werden? Zumal wenn es den Vorlesenden bekannt ist?



          Glücklicherweise nehmen Verlage ja Kritik auch positiv an und sehen sich in der Verantwortung etwas zu ändern - wie Thienemann und Friedrich Oetinger Verlag (auch wenn die Umsetzung bezüglich Pippi Langstrumpf diskussionswürdig ist).



          Meinen Sie das ernst, ein Buch habe das Recht nicht nachträglich geändert zu werden?

          • @Uranus:

            Zur Erinnerung an die Debatte zur rassistischen Sprache " Artikelverlinkungen:



            ""Ich finde es total scheiße"



            Ein neunjähriges Mädchen schreibt einen Leserbrief an die Zeit. In Schönschrift. Es hat die Debatte um die sprachliche Bereinigung von Kinderbuch-Klassikern verfolgt und möchte nun selbst gehört werden ..."



            www.jetzt.de/textm...al-scheisse-564840



            "Journalist zu diskriminierender Sprache: „Das zeigt Überlegenheitsmuster“



            Mekonnen Mesghena hat die Debatte um das N-Wort entfacht. Er möchte, dass das Wort „Rasse“ aus dem Grundgesetz gestrichen wird ..."



            taz.de/Journalist-...-Sprache/!5067105/

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Uranus:

        Warum nicht einfach ein anderes Kinderbuch nehmen? Als gäbe es irgendwelche essentiellen Gute-Nacht-Geschichten, ohne die Kinder nicht zu autonomen Menschen werden könnten.



        Ich kenne das aus der DDR, dass nicht nur behauptet wurde, ein x wäre ein u, sondern auch, es wäre immer schon ein u gewesen.



        Was ist das für ein Drang in unsere Kultur, die Geschichte zu beschönigen?

    • @Alex59:

      Wieso schon wieder "wir"? Das wäre Paternalismus. Wenn dann "man" also international und zusammen mit den betroffenen Staaten.

      • @Rudolf Fissner:

        Die Frage bezog sich womöglich auf eine Einbeziehung in die postkoloniale Theoriebildung und nicht auf politisches Handeln.



        Subsaharische Sklaverei ist natürlich eine wesentliche Voraussetzung für den transatlantischen Sklavenhandel gewesen und damit in der historischen Aufarbeitung natürlich mitzudenken, was leider wenig getan wird. Gleichzeitig hat die subsaharische Sklaverei, wie mir zumindest bekannt ist, nicht dieselben rassistischen Nachwirkungen wie die koloniale Sklaverei durch die Europäer, zumindest weder im globalen Maßstab, noch in Bezug auf die nordamerikanischen oder europäischen Gesellschaften.

  • Das Christentum hat schon bei der Vernichtung der vorchristlichen Kulturen in Europa selbst ganze Arbeit geleistet. Wie praktisch, daß man fast direkt im Anschluß daran in der "neuen Welt" nach demselben Schema weitermachen konnte. Es wundert einen, daß die Vernichtung der First Nations nicht ebenfalls durch eines dieser päpstlichen Dekrete bemäntelt wurde. War vielleicht aus der Mode gekommen, aber das Strickmuster war dasselbe: Alle "Heiden" abmetzeln, hemmungslose Selbstbereicherung und Landnahme plus Sklaverei. Ja, das System war nicht neu.

    • @kditd:

      Die meisten Christen finden sich im globalen kolonialen Süden.



      Es wird daher sicher andersherum laufen: First-Nation-Hampelmänner / Religionshasser, denen die ein Dorn im Auge sind. Die konfessionslose AfD Soße u.a. stehen da bestimmt schon in den Startlöchern.

  • Die Vergleiche mit der Antike sind richtig und wichtig, aber unvollständig! Wir waren schon viel früher einmal mal viel weiter! Das sogenannte "christlich geprägte Mittelalter" war gar nicht so christlich geprägt und ein deutlicher Rückschritt gegenüber dem Urchristentum. Ein Blick ins Neue Testament offenbart, wie radikal der Apostel Paulus die sozialen Schichten und auch die Geschlechter gleich behandelt hat. Auch die biblische Geschichte vom Urdiakon Philippus und dem Äthiopier illustriert, wie völlig normal für die antiken Urchristen die Gleichwertigkeit aller Menschen war.

    Das leitet sich direkt aus den radikalen Botschaften Jesu ab, der sich über soziale, ethnische und Gender-Grenzen hinweg gerade um die schwächsten der Gesellschaft gekümmert hat: arme Fischer, Prostituierte, Aussätzige und die verachteten "Zöllner und Sünder", mit denen die religiöse Elite seiner Zeit nichts zu tun haben wollte.

    "Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus.", schreibt demzufolge auch Paulus im Galaterbrief, um den ersten christlichen Gemeinden in Europa zu verdeutlichen, dass Herkunft und Geschlecht nichts zählen.

    Die Renaissance, die Aufklärung und der Humanismus der Neuzeit waren also keineswegs die ersten, die konsequent die Gleichwertigkeit aller Menschen entdeckt und gefordert haben. Im Gegenteil - die ersten Denker der Aufklärung blieben weit hinter dem zurück, was Jesus Christus schon 1700 Jahre vor ihnen gefordert und praktisch vorgelebt hatte. Die Menschheit hatte es nur nicht ernst genommen bzw wieder vergessen und ignoriert.

    • @Winnetaz:

      Sehr (positiv) überrascht hat mich während meines Studiums ein Satz Melanchthons in der Apologie der Augsburger Konfession. In der Auseinandersetzung um die "Erbsünde" schreibt er, unabhängig davon, wie die heutige Theologie dieses Thema einschätzt:



      "Augustinus disputiert und ficht heftig wider diejenigen, die da hielten, dass die böse Neigung und Lust am Menschen nicht Sünde wäre, und weder gut noch böse, wie schwarzen oder weißen Leib haben auch weder gut noch bös ist." Das hätte ich auch einem Humanisten im 16. Jhdt. nicht zugetraut, zumal der letzte Nebensatz als Selbstverständlichkeit angeführt wird. Auch alle kritikwürdigen Äußerungen über "sie Juden" werden ausschließlich (aus heutiger Sicht unhaltbar) theologisch, nicht aber ontologisch (im jüdischen Wesen gründend) oder gar biologisch begründet.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Ich kenne mehr Menschen, die Kant und Hegel als Leuchtfeuer der Zukunft zelebrieren, als solche, die wissen, dass Kant das Konzept „Rasse“ nach Deutschland trug, um, wie Hegel, Sklaverei und die Tötung von Schwarzen zu rechtfertigen."

    Das zu behaupten und dabei diesen Artikel zu verlinken ( taz.de/Immanuel-Ka...assismus/!5692764/ ) ist ein Selbstwiderspruch.

  • Ungeachtet der Kant'schen Rassentheorie vertrat Kant eine für die damalige Zeit fortschrittliche



    Auffassung, dass ALLE Menschen zur gleichen Gattung Mensch gehören, dass es also eine Einheit des Menschengeschlechts gäbe.

    Wenn man historische Persönlichkeiten zitiert und dies nicht in den historischen Kontext stellt, können wir wahrscheinlich mit den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen kaum eine historische Persönlichkeit angemessen würdigen. Dann würden wir zu Bilder- und Denkmalstürmern, Bücherverbrennern und könnten uns gleich von unserer historischen Verantwortung verabschieden. Genau das befürchte ich, wenn so eine Art Betroffenheitsideologie auf historische Hintergründe verzichtet.

    • @Rolf B.:

      Das wird passieren. Alle historischen Persönlichkeiten werden nach den Maßstäben von heute gemessen und demzufolge alle verworfen werden -- alle, die keine antirassistischen feministischen vegan lebenden Demokrat*innen waren. Und morgen werden wir selbst von den nächsten Generationen verworfen, die wieder andere (härtere?) Maßstäbe haben. Niemand darf mehr ein Kind seiner Zeit sein, das ist verboten.

  • Geradezu hanebüchen, wie hier ohne Quellenangabe verkündet wird, dass Kant von der "Notwendigkeit andere als die 'weiße Rasse' auszurotten" gesprochen (?) habe. Da braucht es schon eine (un)gehörige Portion Ignoranz oder bösen Willen, derartiges herauszupicken aus Schriften, über die Kant anmerkt: "Doch das ist nur meine beiläufige Meinung, die ich dem beliebigen Urtheile des Lesers Preis gebe."

    • @Lt. Slothrop:

      Rassismus, so er festzumachen ist, als beiläufige Meinung wäre tatsächlich beiläufig?

      • @Uranus:

        @Uranus



        "beiläufig" oder vorläufig bezieht sich auf Kants erste Einschätzungen oder eben auch "Meinungen" zu Texten anderer, meist Naturwissenschaftler. Die hat er "preisgegeben" ... und später grundlegend geändert.

  • Ist es ein Seitenhieb gegen die Autorin, oder warum wird im Text auf einen Artikel von Micha Brumlik verwiesen, der in Bezug auf Kant eine gegenteilige Position vertritt?

  • Gerne gelesen. Der Artikel führt eine schlüssige, historische Analyse...



    btw-Maafa ist nicht weit von Mafia

  • Danke für diesen gewaltigen Text.

    Den (durch was auch immer für Merkmalen) Privilegierten (und da zähle ich mich dazu) die Warnung: die Reaktion "bei mir doch nicht!" sollte immer die Alarmglocken schrillen lassen.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Sklaverei als ausgeklügeltes, ausbeuterisches System, bei dem Quälerei, Folter und Vergewaltigung auf der Tagesordnung stehen, welches über den Atlantik in die Karibik und nach Brasilien exportiert wurde und erst sehr viel später auf nordamerikanischen Baumwollfeldern übernommen wurde, als probates Mittel, um Herrschaftsverhältnisse zu festigen.

    Wie sehr der Jahrhunderte lange Sklavenhandel die Verhältnisse in Afrika und die Beziehung zwischen Europäern und Afrikanern bestimmt hat, zeigt die vierteilige Dokumenation „Menschenhandel - Eine kurze Geschichte der Sklaverei“ am 7. Juli auf Arte und bis September 2020 in der Arte-Mediathek.

    www.swr.de/swr2/le...usdebatte-100.html

    Der Sklavenhandel Nordamerikas ist ein müder Abklatsch gegen das, was europäische Staaten an Zerstörung , Mord und Verttreibung/Sklaverei ab dem Jahr 16. Jahrhundert kurz nach der Entdeckung Amerikas in Afrika angerichtet haben.

    Rassismus als verbrecherische Ideologie um Besitz- und Herrschaftsverhältnisse zu zementieren und um Reichtum zu generieren wird in Europa völlig unterschätzt - der Sklavenhandel Nordamerikas war lediglich ein kleines Spiegelbild desssen, wie europäische Staaten Sklaverei als Grundlage nutzten zur Entwicklung und Einführung des kapitalistischen Wirtschaftssystems.

  • >>und Übersetzungen davon leben, sich neuen Zeiten anzupassen: