DKP-Chef über die Zulassung zur Wahl: „Antikommunistische Tradition“
Die DKP darf nun doch zur Bundestagswahl antreten. Parteichef Patrik Köbele freut das – von Versöhnung mit dem bundesdeutschen Staat will er aber nichts wissen.
taz: Herr Köbele, das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass die DKP doch „eine für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag wahlvorschlagsberechtigte Partei“ ist. Sind Sie nun wieder versöhnt mit dem bundesdeutschen Rechtsstaat?
Patrik Köbele: Na gut, das ändert natürlich nichts daran, dass der bundesdeutsche Staat ein Klassenstaat ist. Aber die Justiz hat immer einen Doppelcharakter, nämlich einerseits Auswüchse zu verhindern, die vielleicht auch machtgefährdend sein können, andererseits hat sie immer auch ein Klasseninteresse zu verteidigen. Ich bin nicht versöhnt, aber ich bin froh über die Entscheidung.
Die jetzt kassierte Entscheidung des Bundeswahlausschusses, die DKP nicht mehr als Partei anzuerkennen, haben Sie mit den Verboten der KPD 1933 und 1956 verglichen. Sind das nicht ziemlich schräge Vergleiche?
Na ja, ich habe schon unterschieden. Der Unterschied ist selbstverständlich ganz dramatisch in der Form. Also es ging bei der Entscheidung des Bundeswahlausschusses sicherlich nicht darum, dass man uns mit Gefängnis, Folter oder Mord droht. Die Nichtzulassung zu einer Wahl ist selbstverständlich etwas ganz anderes, als wenn man uns mit der individuellen Existenzvernichtung droht. Doch auch wenn die Methoden zivilisierter sind, war das schon der Versuch, die Existenz der kommunistischen Partei zu beenden. Das reiht sich dann eben ein Stück weit in die traurige antikommunistische Tradition in Deutschland ein. Darauf wollte ich hinweisen.
Was unterscheidet die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD), die Allianz Vielfalt & Mitbestimmung, den Verein Die Natürlichen oder die Jesusparty von der DKP? Wie auch 15 weitere politische Vereinigungen sind sie vor dem Bundesverfassungsgericht mit ihren Beschwerden gegen die Nichtzulassung zur Bundestagswahl gescheitert. Darunter befinden sich auch bekanntere Namen wie die Republikaner oder die Deutsche Zentrumspartei.
In einer öffentlichen Sitzung am 8. und 9. Juli 2021 hatte der Bundeswahlausschuss über 88 politische Vereinigungen beraten, die zur Bundestagswahl antreten wollten. Die Hälfte wurde zugelassen. Von den abgelehnten Vereinigungen zogen 20 vor das Bundesverfassungsgericht. Erfolg hatte jedoch nur die DKP.
Entgegen der Auffassung des Bundeswahlausschusses trete der Verlust der Parteieigenschaft nicht bereits ein, wenn eine Partei in einem Zeitraum von sechs Jahren mehrere Rechenschaftsberichte nicht fristgemäß eingereicht habe, befanden die Karlsruher Richter. Die „gebotene Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse“ der DKP – insbesondere des Umfangs ihrer Organisation, der Zahl ihrer Mitglieder und ihres Hervortretens in der Öffentlichkeit – ließen vielmehr darauf schließen, „dass sie in der Lage ist, ernsthaft an der politischen Willensbildung des Volkes für den Bereich des Bundes oder eines Landes mitzuwirken“.
Hätten Sie nicht den ganzen Ärger vermeiden können? Wieso hat die DKP nicht einfach ihre Rechenschaftsberichte in den vergangenen Jahren fristgerecht eingereicht?
Das liegt an unserer Struktur. Wir haben 80 buchhaltungspflichtige Gliederungen, und die müssen zusammengeführt werden mit einem ganz winzigen hauptamtlichen Apparat. Das ist fast nicht zu schaffen. Davon wollen wir aber nicht weg, weil wir uns nicht als eine Partei verstehen, wo die Zentrale das Geld einkassiert und dann nach Gutdünken die Gliederungen vielleicht etwas abkriegen. Das hat für uns etwas mit Demokratie zu tun. Aber wir müssen jetzt sicherlich an unseren Strukturen arbeiten, um diese offene Flanke, die wir da haben, zu beseitigen. Das wird ein längerer Prozess, weil das möglicherweise auch statuarische Auswirkungen hat.
An der öffentlichen Sitzung des Bundeswahlausschusses am 8. Juli haben Sie trotz Ladung nicht teilgenommen. Haben Sie die Gefahr, nicht zugelassen zu werden, unterschätzt?
Das ist völlig richtig, damit haben wir nicht gerechnet. Wir hatten uns im Vorfeld immer wieder über mögliche Schwierigkeiten erkundigt, aber nichts vom Bundeswahlleiter oder der Bundestagsverwaltung gehört, was wir als beunruhigend hätten wahrnehmen können. Aus den Akten, die wir inzwischen einsehen konnten, geht hervor, dass sich der Bundeswahlleiter mit der Bundestagsverwaltung anscheinend über dieses Verfahren abgestimmt hat – ohne uns vorzuwarnen. Wir haben unterschätzt, wie ernst man uns offensichtlich doch noch nimmt.
Die maoistische MLPD und die trotzkistische Sozialistische Gleichheitspartei sind problemlos zur Bundestagswahl zugelassen worden. Was haben die besser gemacht als die DKP?
Das weiß ich nicht.
In den 1970er und 80er Jahren sorgte Ihre Partei immer mal für kleinere und größere Schlagzeilen. Im wiedervereinigten Deutschland ist die Aufmerksamkeit über die Aktivitäten der DKP dagegen drastisch geschrumpft. Was ist es für ein Gefühl, nach so langer Zeit nun plötzlich wieder so in der Öffentlichkeit zu stehen?
Erst einmal ein gutes. Auch Werbung, die aus einem negativen Anlass kommt, ist eine Werbung. Das nehmen wir gerne mit.
geboren 1962, ist seit 1978 Mitglied und seit 2013 Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Von 1989 bis 1994 war er Bundesvorsitzender der DKP-Jugendorganisation SDAJ. In Weil am Rhein geboren, gehörte der gelernte Industriekaufmann von 2004 bis 2009 dem Rat der Stadt Essen an.
Die DKP wurde 1968 gegründet. In ihrer Hochphase hatte sie fast 50.000 Mitglieder. Wie viele sind es heute?
Knapp 3.000.
Wird die DKP bei der Bundestagswahl flächendeckend antreten?
Uns fehlen ein paar Bundesländer. Wir haben elf Landeslisten eingereicht. In anderen Ländern haben wir zu schwache Strukturen.
Und mit welchem Abschneiden rechnen Sie nun?
Damit befassen wir uns eigentlich nicht so groß. Unser wahlpolitischer Platz ist jetzt sicherlich nicht riesig. Es geht uns darum, unsere Inhalte reinzutragen, das heißt: Raus aus der Nato, für Frieden mit Russland und der Volksrepublik China sowie gegen die Nutzung der Pandemie für sozialen Kahlschlag und Demokratieabbau. Das halten wir für relativ einzigartig im politischen Spektrum. Und natürlich kämpfen wir für unsere Stärkung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW