Die USA und das Afghanistan-Desaster: Biden ist nur konsequent
Der US-Präsident hat das Afghanistan-Desaster nicht zu verantworten. Vielmehr beweist er den Mut, eine historische Fehlentscheidung zu korrigieren.
D as Imperium hinterlässt erneut einen Trümmerhaufen. 46 Jahre nach der chaotischen Flucht aus Saigon sieht es in Kabul aus, als hätten die USA nichts dazugelernt. Sie sind wieder in ein Land einmarschiert, das sie nicht angegriffen und das sie nicht um Hilfe gerufen hat. Sie behaupteten wieder, sie würden den Terrorismus bekämpfen und eine Nation und eine Demokratie aufbauen.
Stattdessen unterstützten sie ein Marionettenregime, das sich nur so lange an der Macht hielt, wie US-Soldaten im Land waren. Sie gaben ihrer eigenen Rüstungsindustrie gigantische Expansionshilfen und Zigtausenden Afghanen und Tausenden US-Amerikanern den Tod. Am Ende schaffen sie es nicht einmal, jene, die vor Ort für sie gearbeitet haben, vor Verfolgungen zu schützen.
Diese Bilanz ist katastrophal. Generationen von Afghanen sowie Zigtausende von verletzten und traumatisierten US-Soldaten werden lebenslang dafür büßen. Für die Verantwortlichen in Washington hingegen ist dieser Ausgang – auch das eine Parallele zu Vietnam – keine Überraschung. Für sie war seit Langem klar, dass auch der Afghanistankrieg nicht militärisch zu gewinnen war. Auch wenn sie gegenüber der kriegsmüden eigenen Öffentlichkeit immer neue Argumente fanden, ihn zu verlängern.
Joe Biden hat beim Beginn des Kriegs in Afghanistan keine zentrale Rolle gespielt. Er hat zwar im Herbst 2001 als Senator die Invasion Afghanistans bewilligt. Aber in der nationalistisch aufgepeitschten und nach Rache schreienden Atmosphäre nach den Attentaten vom 11. September 2001 gab es im kompletten US-Kongress nur eine einzige Abgeordnete – die kalifornische Demokratin Barbara Lee – die genügend Verstand und Mut hatte, dagegen zu halten.
Zum Kriegsende hingegen hat Biden die Führungsrolle übernommen, vor der sich seine drei Amtsvorgänger – zwei Republikaner und ein Demokrat – gedrückt haben. Biden hat den Truppenabzug umgesetzt, von dem Bush, Obama und Trump nur in Wahlkämpfen geredet haben.
Ein historischer Fehler
Der Afghanistankrieg der USA war ein parteiübergreifender, historischer Fehler von Generationen von Politikern und Militärs. Und auch von Alliierten, darunter Deutschland, die dem Imperium bis zum bitteren Ende gefolgt sind.
Man kann darüber streiten, ob ein „friedlicherer“ Truppenabzug möglich gewesen wäre. Aber es wäre absurd, den Mann, der den Schlussstrich gezogen hat, für die Konsequenzen von jahrzehntelangem Krieg, Zerstörung und Brutalisierung verantwortlich zu machen. Ganz abgesehen davon widerspricht es auch dem, was in den Anfängen der unabhängigen US-Geschichte passiert ist. Ähnlich wie jetzt in Afghanistan haben dort im späten 18. Jahrhundert schlecht ausgerüstete und zahlenmäßig unterlegene Rebellen bewiesen, dass sie die Armee der kolonialen Supermacht in die Flucht treiben können.
Statt für durchsichtige politische Manöver und wahltaktische Schuldzuweisungen könnten die USA ihre Niederlage in Afghanistan nutzen, um endlich zu lernen, sich aus den inneren Angelegenheiten anderer Nationen herauszuhalten.
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