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Falsche Argumente über AsylrechtDie uralten Kamellen eines renommierten Historikers

CDU-Kanzlerkandidat Merz bezog sich im TV-Duell auf den Historiker Heinrich Winkler. Doch dieser irrt, wenn er das Asylrecht im „Spiegel“ historisch beurteilt.

Ernst Reuter, Oberbürgermeister von Berlin, unterzeichnet das Grundgesetz am 23. Mai 1949 in Bonn Foto: ap

Heinrich August Winkler ist ein verdienter Historiker. Zur aktuellen Migrationsdebatte hat er allerdings kein Expertenwissen beizutragen. Insbesondere haben seine Ausführungen zur Entstehung des Grundrechts auf Asyl heute keinerlei praktische Relevanz mehr.

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Dennoch veröffentlichte der Spiegel am Wochenende einen Gastbeitrag von Winkler unter dem Titel „Die deutsche Asyllegende“. Darin argumentierte der Historiker, dass der Parlamentarische Rat bei der Schaffung des Grundgesetzes kein subjektives individuelles Asylrecht schaffen wollte, sondern nur ein institutionelles, vom Staat zu gewährendes Recht. In der heutigen Debatte werde etwas verteidigt, was eigentlich ganz anders gedacht war, so Winkler. Mit der eigentlichen Konzeption des Asylrechts wäre die von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz propagierte Zurückweisung aller Asylsuchenden an der Grenze durchaus möglich, so Winkler.

Zunächst: Das Grundgesetz wird vom Bundesverfassungsgericht ausgelegt und nicht von Geschichtsprofessoren. Das Bundesverfassungsgericht hat aber das Asylrecht in ständiger Rechtsprechung als subjektives Grundrecht verstanden.

Dass Winkler die Karlsruher Urteile als „eigenwillig und anfechtbar“ bezeichnet, ist für einen Nichtjuristen bemerkenswert. Was Winkler wohl nicht weiß: Die historische Auslegung einer Grundgesetznorm ist nur eine von vier parallel anzuwendenden Auslegungsmethoden, neben Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck.

Mit zunehmendem Abstand wird die historische Auslegung unwichtiger. Deshalb lag Karlsruhe nicht falsch, als es zu anderen Ergebnissen kam als Winkler.

Die Kontroverse über das deutsche Grundrecht auf Asyl ist aber auch schon sehr lange überholt. Der heute 86-jährige Winkler schlägt hier Schlachten vergangener Jahrzehnte.

Bereits 1993, vor mehr als 30 Jahren, wurde das deutsche Grundrecht auf Asyl nach einer jahrelangen Hetzkampagne der CDU/CSU weitgehend abgeschafft.

Das Asyl-Grundrecht wurde damals nicht, wie Winkler meint, um „Detailbestimmungen“ ergänzt, sondern fast völlig entleert.

Das Grundrecht gilt nicht mehr für Flüchtlinge, die Deutschland über einen sicheren Drittstaat erreichen. Da Deutschland von EU-Staaten und der Schweiz umgeben ist, gilt das Grundrecht auf Asyl für 99 Prozent der Flüchtlinge nicht mehr.

Winkler hat recht, dass es heute immer noch Po­li­ti­ke­r:in­nen gibt, die sich in der Auseinandersetzung mit Friedrich Merz auf das Asyl-Grundrecht berufen. Leider gehört auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) dazu. Um das Argument von Scholz ins Leere laufen zu lassen, braucht Merz aber nicht die historische Hilfe von Winkler, es genügt ein Verweis auf Artikel 16a Absatz 2 des Grundgesetzes. Dort ist die faktische Irrelevanz des Grundrechts heute festgeschrieben. Um es deutlich zu sagen: Wer heute noch mit dem Grundrecht auf Asyl argumentiert, verschafft Merz und der AfD einfache argumentative Erfolge. Bei Sozialdemokraten wie Scholz ist das besonders zynisch.

Schließlich hat die SPD 1993 der CDU/CSU bei der faktischen Abschaffung des Asylrechts zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit verholfen. Die Zurückweisung aller Asylsuchenden an der deutschen Grenze verstößt also nicht gegen das Grundgesetz, aber gegen EU-Recht. Die Europäische Union verfügt längst über ein eigenes harmonisiertes Asylsystem. Auch der Individualanspruch auf Asyl beruht heutzutage auf EU-Recht, das im deutschen Asylgesetz umgesetzt wurde.

Ab 2026 wird es eine direkt geltende EU-Verordnung geben. Für die Auseinandersetzung mit dem EU-Asylrecht ist Winklers Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes völlig irrelevant. Es geht hier um neues Recht auf einer höheren, vorrangigen Ebene. Nun erwartet niemand von einem 86-jährigen Historiker, dass er sich mit dem EU-Asylrecht auskennt. Aber vom Spiegel könnte man doch so viel Fürsorge für den eigenen Autor erwarten, dass er darauf verzichtet, einen so peinlich veralteten Text abzudrucken.

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27 Kommentare

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  • Im Grunde deckt sich das mit meiner Meinung. Das Asylrecht ist, soweit ich es erkenne, das einzige Rechtsinstitut, welches (soziologisch gesehen, um Missverständnissen vorzubeugen) Verbandsfremden Leistungs- und Versorgungsansprüche gegen einen Verband einräumt. Es war für - zeitlich begrenzte - Ausnahmefälle gedacht. Angesichts der sattsam bekannten Entwicklung der letzten Jahrzehnte und der Tatsache, dass es ein enormes Leistungsgefälle der einzelnen Asyl gewährenden Staaten gibt, ist es so nicht mehr handhabbar.



    Inzwischen leben auf diesem Planeten circa 8 Milliarden Menschen, und die sind mobil wie nie zuvor. Theoretisch könnten circa 7,9 Milliarden Menschen einen Asylantrag stellen, mit allen damit sofort verbundenen rechtlichen Ansprüchen. Das Asylrecht kann in einem einzelnen Staat nur als Institutsgarantie, aber nicht als Individualrecht für den Rest der Welt überleben.

    • @Jan Schubert:

      Wenn jeder Asylantrag positiv beschieden würde, dann würde es Sinn machen ihre Ausführungen weiter zu verfolgen. Da aber am Beispiel Deutschlands die Anerkennungsquote für Schutz und Asyl bei 52% im Jahre 2023 lag und in anderen Ländern noch geringer ausfiel, halten ihre Argumente der Wirklichkeit nicht stand.

      Das Problem liegt doch weniger im Individualrecht, sondern darin wie es gehandhabt wird. In Deutschland stellen mittlerweile Türken die drittmeisten Anträge. Es darf doch bezweifelt werden, dass eine derart große Anzahl in der Türkei um Leib und Leben fürchten muss oder Folter durch das Regime droht. Es hapert kurz gesagt einfach an der Praxis. Nur das hat wenig mit dem Menschenrecht zu tun, welches Asyl nunmal darstellt.

      Und auch ihr Hinweis auf das Leistungsgefälle ist aus meiner Sicht nicht schlüssig. Weltweit suchen gerade einmal 25% der Flüchtlinge Schutz in Staaten mit hohem Einkommen.

      Auch bliebe generell die Frage zu klären, wie es gehandhabt werden sollte, wenn es sich bei Asyl nur noch um eine Institutsgarantie handeln würde. Was würde es konkret bedeuten?

      Quelle Statistische Amt der Europäischen Union 2023

  • "In der heutigen Debatte werde etwas verteidigt, was eigentlich ganz anders gedacht war, so Winkler."

    Dann ist es ja gut, dass er diesen Fehler im Grundgesetz aufgedeckt hat und wir sollten ihn endlich korrigieren. Also muss es eine Umformulierung dort geben, die wieder klar macht, dass es Deutschland ein individuelles Asylrecht gewährt. Ist zwar eine Binse denn das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht, und Menschenrechte sind per se individuell.



    Gelle?

    • @Jalella:

      Heißt das, dass so gut wie alle anderen europäischen Länder Menschenrechte mit Füßen treten? Denn die sehen das anders.

  • "Wer heute noch mit dem Grundrecht auf Asyl argumentiert, verschafft Merz und der AfD einfache argumentative Erfolge."

    Oha, schwierige Argumentation. Wenn das denn so wäre, dann hätten linke und grüne Politiker bzw.Aktivisten aber ein großes Problem. Denn da gehört die "Verteidigung des Grundrechts auf Asyl" zum Stadardrepertoire.



    Ganz aktuell aus dem Wahlprogramm der Linken "(Wir... stehen immer und überall für Menschenrechte und für das Grundrecht auf Asyl ein."



    Und bei den Grünen: "Das Grundrecht auf Asyl, die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention werden wir stets verteidigen."

    • @Deep South:

      Dann muss ich mich outen und gestehen, dass auch ich noch kürzlich in einem Kommentar hier in der Kommune davon schwadroniert habe, dass das individuelle Grundrecht auf Asyl erhalten bleiben müsse. Unwidersprochen übrigens, ist wahrscheinlich keinem aufgefallen.



      Dabei habe ich seinerzeit (1993) als Juso-Jungspund noch höchstselbst gegen die Abschaffung jenes individuellen Asylrechts protestiert bzw. gegen die SPD-Beteiligung an dieser CDU-Schweinerei.



      Kannste mal sehen, wie kurz das politische Langzeit-Gedächtnis ist!😉

  • "Das Grundrecht gilt nicht mehr für Flüchtlinge, die Deutschland über einen sicheren Drittstaat erreichen"

    Mir hat allerdings noch nie einer schlüssig erklären können, was daran zu beanstanden sein soll. Asyl dient nun mal ausschließlich dem Schutz vor akuter Verfolgung, und diesen Schutz bietet nun mal nicht allein Deutschland.

  • "Nun erwartet niemand von einem 86-jährigen Historiker, dass er sich mit dem EU-Asylrecht auskennt. Aber vom Spiegel könnte man doch so viel Fürsorge für den eigenen Autor erwarten, dass er darauf verzichtet, einen so peinlich veralteten Text abzudrucken."



    Der Text wird hoffentlich nicht nur in der taz diskutiert und kritisch hinterfragt, der Spiegel hat sich am Ende zwar ins Gespräch gebracht, aber in puncto Fachwissen wird jetzt wahrscheinlich im erhitzten Diskurs eine Koryphäe auf unsicherem Eis "partiell desavouiert".

  • Das ist ein hervorragender Beitrag, der die unselige Debatte vom Kopf auf die Füße stellt. Vielen Dank für die Klarstellungen, sie waren nötig!

  • Sowohl Scholz als auch Merz sind Juristen - Merz hat im Grunde auf eine Grundhaltung "Grenzen dicht und Ausländer raus" angespielt (auch als er Winklers SPD-Zugehörigkeit hervorhob), die bis auf die Linke (und die grüne Jugend) prinzipiell von AfD, FDP, CDU/CSU, Grünen (z.B. Habecks 'arbeitslose Syrer', die abzuschieben seien) und BSW in unterschiedlichen Nuancen geteilt wird.



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    Indem Merz unverfroren behauptet, es habe gar keine Zusammenarbeit mit der AfD gegeben, setzt er die SPD weiter unter Druck.



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    Morgens Holocaustgedenken, abends johlen und feixen die "Vogelschisser" dank Union und FDP - diese symbolische Abstimmung hatte es in sich - auch auf wiederholte Nachfrage war im Duell Merz z.B. kein Wort des Bedauerns zum Austritts M. Friedmans aus der CDU zu entlocken.



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    Das ist auch inhaltlich der wesentliche Bruch mit Merkel - sie hat die Antisemiten, die seit Globke in der CDU selbstverständlich geworden waren, vor die Tür gesetzt.



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    Die FAZ sieht nach dem Aufeinandertreffen von Scholz und Merz schon eine "Große Koalition am Horizont" - wen interessiert da noch, was rechtlich wirklich Sache ist...



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    Trotzdem vielen Dank für die Klarstellungen!

  • >Auch der Individualanspruch auf Asyl beruht heutzutage auf EU-Recht, das im deutschen Asylgesetz umgesetzt wurde.<

    Das sehe ich anders. Für Flüchtlinge, die aus einem EU-Staat einreisen (alle) gibt es kein EU-Recht auf Asyl in Deutschland sondern nur ein EU-Recht auf Prüfung des für den Asylantrag zuständigen Staats. Da der Flüchtling weiß wo er in die EU eingereist ist könnte die Klagebefugnis fraglich sein.

  • Was sowohl Winkler als auch der Autor dieses Artikels wieso viele andere übersieht ist das Artikel 16 (a) immer nur eine von mehreren relevanten Rechtsnormen für Schutzsuchende war und ist. Die Genfer Flüchtlingskonvention wurde international 1951 verabschiedet und die Bundesrepublik hat sie bereits im gleichen Jahr ratifiziert und die Europäische Menschenrechtskonvention 1952. Diese beiden internationalen Verträge waren und sind von der sogenannten Asylreform von 1993 und der Einführung der sogenannten Drittstaatenregel völlig unberührt. Da internationales Recht und Völkerrechtliche Verträge über dem nationalen Recht stehen. Ebenso der aus dem EU Recht abgeleitete Subsidiäre Schutz. Das seit 1993 kein Asylbewerber der über dem Landweg einreist politisches Asyl erhält interessiert praktisch nur Rechts- und Linkspopulisten den es verhindert weder legale Asylverfahren noch daraus folgende Schutzgewährungen in Deutschland.



    Menschen mit begründeter Furcht in ihrem Herkunftland können Flüchtlingsschutz erhalten. Die Rechtsfolge in Form eines dreijährigen Aufenthaltstitels sind exakt identisch wie bei einer Asylgewährung.

  • Wenn Heinrich-August Winkler *1938 im Spiegel argumentiert, dass der Parlamentarische Rat bei Schaffung des Grundgesetzes kein subjektives individuelles Asylrecht schaffen wollte, sondern nur institutionelles, vom Staat zu gewährendes Recht, meint er wohl in völliger Verkennung, dass in demokratisch verfasstem Rechtsstaat es für natürliche Personen nur individuelles nicht nach Gutdünken institutionelles Recht gilt, das Asylrecht sei bei Verweigerung durch die Ausländerbehörde, Bundesgrenzschutz individuell nicht einklagbar, denn anders als Winkler hatten die Grundgesetz Gründungsmütter, -väter 1949 bereits Verwaltungsgerichtsbarkeit vor Augen, die es ja bereits 1863 im Großherzogtum Baden gab, ab 1875 auch im Königreich Preußen, als Adressat von Klagen, auch wenn es die im viergeteilten Deutschland 1949 noch nicht gab, während der furchtbare Historiker Heinrich August Winkler diese nicht einmal vor Augen hat, obgleich es die in Westdeutschland seit 1952 bundesweit gibt

    -Furchtbarer Historiker in Adaption Rolf Hochhuths furchtbarem NS Marinerichter CDU Baden-Württemberg Ministerpräsident Hans Filbinger 1978 „Was einst recht war (seine Todesurteile) kann heute nicht Unrecht sein"

  • Christian Raths Abkanzelei von Winkler ist in Ton und Inhalt unangebracht.



    Mal abgesehen davon, dass Winkler das Asylrecht und seine Genese natürlich als Historiker und eben nicht als Jurist betrachtet: Das Argument, die deutsche Asylgesetzgebung sei gewissermaßen die historische, sich aus dem NS ergebende Verpflichtung kann man regelmäßig sowohl hier in den Kommentaren finden als auch in der Öffentlichkeit, vermutlich sogar in taz-Artikeln (aber da bin ich zu faul, um Beispiele herauszusuchen). Dass in politischen Debatten immer wieder historisch argumentiert wird, darf man auch als Jurist durchaus wissen.



    Dass sich die heutige Asylpraxis (und um nichts anderes geht es) aus einem Zusammenspiel von Völkerrecht, Europarecht und Rechtssprechung in einer Weise entwickelt hat, die politisch nie intendiert war (jedenfalls nicht von den jeweiligen Entscheidungsträgern) hat ein anderer renommierter Zeithistoriker, nämlich Hans-Peter Schwarz, bereits vor einigen Jahren dargelegt.



    Genau diese Vorgeschichte sollte man aber kennen, um die Dysfunktionalität des gegenwärtigen Asylsystems zu verstehen. Und genau das ist die Aufgabe von Historikern.

    • @Schalamow:

      Nun der von ihnen zitierte Historiker hat in seinen Ausführungen als Hauptkriterium das EU Flüchtlingsrecht herangezogen ohne dieses aus einem juristischen Blickwinkel zu betrachten. Vermutlich mangels Kompetenz und dementsprechend ist sein Resümee auch eher für die Katz.

      Die supranationale Rechtsordnung der Europäischen Union und die zahlreichen völkerrechtlichen Rechtssätze haben natürlich zu Anpassungsnotwendigkeiten in der nationalen Rechtsordnung geführt.

      Es ist aber in keinster Weise ein "Zusammenspiel". Die völkerrechtlichen Verträge, denen die Europäische Union beigetreten ist zählen zum Unionsrecht und im Kern handelt es sich dabei um zwischenstaatliches Recht.

      Das deutsche Asylrecht ist defacto seit 1993 in Europarecht übergegangen. Und dieses unterscheidet sich nicht derart Grundlegend von den früheren nationalen Regelungen. Daher sind ihre Schlussfolgerungen von der Rechtsordnung auf eine "dysfunktionalität" des Systems zu schließen fehlgeleitet. Die Ursache dürfte wohl eher im Sekundärrecht liegen welches von den Unionsstaaten aber selbst beschlossen wurde, jedoch nicht im Primärrecht zu dem auch die EU Grundrechtcharta und damit das Recht auf Asyl gehört.

      • @Sam Spade:

        Naja, für den Hammer ist jedes Problem ein Nagel, und Sie versuchen regelmäßig die Frage von Asyl+Migration zu einem rein juristischen zu machen, was es gerade nicht ist. Das Thema Ihren persönlichen Diskursregeln zu unterwerfen, nervt aber auf die Dauer etwas.



        Als eingefleischtem Rechtspositivisten ist Ihnen die Zeitgebundenheit von Rechtssetzung, Rechtauslegung und Rechtssprechung naturgemäß schnuppe, ebenso das Auseinandertreten von Rechtsnorm und -wirklichkeit. Das aber ist das Thema des Historikers. Den Kern meines ebenso wie den Winklers Argument verfehlen Sie daher bzw. gehen gar nicht darauf ein.



        Winkler hat seine Position übrigens schon früher vorgetragen, und es gab eine Diskussion dazu in der FAZ. Ich belasse es daher mal bei dem, was Angelika Nußberger dazu schrieb: „Wenn aber das, was politisch als unabdingbar angesehen wird, und das, was verfassungsrechtlich möglich ist, nicht mehr in Einklang zu bringen ist, besteht die Gefahr, dass Lösungen außerhalb des Rechts gesucht werden.“



        Aber vermutlich wird sich auch die ehem. Vizepräsidentin des EGMR den Vorwurf juristischer Inkompetenz zuziehen, wie es in Ihren Augen ja auch frühere Mitglieder des BVG sind.

        • @Schalamow:

          Wenn das was die Politik als unabdingbar ansieht immer zu einer Neubewertung der Rechtsnormen führen würde, hätten wir jetzt bereits kein individuelles Asylrecht mehr, sondern würden nur noch Kontingente aufnehmen.

          Die internationalen Abkommen wie Genfer Flüchtlingskonvention oder Völkerrechtsvereinbarungen können sie in diesem Sinne durchaus als Schranken ansehen.

          Sie beugen u.a. vor das besonders rechtskonservative Kräfte die Rechtsnormen alllzusehr ihrer Auffassung von "Wirklichkeit" anpassen.

          Und es gibt nunmal Grundrechte die nicht der Zeitgebundenheit unterliegen. Finden sie auch im Grungesetz, die sogenannten Ewigkeitsklauseln.

          Und das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht gemäß Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

          Daran gibt es nicht zu ändern, unabhängig vom Zeitgeist den politischen Verhältnissen oder der grundsätzlich richtigen, in Bezug auf die Grundrechte aber belanglosen Aussage von Angelika Nußberger.

          Abgesehen davon das Rechtssprechung und Rechtsauslegung sich zu allen Zeiten in einem stetigen Wandel befunden haben, allerdings in einem geordneten Rahmen.

  • Eine differenzierte Betrachtung von (polit.) Asyl, Flüchtlingsstatut, Armutsmigration, Arbeitsmigration von Fachkräften, etc... täte der Debatte wohl einmal gut.

    Die alte Kampftaktik der Linken, bei der jegliche Migration unter dem "starken" Asylrecht subsumiert wurde ist mittlerweile eher schädlich. Das war schon in den 90ern das propagandistische Einfallstor für die Schleifung des Asylrechts...

    Und weiter, es gibt unübersehbar gewisse Schwierigkeiten im Umgang mit Kriminellen, Extremisten und psychisch Erkrankten und auch mit sich bildenenden Parallelgesellschaften. Sich hier einfach nur auf "irgendwas mit Rechtsstaat" zurückzuziehen funktioniert nicht ewig. Die Akzeptanz des Rechtsstaates bröckelt hier gewaltig und die drohenden Schäden sind bereits klar abzusehen.

    Dass Historiker jetzt die Grenze ganz schließen wollen und linke Kolumnisten versuchen gegenzuhalten, in dem sie behaupten 99% aller Flüchtlinge dürften eigentlich kein Asyl bekommen, ist nur eines der Symptome des panischen Kampfs gegen den Akzeptanzverlust.

    Wenn wir keine befriedenden Lösungen für die "Migrations-Problemfälle" finden, dann wird das bald die Merz-AfD tun. Isso...

    • @Nafets Rehcsif:

      Wieso ist diese Kampftaktik als schädlich einzustufen?



      Die Kampftaktiken, wohl eher Argumente wie "Nicht alle Ausländer sind so..." oder den Menschen nicht als Asylbewerber oder Migrant oder Einwanderer in Schubladen zu stecken sind Taktiken, damit die Argumente von Nazis ungültig werden.

      Das hat eigentlich einen guten Erfolg gehabt, wie man wieder letztes Wochenende gesehen hat mit mehreren hunderttausenden Menschen auf der Straße, die gegen Fremdenfeindlichkeit in Hellblau protestiert haben.

      Meiner Ansicht nach waren die "Kampftaktiken" sogar noch zu schwach. Sonst hätten wir heute mehrere Millionen Menschen auf den Straßen Deutschlands gesehen.

    • @Nafets Rehcsif:

      99% aller, die einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen bekommen, bekommen ihn nicht auf Basis des Art. 16 GG, sondern auf Basis der verschiedenen Paragraphen des AsylG (3 und 4) und des AufenthG (noch ein paar), da hat der Autor (Jurist btw) völlig recht. Nix mit "sollen", ist rechtlicher Fakt aus angegeben Gründen seit 1993.



      Und selbstverständlich dienen die Art. des GG als Basis für individuell erstreitbares Recht ggü. dem Staat.

    • @Nafets Rehcsif:

      "Befriedigende" oder gar "befriedende" Lösungsbeiträge darf man von der Union nicht erwarten, historisch ist von dort haupt

      • @Axel Schäfer:

        ... da war mal wieder das WLAN gestört.



        Sollte heißen:



        hauptsächlich ein latenten Ausländerhass zu erwarten, ich erinnere mich noch gut an den Landtags-Wahlkampf von Roland Koch in den 1990ern, wo er das Thema in die Landespolitik geliebt hat. Die Realität ist eine andere. Es sollte mal einen kleinen Warnstreik aller Migranten allein in der öffentlichen Verwaltung geben, damit dem geneigten Wahlbürger mal klar wird, was hier ohne Migranten los wäre.

  • Nun darf sich auch ein Historiker zu der Entstehung einer Norm äußern, bzw. mitteilen wie er diese versteht. Vielleicht hat Hr. Winkler auch den 'Originalismus' vor Augen, der die US-Auslegung am Supreme Court bestimmt, allerdings, wie Rath zurecht ausführt, hat das Bundesverfassungsgericht ein anderes Verfassungsverständnis.

    Leider bekommt eine sach- und fachfremde Einzelmeinung, geschmückt mit der Autorität eines Professorentitels, viel zu viel Gewicht. Hier erkennt man dir politische Agenda des Spiegel, wie jene von Hr. Merz.

  • Indeed. VKW oder - Alter schützt vor Torheit nicht! Woll



    Wobei Wobei! Der Junge - is ja mal grade schlappe sechs Jahre älter! Newahr



    Son kalkigen Dünnflott würd ich mir nicht verzeihen! Wollnich



    Und - als Mitakteur von “Fünf vor Zwölf!“



    Richter wider die drohende Schleifung von



    Art 16 Grundgesetz - Asyl in Deutschland!



    Kann - ab bon CDU/CDU nur beipflichten:



    “Wer hat uns verraten? SPezialDemokraten!“



    Wie es der Verfassungsrichter Jürgen Kühling (SPD) im Spiegelinterview benannt hat:



    “Wir schaffen ohne Not eines der Menschen- & Grundrechte unserer Verfassung ab!



    Nur weil wir schlecht organisiert sind!“

    unterm——



    VKW - Vereinigte Kalk Werke / servíce

  • "Aber vom Spiegel könnte man doch so viel Fürsorge für den eigenen Autor erwarten, dass er darauf verzichtet, einen so peinlich veralteten Text abzudrucken."

    Volle Zustimmung - und von einem Historiker ist auch eine Einordnung zu erwarten, warum den Eltern des Grundgesetzes das Asylrecht nach 1945 wichtig war.

    • @Stavros:

      Die leistet er ja - nur nicht mit dem von den heutigen Verteidigern des individuellen Asylanspruchs gewünschten Ergebnis.

  • Die Relevanz entsteht, sobald sich Politiker auf die Absichten der Väter und Mütter des Grundgesetzes vor dem Hintergrund des gerade zu Ende gegangenen Dritten Reiches berufen.