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Feier zur Befreiung von AuschwitzNetanjahu wird in Polen nicht verhaftet werden

Polens Regierung will den Haftbefehl gegen Netanjahu ignorieren. Bei einer Einreise zum Auschwitz-Gedenken drohen ihm wohl keine Konsequenzen.

Freies Geleit in Polen für Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Warschau taz | Benjamin Netanjahu, der Ministerpräsident Israels, könnte nun am 80. Jahrestag der Befreiung des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau teilnehmen, ohne verhaftet zu werden.

Denn die Mitte-Links-Regierung unter Premier Donald Tusk beschloss am Donnerstag überraschend, den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Netanjahu ignorieren zu wollen. Vielmehr solle „den höchsten Vertretern des Staates Israel ein freier und sicherer Zugang zu den Gedenkfeiern und die Teilnahme daran gewährleistet“ werden.

Es geht um den letzten großen Gedenktag am 27. Januar, an dem noch Überlebende der Shoah teilnehmen können. Sie sind heute alle hochbetagt, zwischen 90 und 100 Jahre alt. Im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau hatten die Nazis rund eine Million europäischer Juden und rund 25.000 Sinti und Roma vergast, sowie im drei Kilometer entfernt gelegenen Konzentrationslager Auschwitz I rund 60.000 bis 70.000 Polen und Angehörige anderer Nationen ermordet.

Eigentlich hatte Netanjahu in diesem Jahr nicht an den Gedenkfeiern teilnehmen, sondern in Vertretung den israelischen Bildungsminister nach Polen schicken wollen. Denn im November 2024 hatte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (Niederlande) einen internationalen Haftbefehl sowohl gegen Netanjahu und seinen ehemaligen Verteidigungsminister Joav Gallant als auch gegen Mohammed Deif erlassen, den Militärchef der radikal-islamischen Terrororganisation Hamas. Vorgeworfen werden allen dreien Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Israel und im Gazastreifen.

Israel schweigt zur polnischen Entscheidung

Als einer der Vertragsstaaten des IStGH müsste Polen den israelischen Regierungschef festnehmen, sobald er polnisches Territorium betritt und ihn unverzüglich an das Gericht in Den Haag ausliefern. Während Israel sich mit einer eindeutigen Reaktion auf den polnischen Regierungsbeschluss zurückhielt, erinnerte am Freitagmorgen das IStGH Polen daran, dass es nicht einseitig Entscheidungen oder Urteile des Gerichts anerkennen oder missachten können.

Alle Vertragsstaaten seien durch das gleiche Recht gebunden. Noch im Dezember 2024 hatte Wladyslaw Teofil Bartoszewski, der im polnischen Außenministerium für den reibungslosen Ablauf der Auschwitz-Gedenkfeiern zuständig ist, gegenüber der Tageszeitung Rzeczpospolita gesagt: „Wir sind dazu verpflichtet, die Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofes zu respektieren.“ Jetzt aber dementierte er, damit gemeint zu haben, dass Polen eine Pflicht habe, Netanjahu zu verhaften. „Das habe ich nie gesagt“ schreibt er in einem offenen Brief an die Washington Times.

Polens Staatspräsident Andrzej Duda, der der nationalpopulistischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nahesteht, hatte am Donnerstag eine heiße Diskussion losgetreten, als er Polens Regierung schriftlich dazu aufforderte, Premier Netanjahu nicht zu verhaften, sondern ihm freies Geleit zuzusichern. Dabei wollte Netanjahu gar nicht nach Polen kommen, um die ohnehin angespannten polnisch-israelischen Beziehungen nicht weiter zu strapazieren und sich selbst auch nicht dem Risiko einer Verhaftung auszusetzen.

Bartosz Wielinski, der stellvertretende Chefredakteur der linksliberalen Gazeta Wyborcza, geht davon aus, dass sich Duda auf Kosten der Regierung profilieren wollte. Er habe mit einem dicken Zaunpfahl Richtung USA, den Republikanern und dem künftigen Präsidenten Donald Trump gewunken, die den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkennen und nach wie vor hinter Israels Premier Netanjahu stehen.

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