Corona-Beschlüsse für die Ostertage: Augen zu und durch den Lockdown
Die neuen Corona-Maßnahmen suggerieren eine Entschlossenheit, die den Ministerpräsident:innen der Länder fehlt. Die Beschlüsse sind dürftig.
D ie gute Nachricht: An Ostern gibt es dieses Jahr zwei Feiertage mehr. Die schlechte Nachricht: Das ist das einzig wirklich handfeste Ergebnis, auf das sich die Bundeskanzlerin mit den Regierungschef:innen der Länder in ihrem Verhandlungsmarathon bis in den frühen Dienstagmorgen hat verständigen können. Angesichts der wieder exponentiell steigenden Infektionszahlen und des starken Anstiegs der COVID-19-Patient:innen auf den Intensivstationen ist das erschreckend wenig.
Mit dem nach zähem Ringen vereinbarten Osterlockdown vom 1. bis zum 5. April soll eine Entschlossenheit suggeriert werden, die den Ministerpräsident:innen de facto fehlt. Denn den Gründonnerstag und den Ostersamstag zu zusätzlichen „Ruhetagen“ zu erklären, ist nicht viel mehr als Symbolpolitik. Dass damit die Dynamik der dritten Coronawelle durchbrochen werden könnte, ist eine fragwürdige Behauptung – die davon ablenken soll, dass zu anderen notwendigen Maßnahmen die Ministerpräsident:innen nicht bereit waren.
Dass sich die Länderchef:innen beim letzten Treffen Anfang März mit ihrer Linie gegen Merkel durchgesetzt haben, nicht mehr die Unterschreitung der Schwelle von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen binnen sieben Tagen als Kriterium für mögliche Lockerungen zu definieren, rächt sich inzwischen. Auch dass die Öffnungen nicht an ein Testkonzept gekoppelt wurden, war ein Fehler. Doch statt sich für ihre Fehleinschätzungen zu entschuldigen und sich zu korrigieren, scheinen die Ministerpräsident:innen einfach munter weiter machen zu wollen.
Das zeigt sich besonders im Schulbereich. Es war völlig unverantwortlich, als Erstes die Schulen wieder zu öffnen, um anschließend über eine Teststrategie nachzudenken, die den Unterricht erst sicher machen würde. Die Beschlussvorlage des Kanzleramts sah nun wenigstens vor, dass in Gegenden mit einer 7-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen werden müssen, wenn ein zweimaliger Coronatest pro Woche für Erziehungs- und Lehrkräfte sowie alle Schüler:innen und betreuten Kinder nicht sichergestellt ist. Doch diese Passage wurde ersatzlos gestrichen. Auch auf die vom Kanzleramt anvisierten Schulschließungen ab einer 7-Tage-Inzidenz von 200 wollten sich die Ministerpräsident:innen nicht einlassen. Augen zu und durch – das ist offenkundig ihr Motto.
Nicht nur deshalb ist der Beschluss der Bund-Länder-Runde vor allem ein Dokument der Verantwortungslosigkeit. Da wird mit viel Wortgeklingel eine sehr ernste Lage beschrieben, die eine „strenge Eindämmung des Infektionsgeschehens“ notwendig mache – aber daraus folgt so gut wie nichts. Die vielbeschworene „Notbremse“ wird nur rhetorisch gezogen. Da heißt es beispielsweise, dass in Landkreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen „zusätzliche Maßnahmen“ ergriffen werden müssten. Dann folgt eine Aufzählung, was getan werden könnte – von der Tragepflicht medizinischer Masken für Beifahrer:innen im Auto bis hin zu verschärften Kontaktbeschränkungen. Verbindlich ist davon jedoch nichts.
Sicher, der Beschluss der Bund-Länder-Runde enthält auch Sinnvolles. Dass die Fluglinien verpflichtet werden sollen, ihre Passagiere vor dem Rückflug nach Deutschland zu testen, war allerdings längst überfällig. In anderen europäischen Ländern ist das bereits seit dem vergangenen Jahr Standard. In der Bundesrepublik bedurfte es dazu erst des „Mallorca-Schocks“. Doch wiegt das nicht auf, dass das Ergebnis der Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschef:innen der Länder insgesamt fatal dürftig ist. Und das liegt auch diesmal nicht an Angela Merkel.
Ja, Politiker:innen können gerade in Krisensituationen mal falsch liegen, weil es stets um heikle Abwägungen geht. Heute ist es keine Frage mehr, dass es weit weniger Infizierte und Tote in Deutschland gegeben hätte, wenn die Ministerpräsident:innen nicht aus Angst vor der öffentlichen Stimmung derart versagt hätten, als sie zunächst im Oktober nichts und dann im November vergangenen Jahres zu wenig getan haben – gegen Merkels Warnungen. Das Mindeste, was von Laschet und Schwesig, Kretschmer und Kretschmann, Müller und Ramelow und den anderen nun verlangt werden kann, ist, dass sie aus dem Desaster lernen. Der Verlauf und das Resultat ihres Treffens mit der Kanzlerin zeugen leider nicht davon.
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