Deutsche Friedensforschung zu Ukraine: Langer Abnutzungskrieg
Die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute sehen keine kurzfristige Friedensperspektive für die Ukraine.
Im Umgang mit dem Krieg empfehlen die Wissenschaftler:innen der Bundesregierung eine „langfristig angelegte Doppelstrategie“. Zum einen müsse die Ukraine militärisch, ökonomisch und politisch weiter nach Kräften unterstützt werden. Das werde wohl „auf sehr lange Zeit“ notwendig sein, „vermutlich sogar über Jahrzehnte“, sagte Deitelhoff. Diese Unterstützung werde „immense Ressourcen“ erfordern.
Auch wenn Friedensverhandlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt „keine realistische Option“ seien, müsse die Bundesregierung zum anderen jedoch bereits jetzt Vermittlungsinitiativen vorbereiten, um „mögliche Verhandlungsgegenstände zu skizzieren und Lösungsansätze zu diskutieren“.
Es müsse im Gespräch mit beiden Konfliktparteien ausgelotet werden, „ob sich irgendwo kleine Türen öffnen“, sagte Deitelhoff. Auch plädierte sie dafür, Staaten und geeignete Persönlichkeiten in einer internationalen Kontaktgruppe zusammenzuführen. Ratsam erscheine es zudem, Initiativen aus nichtwestlichen Staaten, etwa aus China oder Brasilien, so weit wie möglich einzubinden. Parallel dazu müssten „belastbare und glaubwürdige Sicherheitsgarantien für die Ukraine“ organisiert werden.
Eine Absage erteilten die Wissenschaftler:innen der Vorstellung, ein Einstellen der militärischen Unterstützung der Ukraine zugunsten von sofortigen Friedensverhandlungen, wie es bisweilen in offenen Briefen, Manifesten und teils auch auf Demonstrationen gefordert wird, werde einen nachhaltigen Frieden bringen. „Die sich daraus ergebende militärische Niederlage der Ukraine würde voraussichtlich deren Zerschlagung nach sich ziehen, einhergehend mit einer Besatzungspraxis von Folter, Verschleppung, sexueller Gewalt und gezielten Tötungen, die wir bereits jetzt in den von Russland besetzten Gebieten beobachten“, sagte Deitelhoff. Eine weitere Konsequenz wäre, dass Russland seinen Expansionsdrang weiterverfolgen und sich die Sicherheitslage in ganz Europa verschlechtern würde.
Weltweit nehme die Zahl an Gewaltkonflikten zu, und die Lage in vielen Krisenländern sei prekär, betonten die Forscher:innen. Ein Krisenhotspot bleibe weiterhin Afrika. Dort habe die Hälfte aller bewaffneten Konflikte stattgefunden, hieß es. „Diese Konflikte dürfen nicht im Schatten der Ukraine vergessen werden“, sagte die Deitelhoff.
In ihrem Gutachten fordern die Wissenschaftler:innen außerdem eine Ausweitung der multilateralen Rüstungskontrolle. Angesichts der angespannten weltpolitischen Lage sollte alles getan werden, um einen Rüstungswettlauf und die weitere Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern. Die derzeitige Lage sei „extrem gefährlich“, sagte Deitelhoff. Ziel müsse es sein, künftig auch Staaten wie Brasilien, Indien oder China stärker als bislang einzubinden.
Das Friedensgutachten erscheint jährlich seit 1987. Beteiligt sind die Friedensforschungsinstitute Bonn International Center for Conversion (BICC), das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) sowie das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen.
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