Dortmunder Beamte erschießen 16-Jährigen: Vier weitere Polizisten beschuldigt
Nach dem Tod von Mouhamed D. in Dortmund wird nun gegen vier weitere Beamte ermittelt. Innenminister Reul sieht eine „neue Lage“.
Am 8. August hatte ein Betreuer der Jugendhilfeeinrichtung von Mouhamed D. die Polizei gerufen, weil er den Senegalesen D. in Suizidgefahr sah. Der 16-Jährige soll sich im Innenhof ein Messer an den Bauch gehalten haben. Als die Beamten eintrafen, soll D. laut Bericht auf Deutsch und Spanisch angesprochen worden sein, aber nicht reagiert haben.
Auf Anordnung des Dienstgruppenleiters sei dann Pfefferspray eingesetzt worden, worauf D. aber nur insofern reagiert habe, dass er sich auf die Polizeibeamten zubewegte – anfangs von fünf bis sechs Metern Entfernung aus. Darauf setzten zwei Beamte einen Taser ein, was ebenso wirkungslos blieb. Als der 16-Jährige schließlich zwei bis drei Meter von einem Beamten entfernt gewesen sein soll, habe dieser mit seiner Maschinenpistole auf ihn geschossen. Er starb später trotz Notoperation im Krankenhaus.
Gegen den Beamten, der schoss, wurde bereits zuvor wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Nun werden laut Bericht gegen ihn auch Ermittlungen wegen Totschlags geprüft. Zudem wird auch gegen die vier anderen Beamten ermittelt, die mit Pfefferspray oder Taser gegen Mouhamed D. vorgingen. Der Verdacht lautet hier auf gefährliche Körperverletzung im Amt. Gegen den Einsatzleiter, der die Anweisungen für den Einsatz der Waffen gab, wird zudem wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung im Amt ermittelt.
Bodycams ausgeschaltet
Laut des Berichts schweigen bisher alle beschuldigten Polizist:innen zu den Ermittlungen. Demnach waren auch nicht elf Polizeibeamt:innen an dem Einsatz beteiligt, wie bisher bekannt, sondern zwölf – vier davon in zivil.
Nach aktuellen Ermittlungen soll der Taser nicht gewirkt haben, weil beim ersten Versuch D. nur ein Pfeilelektrode traf, statt zwei, und sich kein Stromkreis schloss. Beim zweiten Versuch habe „keine genügende Spreizung“ stattgefunden, weshalb wohl nur eine „Schmerzwirkung“ stattgefunden habe. Auch sei Mouhamed D. schließlich von vier Schüssen der Maschinenpistole getroffen worden und nicht von fünf, wie anfangs angenommen.
Das Polizeipräsidium Dortmund hatte bereits nach dem Einsatz disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen die beteiligten Beamten eingeleitet. Die Ermittlungen zu dem Einsatz führt die Polizei Recklinghausen. Auch das Bundeskriminalamt ist inzwischen beteiligt, das etwa den aufgezeichneten Notruf auswertet.
Mouhamed D. war im April als unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter nach Deutschland gekommen und erst zwei Wochen vor dem Polizeieinsatz nach Dortmund gezogen. Der 16-Jährige befand sich kurz vor dem Polizeieinsatz in psychiatrischer Behandlung und soll kein Deutsch verstanden haben.
Die Polizei stand nicht nur wegen der tödlichen Schüsse in der Kritik. Auch waren die Bodycams sämtlicher beteiligter Polizeikräfte nicht eingeschaltet. Dies sei im raschen Einsatzgeschehen nicht möglich gewesen, hieß es zunächst. Später lautete die Erklärung, das Filmen bei Suizideinsätzen untersagt sei, weil dies „höchstpersönlichen Lebensverhalte“ betreffe. Auf Demonstrationen wurde dagegen der Vorwurf rassistischer Polizeigewalt erhoben und Aufklärung über den Einsatz eingefordert.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte am Donnerstag, dass mit der Ausweitung der Ermittlungen eine „neue Lage“ bestehe. Das zeige aber auch, „dass hier genau hingeschaut wird“. Staatsanwaltschaft und Polizei würden den Fall „sauber aufklären“. Reul betonte aber auch, dass es sich weiterhin um einen Anfangsverdacht gegen die Beamten handle.
Julia Höller, die innenpolitische Sprecherin der NRW-Grünen, erklärte, die neuen Erkenntnissen besorgten sie. Es gebe neue Fragen, die nun „weiter konsequent aufgeklärt“ werden müssten. „Sollten sich die schwerwiegenden Vorwürfe erhärten, sind selbstverständlich entsprechende Konsequenzen für die Beschuldigten und für die Arbeit der Polizei zu ziehen.“
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