Karlsruhe rettet Tierhomöopathie: Wuffi und Miez dürfen Globuli

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Hunde und Pferde können von ihren Tier­heil­prak­ti­ke­r:in­nen ab sofort wieder homöopathisch behandelt werden.

Ein schwarz-weiß geflecktes Kaninchen sitzt auf einem grünen Rasen.

Glück gehabt: Der Hoppelhase darf jetzt auch mit Kügelchen behandelt werden Foto: imago

KARLSRUHE taz | Tier­heil­prak­ti­ke­r:in­nen dürfen wieder Hunde, Katzen, Hamster und Pferde mit homöopathischen Medikamenten behandeln. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsricht und erklärte den seit Jahresbeginn geltenden „Tierarztvorbehalt“ für verfassungswidrig.

Die Homöopathie ist eine Alternativmedizin, bei der Patienten giftige Substanzen in hochverdünnter Form (mindestens im Verhältnis 1:10.000) gegeben werden. Dies soll die Selbstheilungskräfte anregen. Meist werden homöopathische Medikamente in Form von kleinen Zuckerkügelchen, so genannten Globuli, verabreicht. Ob und wie Homöopathie wirkt, ist umstritten. Möglicherweise beruhen positive Effekte nur auf dem Placebo-Effekt und ausführlichen Arztgesprächen.

Nach Auffassung von Ho­möo­path:­in­nen können auch kranke Tiere auf diese Weise behandelt werden, etwa bei Schnupfen, Durchfall oder Zahnfleischentzündung. Den Tieren werden dabei in der Regel die für Menschen gedachten Globuli gegeben. Bundesweit gibt es einige Dutzend hierauf spezialisierte Tierheilpraktiker:innen, die sich in zwei Verbänden organisiert haben. Der Beruf wird fast nur von Frauen ausgeübt.

Seit Januar ist die Anwendung von Humanmedikamenten bei Tieren allerdings nur noch mit tierärztlichem Rezept möglich. Dieser Tierarzt-Vorbehalt gilt auch für homöopathische Arzneimittel. Geregelt ist dies im neuen Tierarzneimittelgesetz. Politisch verantwortlich waren dafür der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn und seine Agrar-Kollegin Julia Klöckner (beide CDU).

Existenzbedrohend!?

Stellvertretend für die Branche erhoben vier Tierheilpraktikerinnen Verfassungsbeschwerde gegen diesen Tierarztvorbehalt. Sie sahen sich in ihrer beruflichen Existenz bedroht, da sie einen Großteil ihrer Einnahmen mit homöopathischen Tierbehandlungen erzielen.

Es ging in Karlsruhe nun nicht um die Frage, ob und wie Homöopathie bei Tieren wirkt, sondern nur darum, ob die Zuckerkügelchen für Tiere gefährlich sind. Die Rich­te­r:in­nen führten dazu eine schriftliche Anhörung von 15 Verbänden durch – inklusive der Arzneimittelindustrie. Und niemand sah die Gabe von Humanglobuli an Tiere als Gefahr – außer den konkurrierenden Tierärzten.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts erklärte deshalb den Tierarztvorbehalt für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Er verletze die Berufsfreiheit der Tierheilpraktiker:innen. Diese können nun sofort wieder ihre gewohnte Tätigkeit aufnehmen. Allerdings dürfen sie nur Tiere homöopathisch behandeln, die nicht von Menschen gegessen werden, also etwa Hunde und Katzen – nicht aber Rinder, Schweine und Hühner.

Außerdem regte das Bundesverfassungsgericht an, von Tier­heil­prak­ti­ke­r:in­nen künftig ein gewisses Maß an medizinischer Sachkunde zu verlangen – damit sie zumindest erkennen, wann ein Tierarzt eingeschaltet werden sollte.

Die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde hatte der Bayreuther Rechtsprofessor Heinrich Amadeus Wolff geschrieben. Zufälligerweise wurde Wolff im Juni vom Bundestag selbst zum Verfassungsrichter gewählt. Er ist inzwischen Mitglied des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, also des Senats, der über seine Klage entschied. Wolff nahm aber nicht an den Beratungen teil, die bei seiner Wahl schon begonnen hatten. Die sieben anderen Rich­te­r:in­nen hielten sich auch nicht für befangen, als sie der Verfassungsbeschwerde ihres neuen Kollegen stattgaben. Im Karlsruher Beschluss wurde nicht einmal erwähnt, dass die Kläger von einem Mitglied des entscheidenden Senats vertreten wurden. (Az.: 1 BvR 2380/21 u. a.)

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