Debatte über Corona-Quarantäne: Tor auf für Omikron
Die Quarantänezeiten sollen verkürzt werden. Die Bevölkerung wird damit den Preis für Versäumnisse bei der Pandemiebekämpfung zahlen.
E s ist nie falsch, über den eigenen Tellerrand zu gucken. Im Fall von Corona hat sich die deutsche Politik am Tellerrand allerdings häuslich eingerichtet – um zu warten. Die Israelis boostern und senken ihre Inzidenz? Super, dann machen wir das auch. Frankreich und Spanien verkürzen im Angesicht der neuen Omikron-Variante und deren rasanter Verbreitung die Quarantäne? Toll, uns fällt auch nichts Besseres ein.
Und so steht kurz nach dem Jahreswechsel genau das auf dem Plan für die kommende Ministerpräsidentenkonferenz. Kontaktpersonen und Infizierte sollen früher raus aus Quarantäne und Isolation. Details sind unbekannt, aber die finden sich bis Freitag sicher noch.
Immerhin, statt der Wirtschaft steht nun die „kritische Infrastruktur“ im Fokus. Dass man den Betrieb von Feuerwehr, Polizei, Energieversorgern und medizinischen Einrichtungen schützen will, klingt auch vernünftig. Dass man sie schützen möchte, indem man potenziell oder nachweislich Infizierte frühzeitig in den Job zurückschickt, leuchtet weniger ein.
Es zeigt eher, welchen Preis die Bevölkerung jetzt für das politische Zögern der vergangenen Monate zahlen muss. Denn wäre es mit zeitig eingeführten Maßnahmen gelungen, die Inzidenz vor der Ankunft von Omikron und darüber hinaus niedrig zu halten, hätte man es nach all den vollmundigen Ankündigungen tatsächlich geschafft, eine hohe Impfquote zu erreichen – man müsste die Infrastruktur jetzt nicht vor ihrem Kollaps bewahren, indem man das Risiko einer noch schnelleren Verbreitung eingeht.
Normalerweise müssen Kontaktpersonen derzeit zehn Tage zu Hause bleiben, das ist bereits ein verkürzter Zeitraum gegenüber den ursprünglichen zwei Wochen. Er lässt sich mit einem negativen PCR-Test schon jetzt halbieren. Über die Isolationsdauer Infizierter entscheidet das zuständige Gesundheitsamt. Wer virusfrei ist, kann arbeiten, wer noch Virus produziert, bleibt isoliert. Was genau man daran noch verkürzen will, ohne dem Virus die Tore zu öffnen, ist gerade angesichts von Omikron vollständig schleierhaft.
Vieles ist noch unklar bei Omikron
Viele Fragen in Bezug auf die neue Virusvariante sind nämlich immer noch offen. Fest steht nur, dass Omikron ansteckender ist als Delta. Aber was das für die Dauer der Ansteckungsfähigkeit bedeutet, ob das Virus sich viel stärker oder viel länger vermehrt und Infizierte unabhängig vom Impfstatus infektiös sind – das ist bislang nicht ausreichend untersucht. Vieles ist noch unklar
Es gibt deshalb bessere Mittel, um das Land und sein Gesundheitssystem über die kommenden Wochen hinaus am Laufen zu halten. Maßnahmen verschärfen, Inzidenz wieder senken – und endlich die Impfquote erhöhen. Das wäre doch eine gute Idee.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“