Filmemacher über Homöopathie: „Eine Pseudowissenschaft“
In seiner Doku „Homöopathie unwiderlegt?“ stellt Filmemacher Erik Lemke nur Fragen. Das Ergebnis ist für die Homöopathie-Anhänger*innen verheerend.
taz: Herr Lemke, Sie haben einen Film über Homöopathie gemacht, in dem nur Menschen zu Wort kommen, die daran glauben, es praktizieren. Was mich überrascht hat: Im Ergebnis wirkt der Film verheerender für diese Befürworter*innen, als wenn Sie schön ausgewogen auch Kritiker*innen befragt hätten. Wie ist Ihnen dieses Kunststück gelungen?
Erik Lemke: Homöopathie ist ein klassisches Beispiel für eine Pseudowissenschaft. Kratzt man nur an der Oberfläche, wirkt alles irgendwie logisch. Es mangelt nicht an beeindruckenden theoretischen Überlegungen, die sehr wissenschaftlich daherkommen.
Zum Beispiel?
Da ist von Lebenskraft die Rede, von Konstitutionstypen, Miasmen, Energie, Information und Quantendenken. Doch je umfangreicher solche Begriffe werden, desto inhaltsleerer werden sie auch. Hier setzt mein Film an und geht in die Tiefe. Es ist natürlich legitim, Homöopathiekritiker erklären zu lassen, dass das alles keinen Sinn ergibt. Aber besser ist es, die Homöopathen erledigen diesen Job selbst.
Nun sind Ihre Protagonist*innen allesamt Akademiker*innen, einige haben wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. Wie kommt es, dass sie Behauptungen aufstellen, die gar nicht haltbar sind?
39, hat in St. Petersburg und Toulouse Filmregie studiert. Sein erster dokumentarischer Langfilm war „Berlin Excelsior“ (2017).
Das tun nicht alle. Den Medizinhistoriker Martin Dinges habe ich im März 2019 drei Tage vor seiner Pensionierung im Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung interviewt. Diese Institution mit Schwerpunkt Homöopathiegeschichte ist tief verwoben mit Homöopathie-Institutionen und der ganzen Szene. Fragen nach Sinn und Unsinn einzelner Therapievarianten umschifft Dinges elegant mit Antworten wie: „Das müssen die Praktiker entscheiden.“ Die problematischsten Aussagen in meinem Film stammen von homöopathischen Ärzten.
Sie selbst stellen ja nur Fragen und verzichten auf jeden expliziten Kommentar. Ist das nicht die klassische Methode des Sokrates?
Ja, das stimmt. Zwar habe ich mich mit einer gesunden kritischen Grundhaltung meinem Thema genähert. Dennoch stehen am Beginn einer Auseinandersetzung immer Fragen und der Wunsch, das Gegenüber zu verstehen. Kommentare oder Kritik von mir hätten meine Protagonisten in die Defensive gedrängt – und unsere Gespräche in ein sich gegenseitiges Bewerfen mit Argumenten verwandelt.
„Homöopathie unwiderlegt?“: Mi, 9. 2., 19 Uhr, Hamburg, Lichtmeß
Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, diesen Film zu machen?
Die Existenz einer Parallelwelt innerhalb unseres Gesundheitswesens, in der promovierte Ärzte von sich behaupten, überwissenschaftliche Erkenntnis zu besitzen, macht mir Sorgen. Auch wenn die meisten Homöopathen keinen großen Schaden anrichten, decken sie mit ihrer wissenschaftsfeindlichen Einstellung jene, die das tun. Ich habe die Diskussionen über die Homöopathie immer mit Interesse verfolgt, hatte jedoch nie vor, eine weitere Doku darüber zu machen. Es gibt bereits genug.
Aber?
Erst die Beschäftigung mit der sokratischen Methode hat die Neugier bei mir geweckt, was wohl dabei herauskäme, wenn man sie auf die Homöopathie anwendet.
Einige Ihrer Protagonist*innen sprechen davon, dass es Scharlatanerie in ihren eigenen Reihen gibt. Sie widersprechen einander teils so grundlegend, dass dies geradezu komisch wirkt. Hatten Sie das so erwartet?
Ich hatte es geahnt. Hat ein Homöopath einen Kollegen als Scharlatan identifiziert, ergründet man mit ihm gemeinsam, worauf dieser Kollege seinen Glauben stützt. In der Regel berufen sich alle auf ihre „ärztliche Erfahrung“.
Wie das?
Was sie an ihren Patienten beobachten, entspricht dann immer genau den Dogmen, die ihnen ihre spezielle Variante der Homöopathie diktiert, die sie vertreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“