Flüchtlingshelfer rief „Sieg Heil“: Auch linker Hitlergruß ist verboten
Ein Münchner Student wollte mit einer Nazi-Parole gegen Pegida demonstrieren. Jetzt wird er für diese „saudumme Idee“ zu einer Geldbuße verurteilt.
„Das ist mein Beruf und meine Berufung“, sagt er über das Lehrerdasein. Doch jetzt sieht er diesen beruflichen Traum in Gefahr, denn sein Führungszeugnis könnte ihn bald als Nazi ausweisen: Im Sommer zeigte D. auf einer Demo den Hitlergruß.
Am 13. Juni vergangenen Jahres sah D. auf dem Münchner Marienplatz ein Häuflein Pegida-Anhänger demonstrieren und vor der „Umvolkung“ warnen. Er ging zu der Pegida-Gruppe, Ecke Marienplatz-Kaufingerstraße, hob den linken Arm in die Luft und rief laut „Sieg Heil“. Polizisten sahen und hörten B. und nahmen ihn für kurze Zeit mit auf die Gefangenensammelstelle.
Jetzt musste er sich vor dem Münchner Amtsgericht verantworten, ihm wird laut Paragraph 86 Strafgesetzbuch das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ vorgeworfen.
Hitlergruß sollte Pegida „Spiegel“ vorhalten
Im kleinen Sitzungssaal 123 des Münchner Justizzentrums erklärt D., der Hitlergruß habe ein Zeichen des Protests sein sollen. Er habe Pegida einen „Spiegel“ vorhalten und ihnen zeigen wollen, dass er sie für Nazis hält. „Das ist schrecklich, was hier abgeht, dieser ganze Hass“, sagt er. Er trägt Vollbart, das dicke, lange Haar hat er zum Zopf gebunden. Sechs Freunde von ihm sitzen in den Zuschauerreihen sowie drei Journalisten.
Dass der Student ein ausgeprägter Linker ist, darüber sind sich im Gerichtssaal alle einig. Er selbst bereut seine Aktion, bezeichnet sie als „saublöd“. Die Staatsanwältin aber meint, dass es keine „Gesinnungsjustiz“ geben könne. Ein öffentlicher Hitlergruß sei ein öffentlicher Hitlergruß, auch wenn D. die linke Hand gehoben und eine gänzlich andere Motivation hatte.
D.s Verteidiger Philip Müller konnte dem nichts Prinzipielles entgegensetzen. Er sieht bei seinem Mandanten allerdings eine „geringe Schuld“, weshalb er an das Gericht appellierte, von einer Bestrafung abzusehen: „Er hat sich entschuldigt, sieht es ein und tut es nicht wieder.“ Auch sei D. gerne bereit, an Organisationen Geld zu spenden, die sich etwa gegen Rechtsextremismus einsetzen.
Jetzt droht ein Eintrag ins Führungszeugnis
Bei Amtsrichter Vincent Mayr kam er damit nicht an. „Das geht nicht“, sagt Mayr über D.s Verhalten.“Darüber muss man nicht diskutieren, der Hitlergruß kommt nicht in die Tüte.“ Eine „saudumme Idee“ sei das gewesen. Und da sich der Vorfall in der belebten Fußgängerzone ereignet hatte, sah der Richter auch keine geringe Schuld: „Was für eine Wirkung hat das auf Dritte, auf wirkliche Nazis?“
Die festgesetzten 1.500 Euro Bußgeld sind für D. noch eher zu verkraften als der drohende Eintrag ins Führungszeugnis. „Dann werde ich da sozusagen als Nazi geführt“, sagte der Student entsetzt. Er fürchtet, deshalb künftig keine Stelle als Referendar oder als Förderlehrer zu erhalten. Das wäre das Ende seines Berufstraumes. Daher prüft er mit seinem Anwalt nun, ob sie in Berufung gehen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?