Das AfD-Problem der Linkspartei: Von lechts nach rinks
Die AfD kommt bei einigen Wählern der Linkspartei gut an. Wie gewinnt man diese zurück? Nicht alle teilen den Nähe-Kurs von Sahra Wagenknecht.
Der erste Absatz wurde von der Linksfraktion im Saarland, die sich damit hinter Lafontaines Journalistenschelte stellte, etwas später als Tweet verschickt. Wagenknecht musste am Dienstag auf Facebook nur noch nachsetzen – „Den Gipfel an Denunziation leistet sich die taz“ – und stellte das Interview ins Netz.
Und siehe da: Die Ansicht, dass es zwischen Wagenknecht und Petry gedanklich bisweilen knistert, teilen auch Wagenknechts Facebookfans: „Treffen Sie sich doch mal zu einem Gespräch ohne Beobachter. Wenn eine Koalition in diesem Land etwas bewirken kann, dann Linke und AfD“, hieß es da.
Aus der Bundespartei kamen dagegen spontane Solidaritätsbekundungen mit der gescholtenen taz. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Petra Sitte twitterte: „Zur Leserschaft der taz gehören auch viele Linke … und ich werde nicht damit aufhören; auch wenn man nicht alles Geschriebene teilt.“
Ein Probeabo für Oskar Lafontaine
„Mit solchen Äußerungen ist niemandem gedient“, meint Dominic Heilig, Mitglied des Parteivorstands, gegenüber der taz. „Ich würde Herrn Lafontaine gern ein Probeabo der taz geben.“ Halina Wawzyniak, die rechts- und netzpolitische Sprecherin der Fraktion, teilte per Twitter lakonisch mit: „spruch von einer angeblichen kampagne der angeblichen ‚neoliberalen kampfpresse‘ ist so stulle, der könnte glatt aus dem zk der sed stammen.“
Besorgter äußerte sich die Vorsitzende der „neoliberalen“ Grünen, Simone Peter, in ihrem Tweet: „… dieses Presse-Bashing zieht mir glatt die Schuhe aus. Die Linke hat ein Problem.“
Womit Peter nicht unrecht hat. Die Linke hat tatsächlich ein Problem, und zwar ein sehr viel Größeres als Oskar Lafontaine. Die AfD kommt besonders bei der ehemaligen Kernklientel der Linkspartei – Menschen in prekären sozialen Umständen – gut an. Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gewann die AfD kürzlich über 40.000 ehemalige Wähler der Linkspartei. Das Problem dieser Wählerabwanderung teilt die Linkspartei mit anderen Parteien, genauso wie die Ratlosigkeit, wie man diese Wähler zurückgewinnt.
Sahra Wagenknecht glaubt, eine Antwort gefunden zu haben und bezieht Positionen, die andockbar sind: die Sorge um Recht und Ordnung in Zeiten von Einwanderung, die Furcht vor Lohndumping und die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt.
Kritik aus allen Flügeln
Kritik erntet Wagenknecht in ihrer Partei aus allen Flügeln, am deutlichsten jedoch von den sogenannten Reformern, der pragmatischen Strömung. Er halte es für falsch, nur darauf zu schielen, wie man AfD-Wähler zur Linkspartei holt, sagt Heilig, der auch einer der Sprecher des Forums demokratischer Sozialismus (fds) ist. „Die Linke konkurriert mit der AfD nicht um Wähler.“ Dass sich die Linkspartei mit AfD-Politikern auseinandersetzen müsse, sei dagegen unumgänglich: „Die AfD ist in mehrere Landtage eingezogen. Sie ignorieren und sich wegducken geht nicht.“
Die Frage ist also, wie man sich der AfD stellt. „Die Auseinandersetzung mit der AfD kann man an anderer Stelle führen, und zwar auf Podien und in den Parlamenten“, sagt Wawzyniak zur der taz.
Die Parteivorsitzende Katja Kipping springt Wagenknecht dagegen bei. Links zu sein heiße, Rassisten Paroli zu bieten. „Insofern ist es für uns selbstverständlich, das Streitgespräch mit der AfD zu suchen und ihr wo immer es geht, zu sagen: Ihr verkörpert soziale Kälte“, so Kipping gegenüber der taz.
Eine neuerliche Auseinandersetzung über Sahra Wagenknecht käme der Linkspartei denn auch mehr als ungelegen. Die mediale Frontfrau hatte sich im Frühjahr mit Äußerungen zum Gastrecht und Kapazitätsgrenzen nach vorn gewagt, was ihren Kovorsitzenden Dietmar Bartsch und die beiden Parteivorsitzenden nach außen zu verschwiemelten Distanzierungsversuchen nötigte und in der Fraktion für erhitzte Debatten sorgte.
Personalfragen bremsen Inhaltsfragen
Auch die gegenwärtige Diskussion über eine mögliche Spitzenkandidatur des Duos Wagenknecht/Bartsch bremst die Linkspartei aus. „Es liegt noch immer kein Papier für unsere Wahlkampfstrategie vor, und es ist noch kein Wort geschrieben für ein Wahlprogramm zur Bundestagswahl. Und was machen wir? Wir streiten ums Personal. Und das auch noch schön öffentlich“, beklagte Luise Neuhaus-Wartenberg, ebenfalls Bundessprecherin des fds, am Wochenende vor Mitgliedern.
Lafontaine ist dagegen schon im Wahlkampfmodus. Im Saarland wird im März gewählt, es scheint fast ausgemacht, dass er Spitzenkandidat der Linkspartei wird. Seine taz-Beschimpfung ist daher nicht nur eine ritterliche Geste gegenüber seiner Ehefrau, sondern der Versuch, eine Wählerwanderung zur AfD zu verhindern. Denn ein gutes Wahlergebnis der AfD würde die realistische Chance auf ein Bündnis mit der SPD zunichte machen.
Oskar Lafontaine mochte sich auf Nachfragen der taz nicht äußern, sondern setzte auf seiner Facebookseite nach: „Wo bleiben die Gegenargumente?“ Aber lange geplante Gesprächstermine lässt er nicht platzen. „Oskar Lafontaine ist nach wie vor bereit, der taz ein Interview zu geben“, teilt sein Sprecher mit. Ende Oktober soll es so weit sein.
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