Forderung nach Corona-Bonds: Solidarität dringend gesucht

Corona könnte sogar Europa töten. Die EU überlebt nicht, wenn noch nicht mal im Notfall solidarisch gehandelt wird.

Zwei Polizisten vor dem Colosseum in Rom.

Symbol eines untergegangenen Reiches: Kolosseum in Rom. Was droht der EU? Foto: Alessandra Tarantino/ap

Zwei Zahlen machen das Drama deutlich, das sich gegenwärtig in der Eurozone abspielt: Der deutsche Staat plant 750 Milliarden Euro ein, um die hiesige Wirtschaft durch die Coronakrise zu schleusen. Italien hingegen will seinen Staatshaushalt nur um 25 Milliarden Euro aufstocken – obwohl die Italiener weitaus härter getroffen wurden.

Doch die Italiener haben Mühe, Geld zu beschaffen, weil sie deutlich höhere Zinsen zahlen müssen. Die Rettung wären „Corona-Bonds“, also Kredite, die die Eurozone gemeinsam aufnimmt. Diese Anleihen wären bombensicher, weil alle Eurostaaten haften würden, und daher so begehrt, dass die Zinsen ins Minus rutschen würden. Die Eurozone bekäme sogar Geld geschenkt.

Selbst neoliberale Ökonomen werben inzwischen für Eurobonds – und gehen Allianzen mit Keynesianern ein. Trotzdem blockt die Politik. Ob Kanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Olaf Scholz oder EU-Kom­mis­sions­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen: Stets wird erklärt, dass Corona-Bonds ausgeschlossen seien. Stattdessen liebäugelt die Große Koalition mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), um einzelne Länder zu unterstützen. Der ESM wurde 2012 in der Eurokrise gegründet, und dort wären momentan 410 Milliarden Euro abrufbar.

Dieser ESM-Plan ist extrem gefährlich. Denn die Eurozone würde in angeblich „gute“ und „böse“ Länder zerfallen, wenn man einzelne Staaten zwingt, um ESM-Mittel nachzusuchen. Deutschland wäre der „Superstar“, während Italien oder Griechenland wie der offizielle Abschaum wirken würden.

Dieses Signal würden sich die Finanzmärkte für immer merken – und prinzipiell höhere Zinsen für die schwachen Eurostaaten verlangen. Die Eurokrise würde sich ins Unendliche verlängern. Größter Verlierer wäre übrigens Deutschland, denn bisher ist die Eurozone unser bester Kunde.

Im Augenblick sieht es so aus, als würde das Coronavirus nicht nur Menschen töten – sondern auch Europa. Die EU kann nicht überleben, wenn es noch nicht einmal im Notfall möglich ist, solidarisch zu handeln.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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