Ein Jahr Tesla-Gigafactory: Durstige Fabrik im Dürregebiet
Nach einem Jahr Fabrikbetrieb ziehen Umweltverbände eine verheerende Bilanz. Tesla gefährde das Grundwasser und verschärft den Wassermangel.
Am Mittwoch jährt sich die Inbetriebnahme der Fabrik zum ersten Mal – zynischerweise am selben Datum, an dem auch der Internationale Weltwassertag begangen wird. Mit der kreativen Protestaktion, die von einem Bündnis der Klimagerechtigkeitsbewegung organisiert worden ist, wollen die Aktivist:innen die gravierenden Folgen von Teslas umstrittener Gigafactory im brandenburgischen Grünheide für Klima, Natur und Grundwasser anprangern.
Auch die weniger aktionistisch orientierten Klima- und Umweltschützer:innen des Nabu Brandenburg ziehen nach einem Jahr Gigafactory Bilanz. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag mit der Grünen Liga und der Grünheider Bürger:inneninitiative gehen die Umweltschützer:innen hart mit dem US-Konzern ins Gericht. „Tesla hat enorm viele Versprechen gemacht und sie alle nicht eingehalten“, kritisiert Nabu-Landesgeschäftsführerin Christiane Schröder in Hinblick auf Ankündigungen des Unternehmens, für ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen auf dem Fabrikgelände zu sorgen. Das Unternehmen betreibe „im großen Stil Frevel an der Natur.“ Eine Erweiterung des Werks müsse dringend verhindert werden.
Seitdem der amerikanische Milliardär und Tesla-Konzernchef Elon Musk im November 2019 bekannt gab, am südöstlichen Rand Berlins inmitten eines Trinkwasserschutzgebietes eine E-Auto-Fabrik errichten zu wollen, gibt es massive Kritik an dem Vorhaben. Umweltverbände befürchteten vor allem, durch den Fabrikbetrieb und Werksunfälle könnten freiwerdende Schadstoffe das Grundwasser belasten, aus dem sich auch die Trinkwasserversorgung Berlins und der umgebenden Gemeinden speist.
Chemikalien im Schutzgebiet
Dass sich viele Befürchtungen seitdem bewahrheitet haben, hat Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide in einer „Chronik des Grauens“ protokolliert, die sie während der Pressekonferenz vorstellt. Seit der Inbetriebnahme der Fabrik häufen sich die Vorfälle: Ein Großbrand in einer nicht genehmigten Recycling-Anlage im September, immer wieder Austreten flüssigen Aluminiums und giftiger Chemikalien, die teilweise ungeschützt auf den unversiegelten Teil des Betriebsgeländes versickern und somit eine Gefahr für das Grundwasser darstellen könnten.
Hoyer kritisiert vor allem das brandenburgische Landesumweltamt, das trotz der vielen Vorfälle, die sich in nur einem Jahr Betriebszeit ereignet hätten, kaum seiner Kontrollpflicht nachkomme. So darf Tesla die Wasserproben auf dem Gelände selbst entnehmen, und die Landesbehörde hat nur eingeschränkten Zugang zu dem Gelände. „Was muss eigentlich noch in dieser Fabrik passieren?“, fragt Hoyer.
Trotz der Bedenken wurde das Großprojekt von Tesla und der Landesregierung in einem Rekordtempo von nicht einmal drei Jahren durchgepeitscht. Möglich machten es zahlreiche Sondergenehmigungen, die es Tesla ermöglichten zu bauen, bevor überhaupt eine reguläre Baugenehmigung vorlag. „Etwas Vergleichbares gab es in Deutschland noch nicht“, sagt Nabu-Anwalt Thorsten Deppner. Vorschriften seien in fast allen Fällen auf bestmögliche Weise für Tesla ausgelegt worden.
Allein der Bau der Fabrik an dem Standort war nur möglich, da schon ein Bebauungsplan für das Gelände vorlag, der der Ausweisung der Fläche als Trinkwasserschutzgebiet vorausging. Gegen die zahlreichen Besonderheiten beim Genehmigungsverfahren hat der Nabu Widerspruch beim Landesamt eingelegt. Für den Fall, dass dieser abgelehnt wird, kündigte der Umweltverband bereits eine Klage an. „Wir stehen erst am Anfang des Rechtsweges“, sagt Deppner. Die wahrscheinlichste Folge beim Erfolg einer solchen Klage wäre, dass Tesla massiv bei der Betriebssicherheit nachbessern müsse, erklärt Deppner.
Erweiterung trotz Wassermangel
Welche konkrete Gefahren von Fabrikunfällen auf die Trinkwasserversorgung ausgehen, ist noch unklar. Bis Schadstoffe ins Grundwasser gelangen, brauche es mehrere Jahre, erklärt Steffen Schorcht von der Grünen Liga Brandenburg. Sollten aber die nahegelegenen Tiefbrunnen betroffen sein, wäre das „ein Super-GAU“ für die Region, sagt Schorch.
Neben einer Gefährdung des Grundwassers steht die Gigafactory in der Kritik, zu viel Wasser in einer Region zu verbrauchen, die ohnehin schon seit Jahren von Dürre betroffen ist. Im vergangen Sommer wurde bereits der Wasserverbrauch für Privatverbraucher rationiert. Der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner konnte weiteren Unternehmen, die sich in der Region ansiedeln wollten, keine Genehmigung erteilen, weil eine ausreichende Wasserversorgung nicht sichergestellt werden konnte.
Trotzdem will Tesla das Werk noch weiter vergrößern. Erst vergangenen Mittwoch stellte das Unternehmen einen weiteren Antrag auf Ausbau des Werkes, mit der die Produktionskapazitäten von 500.000 auf eine Million Fahrzeuge im Jahr verdoppelt werden sollen. Daran, dass mit der Erweiterung keine Erhöhung des Wasserverbrauchs einhergeht, wie Tesla es verspricht, glaubt in der Pressekonferenz niemand. „Tesla wird weiterhin gegen Vorschriften verstoßen“, vermutet Tesla-Gegnerin Manu Hoyer.
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