Beobachtung der AfD: Radikalisierung dank Geheimdienst
Der Verfassungsschutz darf die AfD als Verdachtsfall einstufen. Das wird die Gemäßigten aus der Partei treiben.

D as rechtsextreme Personenpotenzial im nächsten Verfassungsschutzbericht wird sich nahezu verdoppeln. Weil das Bundesamt die AfD nun als sogenannten rechtsextremen Verdachtsfall einstufen darf, wird jedes der knapp 30.000 Parteimitglieder gezählt – und nicht nur jene, die zum offiziell aufgelösten „Flügel“ um Björn Höcke gehören sollen.
Lehnt man solche Einstufungen durch den Verfassungsschutz nicht grundsätzlich ab, lässt sich hier vor allem eines kritisieren: dass die Einstufung viel zu spät erfolgt ist. Seit Langem liegen, auch durch die Arbeit von antifaschistischen Initiativen und engagierten Journalist:innen, mannigfache Belege für die menschenverachtende und demokratiefeindliche Ideologie und Politik der AfD vor. Frühwarnsystem? Fehlanzeige.
Dennoch bleibt die Frage: Was bringt die Einstufung jenseits dessen, dass der Verfassungsschutz nun nachrichtendienstliche Mittel einsetzen darf? Wird der amtliche Stempel „Verdachtsfall rechtsextrem“ abschreckend wirken? Der Niedergang der rechten Republikaner war durch die Verfassungsschutzeinstufung deutlich beschleunigt worden.
Bei der AfD aber darf man darauf nicht hoffen. In Ostdeutschland, wo die Partei besonders stark und gut verankert ist, wird die Beobachtung nicht viel verändern. Die meisten Landesverbände sind hier bereits eingestuft, der Thüringer Landesverband um Höcke seit März 2021 sogar als „erwiesen rechtsextrem“, steht also auf einer Stufe mit den Neonazis von der NPD. In den Umfragen hat sich das für die AfD nicht negativ ausgewirkt.
Ohnehin hat die Anhängerschaft hier jede Radikalisierung mitgemacht. Die Partei wird hier eben nicht gewählt, obwohl sie demokratiefeindlich und menschenverachtend ist, sondern genau deshalb. Etwas anders könnte die Lage in den westdeutschen Bundesländern sein. Hier überwiegt noch die Sorge davor, in den Ruf zu kommen, rechtsextrem zu sein. Deshalb könnte die AfD hier Nationalkonservative verlieren.
Angst der Beamt:innen
Unter den Beamt:innen dürfte ihr Personal flöten gehen, weil dieses Angst um Jobs und Pensionen hat. Und möglicherweise wird nun der eine oder andere Spender aus Angst vor Kampagnen gegen sein Unternehmen zögern. Zu Fall wird das die AfD nicht bringen. Inzwischen ist ihre Stammwählerschaft dafür zu groß. Dieser setzen eher die internen Machtkämpfe und Auseinandersetzungen wie derzeit über das Verhältnis zu Russland zu.
Durch die Beobachtung wird die AfD vor allem jene verlieren, die sich innerhalb der Partei für gemäßigt halten. Das wird die Partei weiter radikalisieren. Geschieht das, sollte der Staat weniger zögerlich als bislang sein: Dann sollte auch ein Verbotsverfahren geprüft werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Nichtwähler*innen
Ohne Stimme