Belarussischer Oppositioneller: Festnahme nach Notlandung
Ein belarussischer Oppositioneller war auf dem Weg nach Vilnius, als der Flieger in Minsk notlanden musste. Die Opposition spricht von Kidnapping.
Die Piloten hätten um Landeerlaubnis in Minsk gebeten, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Belta. Das Flugzeug von Ryanair sei auf Befehl von Alexander Lukaschenko nach Bekanntwerden der Bombendrohung auf den Flughafen Minsk beordert worden, so Belta. Dabei sei es von einem Abfangjäger, einer MiG-29, eskortiert worden. Bei einer Durchsuchung des Flugzeuges habe sich der Verdacht einer Bombe an Bord indes nicht bestätigt.
Doch sofort nach der Notlandung wurde ein Passagier der Boeing 737-8AS, nämlich Roman Protasewitsch, verhaftet. Protasewitsch steht auf der Fahndungsliste der belarussischen Machthaber ganz oben. Im November hatte Belarus an die polnischen Behörden ein Auslieferungsgesuch übermittelt. Der belarussische KGB hat Protasewitsch als Terrorist eingestuft. Er wird des Aufrufs zu Massenunruhen beschuldigt.
Der Mitbegründer des oppositionellen Telegram-Kanals Nexta gehört zum Mitarbeiterstab der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Nexta hatte von Polen aus live über die Proteste in Belarus nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen vom 9. August berichtet. An den Ankündigungen von Nexta orientierte sich die Protestbewegung.
„Das Regime hat die Landung erzwungen“
Noch kurz vor dem Abflug in Athen hatte Protasewitsch Freunden berichtet, ein weiterer russisch sprechender Passagier habe sich vor dem Ticketschalter in merkwürdiger Weise für ihn interessiert und auch versucht, seinen Pass zu fotografieren, berichtet das belarussische Portal euroradio.fm.
Swetlana Tichanowskaja will nicht glauben, dass eine Bombendrohung das Flugzeug zur Landung genötigt habe. „Das Regime hat die Landung erzwungen, um den Journalisten und Aktivisten Roman Protasewitsch festzunehmen. Ihm droht die Todesstrafe. Wir fordern die sofortige Freilassung von Roman“ twitterte die Oppositionspolitikerin am Sonntag.
Empfohlener externer Inhalt
Gleichzeitig erklärte sie, sie erwarte sich von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation eine genaue Aufklärung des Vorfalles. Die Organisation müsste Maßnahmen ergreifen bis hin zu einem Ausschluss von Belarus. Tichanowskajas Mitarbeiter Franak Viačorka bezeichnete den Vorfall als Flugzeugentführung.
Unterdessen wurde bekannt, dass am Freitag ein Aktivist der oppositionellen „Belarussischen Volksfront“, Witold Aschurok, in der Haft an Herzversagen gestorben ist. Dessen Ehefrau, Olga Aschurok, will dieser Version jedoch nicht glauben. Ihr Mann, so zitiert sie das Portal belaruspartisan.by, habe nie Herzprobleme gehabt.
Witold Aschurok war im Januar diesen Jahres zu fünf Jahren verurteilt worden. Was ihm vorgeworfen wurde, ist nicht bekannt, da der Prozess hinter verschlossenen Türen stattfand. Aus der Haft hatte Aschurok mitgeteilt, dass Häftlinge, die der Protestbewegung zugerechnet werden, gelbe Aufnäher tragen müssten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los