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Gas aus RusslandWort halten aus Kalkül

Kommentar von Inna Hartwich

Vorläufig fließt wieder Gas aus Russland. Dennoch soll sich niemand auf Putin verlassen. Er kalkuliert und manipuliert nach eigener Manier.

Lubmin: Gas fließt wieder über Nordstream 1 nach Deutschland Foto: Markus Schreiber/ap

E in Aufatmen: Das Gas fließt. Die Auslastung der Röhre Nord Stream 1 liegt bei 40 Prozent und damit so hoch wie vor der zehntägigen Wartung, die so viele Fragen aufgeworfen hatte. Der Kreml hat zwar Wort gehalten. Ruhe aber kehrt nicht ein. „Wir halten uns an unsere Verpflichtungen“, heißt es aus dem Mund des russischen Präsidenten Wladimir Putin immer wieder. „Wir sind zuverlässig“, so das russische Mantra. Die Realität ist eine andere.

Das Vertrauen hat Russland längst verspielt, auch wenn es die Schuld für dieses verlorene Vertrauen freilich nicht bei sich sieht, sondern im Westen sucht. Der Westen ist in den Augen des Kreml ohnehin für alles verantwortlich, was nicht den Vorstellungen des Kreml entspricht. Seit Jahren setzt Moskau seine Rohstoffe erfolgreich als Instrument der Erpressung ein.

Vor allem in Deutschland hatten viele jedoch jahrelang die Augen davor verschlossen und trotz allem auf billige russische Energie als stabile Säule der Versorgung gesetzt. Die russische Führung hingegen weiß sehr genau, wie zuverlässig die europäischen Ängste funktionieren. Ängste vorm Frieren im Winter, Ängste aber auch, dass die Menschen sich gegen ihre Regierungen wenden könnten und gewisse Po­li­ti­ke­r*in­nen damit raus aus der Politik wären.

Fast schon höhnisch sprechen russische Po­li­ti­ke­r*in­nen darüber, dass die Po­li­ti­ke­r*in­nen in Europa Wahlen gewinnen müssten und deshalb nach der Pfeife ihres Volkes tanzten. Moskau spielt mit diesen Ängsten, und zwar immer unverfrorener. Heute liefert es Gas, es will als zuverlässiger Partner gelten. Es will aber auch sein Gas verkaufen, nicht seine Bohrlöcher unwiderruflich schließen müssen. Die russische Wirtschaft ist ohnehin gebeutelt. Doch liefert es auch morgen noch Gas?

Russland weiß die Sorgen Europas für sich zu nutzen. Mit Verweisen auf technische Schwierigkeiten – sei es durch die gewartete Turbine aus Kanada, sei es aus anderen Gründen – kann Moskau die Gasmengen wieder drosseln, später hochfahren, auch einstellen. Der Schuldige wäre der Westen. Oder eben die Technik. Die Unberechenbarkeit hat Methode.

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42 Kommentare

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  • ' ...Die Unberechenbarkeit hat Methode. ...'



    Eben. Und wenn man den Algorithmus der Methode versteht, wird sie berechenbar. Putin hat eine gewisse Verunsicherungshoheit, ist die erst mal akzeptiert, verliert sie stark an Potenz.



    Er hat die Gaslieferungen nicht aufgenommen, weil er vertragstreu ist, sondern weil er sie sonst nicht mehr einstellen und die Angstmanipulation nicht mehr verwenden könnte. Zudem braucht er die Einnahmen.



    Er spielt bad cop/good cop und wendet alle Möglichkeiten der politischen 'Folter' an. So what.



    Eins kann er m.E. jedoch nicht: die Gas-/Energielieferungen an Deutschland ganz einstellen. Weil es dann keinen Zurückhaltungsgrund mehr für die Lieferung von (schweren und mehr) Waffen gäbe, die es ihm maßgeblich erschweren, höchstwahrscheinlich verunmöglichen würde, auch nur seine militärischen Minimalziele zu erreichen. Das halte ich für einen real existierenden unausgesprochenen Deal, den beide Seiten berücksichtigen werden, solange es geht. Deshalb muss man cool bleiben, bei dieser labilen Balance. No risk no fun.



    Russland kann es sich nicht erlauben, dass der Westen nichts mehr zu verlieren hat.



    Freedom is just another word for nothing left to lose.



    Ich fände es besser, wenn auch medial mal etwas mehr die pragmatische Resilienz genährt würde, statt dieser täglichen nervösen Aufatmen/was wird er nur tun?/weh und ach/ogottogott der Winter/soziale Unruhen-Parolen. Damit spielen wir sein Spiel.

  • Sorry - Es gibt viele gute Gründe Putin zu kritisieren, aber was da nun abläuft ist einfach hirnrissig!: Liefert Russland nicht, dann ist das böse. Liefert Russland doch wieder, dann ist das noch böser, weil's ins selbstgezimmerte Feindbild nicht paßt und das ist schwer auszuhalten. Die Psychologie nennt das eine "Kognitive Dissonanz":



    "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern! Es ist vollkommen unnötig, konsequent einem roten Faden folgen zu wollen, der die eigenen Gedankengänge logisch und nachvollziehbar erscheinen lässt. Denn die menschliche Psyche kann einen offensichtlichen Widerspruch, die sogenannte kognitive Dissonanz, eliminieren. Das machen wir immer dann gerne, wenn etwas unserem Weltbild völlig zuwider läuft."

    de.wiktionary.org/...ognitive_Dissonanz

    Na dann eliminieren wir mal schön unsere eigenen Widersprüche. Sonst ist einem ja wieder der ganze Tag versaut.

  • Gestern veröffentlichter Bericht zu den Massenvergewaltigungen in und bei Cherson durch die russischen Soldaten:



    taz.de/Notizen-aus-dem-Krieg/!5866850/



    Wer schweigt stimmt zu!



    Besser als Sanktionen ist es den Krieg zu gewinnen gegen den Kreml.

    • @nzuli sana:

      Wo steht in diesem Bericht etwas von Massenvergewaltigungen?

      • @Frank Fischer:

        Gleich im 2. Absatz:



        "Es sind jetzt viele Russen in der Region, und sie fühlen sich wie die Hausherren. In den Dörfern geschehen schreckliche Dinge. Nach Osokorivka, (es ist derzeit befreit, wenn ich mich nicht irre), kamen zusammen mit dem Militär auch Ärzte, und sie diagnostizierten Massenvergewaltigungen. Wie eines der Opfer sagte, spielten Alter und Aussehen für die Eindringlinge keine Rolle, sie vergewaltigten auch sehr alte Frauen."

  • fließendes Gas ist doch auch was

  • Warum wird kein Biogas mehr gewollt?

    • @Thomas Zwarkat:

      Strom aus Biomasse macht doch nur ca. 9 % der gesamten Stromerzeugung aus, ca. 20 % des Ökostroms. Können wir doch locker drauf verzichten.



      www.bioenergie.de/themen/strom

  • "Fast schon höhnisch sprechen russische Po­li­ti­ke­r*in­nen darüber, dass die Po­li­ti­ke­r*in­nen in Europa Wahlen gewinnen müssten und deshalb nach der Pfeife ihres Volkes tanzten."



    Ja, das ist die Logik von Putin: Dass seine Unaustauschbarkeit, "Unersetzlichkeit" und die Möglichkeit, jeden Widerspruch wegzubügeln, ihm Stärke und einen strategischen Vorteil gegenüber den "schwachen" Demokratien verschafft. Er kann einfach nicht begreifen, dass die Austauschbarkeit von Politikern, ganz im Gegenteil, eine Funktion der Stärke einer Demokratie als System ist. Es ist z.B. völlig egal, wer jetzt Boris Johnson ablöst oder wer die Wahlen in Italien gewinnt, für Putin wird sich, anders als er hofft, nichts ändern. Er meint seit über 20 Jahren, er müsse nur die individuellen Politiker im Westen aussitzen, die ihn "stören". Irgendwann müsste ihm doch mal auffallen, dass da immer wieder neue auftauchen, die genau nervig sind, wie die, die abgewählt wurden oder in Ruhestand gegangen sind.



    Die These vom dekadenten Westen, der demnächst untergeht, ist übrigens nicht sehr originell, die verdankt Putin seiner sowjetischen Sozialisation.

  • "Der Westen ist in den Augen des Kreml ohnehin für alles verantwortlich, was nicht den Vorstellungen des Kreml entspricht."



    Während "der Kreml"in den Augen des Westens für alles verantwortlich ist,was nicht den Vorstellungen des Westens entspricht.



    Putin ist doch seit Jahrzehnten der "Fürst der Finsternis". Nur Trump hat ihm während seiner Amtszeit diesen Rang teilweise abgenommen.



    Putin ist wahrlich kein "lupenreiner Demokrat", nur wüßte ich nicht wo man solche Exemplare überhaupt finden kann.Zumindest nicht in Regierungen. Auch der Westen hat seine hartgesottenen Machtpolitiker ,denen der Zweck die Mittel heiligt.Und natürlich die entsprechende PR-Maschine um den Bürger das auch richtig zu vermitteln. Während die Propaganda autoritärer Staaten meist etwas gröber gestrickt ist - man denke nur an den Schwarzen Kanal - sind westliche Medien da viel subtiler und darum noch erfolgreicher.

  • Immer unverfrorener die Berichterstattung. Trifft das Behauptete nicht ein, wird einfach noch eins draufgesetzt. Bitte den hysterischen Ton mal etwas zurücknehmen und stattdessen berichten, wo denn jetzt (und warum) die vermaledeite Turbine steckt.

  • „Wir halten uns an unsere Verpflichtungen“, heißt es aus dem Mund des russischen Präsidenten Wladimir Putin immer wieder. „Wir sind zuverlässig“

    40 von 100 zugesagten Prozent - ja nee, schon klar! Putin spielt weiter seine Spielchen.

    Auch halte ich es für schlicht nicht vorstellbar, dass keine 2. Turbine als Backup existiert. Aber das ist eine andere Geschichte in dem Zusammenhang...

    • @Grenzgänger:

      Genau, Schluß mit den Spielchen, einfach Gashahn zu bei uns, dann haben wir es Putin mal gezeigt.



      Rein technisch betrachtet würde ich auch auf der Lieferung der Pumpe bestehen, wenn ich ein Backupsystem in der Hinterhand habe, denn wenn ich das einsetze (wie allgemein bekannt ohne Aussicht auf Ersatz), und die andere Pumpe fällt aus, kann ich meinen Lieferverpflichtungen auch nicht nachkommen.

  • Für Russland ist die Unsicherheit ausgezeichnet. Was mögen Märkte nicht? Unsicherheiten, denn diese treiben den Preis nach oben. Risikozuschläge etc. Allerdings ist Deutschland auch kein gute:r Kund:in mehr, schließlich will Deutschland raus aus dem Gas, insbesondere web von Russland.

  • Reale Politik ist nicht jedermanns Sache. Auch nicht der Grünen.



    Wer hat Nordstream2 bezahlt?



    Wer darf sie nutzen?



    Wer will sie nicht nutzen?



    Hauen wir doch die Milliarden Nächstens gleich ins Meer, in bar.



    Mit dem Amtseid eines Ministers,"Schaden vom deutschen Volk abzuwenden" hat das nichts mehr zu tun.



    Das ist ein Dreijähriger an der Supermarktkasse, der R. Habeck.



    Die Turbine haben sie schon sich selber weg sanktioniert. Jetzt spielt Putin das Spiel zurück.



    Und wir?



    Wir sind das Spielzeug.

  • Das ist aber auch wirklich der Gipfel der Bösartigkeit.

    Da liefern die einfach nach Ende der Wartungsarbeiten wieder Gas.

    Das sollten wir uns nicht gefallen lassen.

    Da müssen wir den Druck wohl noch erhöhen. Vielleicht indem wir die fehlende Gasturbine gar nicht liefern. Dann bliebe wenigstens die gelieferte Gas-Menge reduziert und wir hätten endlich den Beweis dafür, dass der böse Gasmann die Energielieferung als Waffe gegen uns verwendet.

    • @Bürger L.:

      Das denke ich mir auch. Liefert der böse Russe kein Gas ist es böse, liefert er Gas ist es noch viel böser. LoL. Westliche Heuchelei...

      Dabei hat der Westen schon genug in den Krieg direkt/indirekt eingegriffen dass es völlig nachvollziehbar wäre wenn der Russe nicht mehr liefert.

      • @Daniel Drogan:

        Das wundert mich allerdings auch.

    • @Bürger L.:

      Tun Sie doch nicht so, als verstünden Sie nicht.

      • @Suryo:

        Was sollte ich verstehen?

        • @Bürger L.:

          Die Realität. Und die ist das, was der Kreml



          „russophob“ nennt.

  • Hätte Putin nach der abgeschlossenen Wartung den Gashahn gar nicht erst aufgedreht, hätte uns das zunächst viel Aufregung gebracht. Die wäre aber nach einiger Zeit abgeebbt, weil es heutzutage noch andere / schlimmere Probleme gibt. Vor allem: Putin hätte fortan dieses wichtige Druckmittel gegen uns nicht mehr in der Hand gehabt.



    Aber Putin ist ja nicht dumm. Nachdem er gelobt hatte, R. würde seine vertraglichen Pflichten erfüllen, strömt nun das Gas, aber nur 40% der ursprünglichen Menge. Das erzeugt hierzulande die von Ihnen genannte „maximale Verwirrung“. Indem Putin die Gas-Menge alle paar Wochen um weitere Prozente verringern lässt, kann er uns das Thema über längere Zeit erhalten.



    Für eine mögliche Komplett-Abschaltung hält Putin bereits die im Beitrag erwähnte „technische Ursache“ bereit: In einer Pressekonferenz äußerte er, Kanada könnte eine geheime Abschalteinrichtung in die gewartete Turbine eingebaut haben. Diese Störung müsste erstmal gefunden und behoben werden, und das könnte dauern! Das war wohl ironisch gemeint, aber bei ihm muss man neuerdings auf alles gefasst sein . . .

  • die Methode heißt: maximale Verwirrung.



    Einfach abdrehen würde die Bevölkerung in Europa möglichweise einen, zumindest in Hinblick wer der Schuldige ist, ein Hin und Her erzeugt maximale Spaltung und verhindert ein geschlossenes Gegensteuern. Das ist einmal kühl betrachtet eine erfolgreiche Strategie.

  • Immer unverfrorener die Berichterstattung. Trifft das Behauptete nicht ein, wird einfach noch eins draufgesetzt. Bitte den hysterischen Ton mal etwas zurücknehmen und stattdessen berichten, wo denn jetzt (und warum) die vermaledeite Turbine steckt.

  • "Russland weiß die Sorgen Europas für sich zu nutzen."



    Die wir ihnen multimedial und rund um die Uhr liefern.



    Oh je, die Russen liefern kein Gas! Oh je, die Russen liefern wieder Gas!



    Lächerlicher und desaströser geht es kaum noch. Kein Wunder, dass Putin vor Lachen kaum noch in den Schlaf kommt. Er muss uns gar nicht erpressen. das können wir selbst viel besser.



    Wenn ich meinen Rasen nicht mehr mit Wasser aus der Leitung sprengen will, klemme ich die Leitung nicht ab, bevor meine Grundwasserpumpe installiert ist und läuft. Tue ich das nicht, kann man mir jederzeit das Wasser abstellen oder das Sprengen verbieten. So einfach ist das.

    • @Trabantus:

      "Wenn ich meinen Rasen nicht mehr mit Wasser aus der Leitung sprengen will, klemme ich die Leitung nicht ab, bevor meine Grundwasserpumpe installiert ist und läuft." (Trabantus)



      Ja, schon! Allerdings wäre das ja auch eine kühle, emotionsfreie und logische Handlungsweise, ein vorausschauend planvolles und folgerichtiges Handeln.



      Die Crux an der Sache: Damit ist ein verängstigtes und zunehmend planloser agierendes Publikum leider komplett überfordert.

  • Heimliche Dankbarkeit macht schlechtes Gewissen.

  • Warum sollte Russland jetzt das Gas abdrehen? Der Krieg dauert noch lange und ein "überraschender" Lieferstopp im Winter bewirkt doch viel mehr.

    Die Gaskrise ist eine heilsame Erfahrung. Es zeigt sich, dass Deutschland überhaupt nicht einfach so auf Kohle (und Gas) verzichten kann. Der Kohleausstieg 2030 ist Makulatur. Es bedarf anderer Strategien. Vielleicht doch neue Kernkraftwerke bis 2030? Auch die vollständige Elektrifizierung des Verkehrs gehört auf den Prüfstand. Sonst müssen wir vielleicht ab 2030 mit Verbrennerautos aus China fahren.

    Für das Klima wäre das alles egal. Der deutsche Ausstieg oder Nichtausstieg hat leider keine Bedeutung, unsere 1-2% machen die Sache nicht besser oder schlechter. Und das tolle Vorbild für andere Länder sind wir wahrlich nicht (mehr).

    • @Taztui:

      Eher fürchte ich, wird er nicht NS1 abstellen, sondern die Jamal-Pipeline über die Ukraine (hoffe, ich habe das richtig). Denn dann muss die Ukraine im Westen des Landes viele Binnenflüchtende und die Residenten dort unterbringen und mit Wärme versorgen. Was ohne Gas extrem schwierig wäre...