Bittere Ergebnisse der neuen Pisa-Studie: Mehr Mut gegen die Mittelschicht
Die Ergebnisse sind stets miserabel, doch es bewegt sich nichts in Sachen Bildungsgerechtigkeit. Die Gründe: Fundamentalismus und Feigheit.
ber 20 Prozent der Jugendlichen können nach neun Jahren Schulzeit nur rudimentär lesen. Spitzenklasse ist Deutschland lediglich im Fach soziale Auslese: Das Schulsystem ist überdurchschnittlich ungerecht. Das waren die Ergebnisse der ersten Pisa-Studie. Sie lösten einen Schock aus. Es sind aber auch die Ergebnisse der aktuellen Pisa-Studie, die am Dienstag vorgestellt wurde. Sie lösen – ja was aus? Ratlosigkeit, Bedauern, aber kein Schuldbewusstsein.
Zumindest nicht bei den Kultusminister:innen der Länder, die seit 70 Jahren der Meinung sind, Schulpolitik sei bei ihnen in den besten Händen. Doch die Pisa-Studie belegt die Inkompetenz der Kultusminister:innen, an einem Strang zu ziehen und gemeinsam zu besseren Ergebnissen zu kommen. Die Studie zeigt, dass die deutsche Spezialität, nämlich gegliederte Schulsysteme, in denen Kinder vor der Pubertät auf „begabungsgerechte“ Schulformen aufgeteilt werden, gründlich gescheitert ist.
Dass sich trotz miserabler Ergebnisse so wenig bewegt, hat zwei Ursachen: Fundamentalismus und Feigheit. Zum einen haben die Länder die föderalistische Verfasstheit des Bildungssystems in den vergangenen Jahren orthodox ausgelegt und waren kaum bereit, untereinander und mit dem Bund zu kooperieren. Zum anderen zittern alle Parteien vor den bürgerlichen Wählern. Seit eine schwarz-grüne Koalition in Hamburg vor zehn Jahren damit gescheitert ist, die Grundschulzeit um zwei Jahre zu verlängern, hat es nie mehr einen politischen Versuch gegeben, die frühe Trennung der Kinder grundlegend aufzubrechen. Die akademische Mittelschicht hat das Gymnasium als Statussymbol und Refugium für den eigenen Nachwuchs erfolgreich verteidigt.
Wer das ändern will, muss sehr viel Geld investieren und Schulen und Schüler:innen in Brennpunkten endlich konsequent fördern. Sie brauchen die beste Ausstattung und die am besten ausgebildeten Lehrer:innen. Dazu ist vor allem sehr viel Mut erforderlich: Mut, sich mit den Bewahrer:innen des Status quo anzulegen.
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