Ex-Grüner zum Austritt wegen Asylpolitik: „Ich kann das nicht mittragen“
Der Aktivist Tareq Alaows ist mit anderen Geflüchteten bei den Grünen ausgetreten. Sie wollen die Reform des EU-Asylsystems GEAS nicht mittragen.
taz: Herr Alaows, Sie haben mit einer Gruppe anderer Geflüchteter, die Funktionen in der Grünen Partei hatten, am Freitag ihren Austritt erklärt. Warum?
Tareq Alaows: Der Grund sind die Entwicklungen der letzten Tage: Die Grünen haben die Reform des EU-Asylsystems GEAS und das Rückführungsverbesserungsgesetz der Ampel nicht nur mitgetragen, sondern auch verteidigt und versucht das als menschenrechtliche Entscheidung darzustellen. Dabei wissen alle, dass dies nur zur Aushöhlung des Rechts Schutzsuchender und zu mehr Verletzungen von Grundrechten führen wird.
34, geboren in Damaskus, ist flüchtlingspolitischer Sprecher bei Pro Asyl und war bei den Grünen Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Flucht und Migration. Er floh 2015 wegen seiner Einberufung zum Wehrdienst aus Syrien nach Deutschland.
Wären Sie drin geblieben, wenn die Partei zugestimmt, dies aber kritisch reflektiert hätte?
Dass sie es mitgetragen haben, war für mich schon ein ausreichender Grund auszutreten. Ich finde es aber nochmal etwas anderes, das so zu verteidigen, wenn es so offensichtlich zu systematischen Menschenrechtsverletzungen führt.
Was hat sie seinerzeit bewogen, den Grünen beizutreten?
Ich bin der Partei 2020 wegen ihrer Asylpolitik beigetreten. Ich habe mich da zuhause gefühlt. Und durch die letzten Entscheidungen habe ich mich von diesem Zuhause weggestoßen gefühlt. Die Grünen standen klar für Menschenrechte, waren auf einer Linie mit zivilgesellschaftlichen Bewegungen, haben mit diesen zusammengearbeitet und entsprechende Forderungen an die damalige Bundesregierung gerichtet. Sie haben sich unter anderem klar für Seenotrettung im Mittelmeer eingesetzt. Das sind alles Positionen, die in der DNA der Grünen stecken. Ich sehe das auch ganz klar bei vielen Parteimitgliedern. Aber leider lehnt die Führungsspitze der Partei diese DNA ab.
Wen meinen Sie konkret?
Annalena Baerbock, Omid Nouripour, Robert Habeck und den ganzen Bundesvorstand.
Unter anderem Omid Nouripour hat die Zustimmung zum GEAS mit der Behauptung verteidigt, so lasse sich ein verbindlicher Verteilmechanismus in der EU durchsetzen, der aber während der Verhandlungen nie vorgesehen war. Außerdem hatte die Grünen-Spitze zugesichert, Ausnahmen für Minderjährige durchsetzen zu wollen. Am Ende stimmte Deutschland aber zu, obwohl es diese Ausnahmen nicht gibt. Wie empfanden Sie diese Art der Kommunikation?
Sie war überhaupt nicht ehrlich. Sie haben versucht, ihre Zustimmung zu verteidigen und waren dabei nicht faktenbasiert. Diese Art gehört zu den Dingen, die mich abgestoßen haben.
Auch vonseiten der Grünen hat es geheißen, wenn es nun keine Einigung beim GEAS gebe, würde die extreme Rechte bei der EU-Wahl im Juni 2024 noch stärker und könnte das Asylrecht in Europa dann womöglich noch stärker beschneiden oder ganz abschaffen.
Ich glaube nicht, dass der Beschluss der GEAS-Reform dieses Risiko verringert. Wenn die Rechten die Mehrheit kriegen könnten und das Asylrecht abschaffen wollen, ist es umso wichtiger, für ein faires Asylrecht einzutreten und nicht in diese Diskursverschiebung einzusteigen. Die Rechten werden nicht weniger extrem, wenn man selbst solche Verschärfungen beschließt. Sie fühlen sich, im Gegenteil, nur bestätigt, wenn demokratische Parteien das mittragen. Wir müssen deshalb am Recht festhalten, statt es selber abzuschaffen.
Die Basis und auch die EU-Fraktion waren gegen die Reformen. Hat das für Sie keine Rolle gespielt?
Ja, die EU-Fraktion war gegen die GEAS-Reform. Wir haben aber gesehen, dass sich bei den Entscheidungen letztlich die Bundesregierung durchgesetzt hat. Und am Ende zählen die Ergebnisse. Dazu kommt aber auch die Rolle der Grünen in der Debatte insgesamt: Die sind voll in die rechtspopulistische Diskursverschiebung eingestiegen, sie reden nur von Abschiebungen und Verschärfungen, statt auch argumentativ dagegen zu halten und für ihre Grundsätze einzustehen, was gerade in der jetzigen Zeit sehr notwendig gewesen wäre.
Wenn alle Menschen, die so denken wie Sie, aus der Partei austreten, kann niemand mehr in diesem Sinne Einfluss auf deren Regierungspolitik nehmen.
Mein Austritt soll ein politisches Signal sein: Ich kann das nicht mittragen. Aber es sind ja weiterhin viele andere in der Partei, die für eine menschenrechtszentrierte Politik kämpfen. Denen wünsche ich viel Kraft. Ich hoffe, dass die Partei ihren Kompass wiederfindet.
Treten Sie nun in die Linke ein?
Für die jetzige Zeit kann ich sagen, dass ich die Stelle ändere, an der ich mich für Menschenrechte einsetze. Ich kehre zur zivilgesellschaftlichen Arbeit zurück.
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