Debatte über Energiekosten: Warnung vor lokalen Strompreisen
Zwölf Ökonom:innen fordern lokale Strompreise. Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände warnen jedoch vor der Teilung des deutschen Strommarkts.
![Überlandleitungen eines Energieversorgers in der offenen Landschaft im Ruhrgebiet Überlandleitungen eines Energieversorgers in der offenen Landschaft im Ruhrgebiet](/picture/7134685/624/35860225-1.jpeg)
„Lokale Strompreise bedeuten auch, dass neue Industrieinvestitionen vom lokalen Grünstromüberschuss profitieren können“ Foto: Gottfried Czepluch/imago
BERLIN taz | Ein ungewöhnliches Bündnis warnt vor der Aufteilung des einheitlichen deutschen Strommarktes in mehrere Zonen. 15 Organisationen fordern die Beibehaltung der sogenannten Stromgebotszone. Dazu gehören der Deutsche Gewerkschaftsbund, die IG Metall, der Bundesverband Erneuerbarer Energien, der Verband der Automobilindustrie und der Bundesverband der Deutschen Industrie. Sie wenden sich gegen einen Aufruf von zwölf Ökonom:innen, die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lokale Strompreise gefordert hatten.
Der Hintergrund: In Deutschland gibt es nur eine Stromgebotszone, in der ein einheitlicher Großhandelsstrompreis gilt. Kosten wie für den Ausbau des Stromnetzes für die Windkraft werden dann regional auf den Strompreis aufgeschlagen. Deshalb ist Strom dort teurer, wo neue Windräder entstehen. Immer wieder werden Forderungen erhoben, die einheitliche Preiszone zu teilen und die Kosten grundsätzlich anders zu verteilen. Der Weg solle frei gemacht werden für Strompreise, die Angebot und Nachfrage regional ausgleichen und dadurch den lokalen Stromwert widerspiegeln, fordern etwa die zwölf Ökonom:innen. „Lokale Strompreise bedeuten auch, dass neue Industrieinvestitionen vom lokalen Grünstromüberschuss profitieren können.“
Das sehen Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände anders. Sie warnen davor, die einheitliche Zone aufzugeben. „Die negativen Folgen für die Realwirtschaft sind nicht abzusehen und überlagern die Vorteile“, heißt es in dem Appell.
Die unterzeichnenden Organisationen heben hervor, dass eine Umstellung mehrere Jahre dauern würde. In dieser Zeit wäre die Unsicherheit für Energieerzeuger und Industrie groß: „Dringend erforderliche Investitionen fallen geringer aus, der Ausbau der Erneuerbaren wird gehemmt“, fürchtet das Bündnis. Eine Aufteilung der einheitlichen Zone würde dazu führen, dass Strom gerade im industriestarken Süd- und Westdeutschland teurer würde. Schon jetzt seien die hohen Strompreise ein Standortnachteil. Die Verbände erwarten, dass größere Neuinvestitionen der Industrie vor allem außerhalb Deutschlands oder Europas erfolgen würden.
Leser*innenkommentare
Strolch
Ich bin im Süden und würde demzufolge von einem höheren Strompreis belastet. Und ich bin absolut dafür.
Leider stellt der Artikel nicht das Hauptargument dar: Der aktuelle Strompreis führt dazu, dass es keinen Anreiz gibt, die Netze zu entlasten. Wenn der Strom billig ist, da im Norden der Wind bläst, lade ich im Süden mein E-Auto. Das Problem ist, dass aber im Süden möglicherweise eine Strommangellage ist, da der Strom vom Norden gar nicht ankommt, da die Leitungen fehlen. Ich lade als billig mein E-Auto und in Wahrheit muss ein Gaskraftwerk angeworfen werden. Lokale Stromzonen sind mit das Sinnvollste, was ich die letzten Jahre zur Energiewende gelesen habe. Wir müssen den gründen Strom dann nutzen, wenn er da ist. Zudem führt dies eventuell dazu, dass sich energieintensive Unternehmen dort ansiedeln, wo auch viel Strom da ist. Dafür gibt es bislang wenig Anreiz.
Herma Huhn
Die Preise würden dort hochgehen, wo NIMBY-Politik die Energiewende ausgebremst hat. Das wäre durchaus eine Überlegung wert.
Aber ich hoffe, das wird besser durchgerechnet, als "das müsste so laufen".