Die Regierungskrise der Ampel: Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Der Plan, den Wahltermin hinauszuzögern, ist parteitaktisch motiviert. Er würde den Eindruck schaffen, Grüne und SPD klebten an ihren Sesseln.
N atürlich kann man sagen, dass es ziemlich egal ist, ob dieses Land nun im Januar oder im März einen neuen Bundestag wählt. Dass sieben oder acht Wochen früher oder später für die politische Praxis im Bund und ihre Auswirkungen auf die Welt keinen fulminanten Unterschied machten. Aber wer so argumentiert, verkennt die symbolische Bedeutung der Frage, ob Olaf Scholz nach dem Crash der Ampel sofort die Vertrauensfrage stellt und damit den Weg für Neuwahlen freimacht – oder damit bis Mitte Januar wartet.
Das Argument, der spätere Termin ermögliche noch ein paar Verbesserungen für die Bürger*innen oder die Dinge im Sinne der Stabilität besser zu ordnen, trägt nicht. Die Bundesregierung hat seit dem Ausscheiden der Ampel im Bundestag keine Mehrheit mehr. Und FDP und Union werden ihr wohl kaum dabei helfen, etwa das Rentenpaket noch durch den Bundestag zu bringen. Womit wir beim Eigentlichen sind: Das Gezerre um den Termin hat einen parteitaktischen Hintergrund. Denn stimmt die Union beispielsweise dem Rentenpaket nicht zu, kann die SPD ihr das im Wahlkampf vorwerfen.
Bekommt Scholz’ Regierung im Bundestag noch etwas durch, könnte sich das Bild eines Kanzlers abschwächen, der mit der Ampel gescheitert ist. Und vielleicht erhofft man sich bei der SPD auch noch einen Schubs von der Hamburger Bürgerschaftswahl Anfang März, bei der die Sozialdemokraten auf einen Sieg hoffen können. Das alles ist aus SPD-Perspektive durchaus nachvollziehbar, nur überzeugend für die Bürger*innen ist es nicht. Nach einer Blitzumfrage vom Donnerstag sind zwei Drittel der Befragten dafür, möglichst schnell zu wählen.
Unverständlich bleibt auch, warum die Grünen dem Kanzler bei dieser vorläufigen Entscheidung – er will nun doch, Stand Freitagnachmittag, über den Termin „unaufgeregt diskutieren“ – zur Seite stehen. Sie wollen sich als die Staatstragenden darstellen, die Stabilität garantieren, klar. Außerdem können sie in ihrer desolaten Situation wohl noch etwas Zeit bis zum Wahltag gebrauchen. Nur: Der spätere Wahltermin könnte auch gegen sie gewendet werden.
Die Union wird Rot-Grün treiben und versuchen, den Druck zu erhöhen. In der Debatte nach der Regierungserklärung des Kanzlers am Mittwoch wird etwa nicht nur Unionsfraktionschef Friedrich Merz sprechen, sondern auch CSU-Chef Markus Söder, der dazu eigens aus München anreisen wird.
Allerdings hat der Kurs der Union – also: wenn Scholz bei seinem Datum bleibt, stimmen wir im Bundestag gar nichts mehr zu – auch Fallstricke für sie selbst. Lassen CDU und CSU etwa den Ausgleich der kalten Progression oder Asylrechtsverschärfungen der GEAS-Reform durchfallen, kann man auch das als Parteitaktik kritisieren. Die Union stünde plötzlich als Fundamentalopposition da.
Richtig nach hinten losgehen aber könnte das Ganze für SPD und Grüne. Hängt Scholz, Habeck und Co. das Bild einmal an, nicht von der Macht lassen können und an ihren Sesseln zu kleben, werden sie es so schnell nicht wieder los. Schnelle Neuwahlen wären wirklich das Beste.
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