Belarus, die Geflüchteten und die EU: Putins Werk, Lukaschenkos Beitrag

Was dieser Tage an der belarussisch-polnischen Grenze passiert, sorgt zu Recht für Empörung. Doch die Ursache sitzt in Moskau.

Präsident Lukaschenko und Präsident Putin schauen sich an.

Der Präsident und sein Vasall: Wladimir Putin (r.) mit Alexander Lukaschenko Foto: reuters

Alle Welt regt sich zu Recht über den belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko auf. Der Mann hat nicht nur sein eigenes Volk in Geiselhaft genommen, sondern benutzt jetzt auch wehrlose Geflüchtete, um einen Rachefeldzug gegen die Europäische Union zu führen.

Doch wer ist eigentlich Alexander Lukaschenko? Ein Vasall Russlands. Jeder weiß: Es bedürfte nur eines Fingerschnippens von Wladimir Putin und Lukaschenko wäre weg vom Fenster.

Deshalb muss sich dieser Tage der Blick vor allem nach Russland richten. Dort kann Putin die jüngsten Ereignisse mit Genugtuung betrachten, für ihn läuft alles nach Plan. Mit der Unterzeichnung eines 28-Punkte-Plans, gemeinsame Militärdoktrin inklusive, ist in der vergangenen Woche die seit Jahren von Moskau forcierte Eingemeindung des Nachbarn ein gutes Stück nähergerückt.

Doch es kommt noch besser: Die Präsenz von nur ein paar Tausend Geflüchteten hat die Schwachstellen in der Europäischen Union wieder einmal gnadenlos offengelegt. Ein Ausdruck dessen sind zwei Anrufe der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel in Moskau, in denen sie an Putin appelliert, auf Lukaschenko mäßigend einzuwirken. Ja, warum sollte er?

Hybrider Krieg gegen den Westen

Schließlich geht es nicht um ein paar geschundene Seelen, mit denen Putin vorgeblich genauso wenig zu tun hat wie mit den prorussischen Kämpfern in der Ostukraine. Nein, dies ist eine weitere Facette des langfristig angelegten hybriden Krieges mit dem Ziel, den Westen zu destabilisieren.

Leider könnte diese Strategie ein Stück weit aufgehen – dank Polen. Warschau rüstet massiv an der Grenze zu Belarus auf. Dorthin werden weder humanitäre Hilfe noch Jour­na­lis­t*in­nen durchgelassen, damit Menschenrechtsverletzungen wie Pushbacks möglichst nicht öffentlich werden. Genau das spielt dem Kreml in die Karten. Es ist doch nichts schöner, als den verrotteten Westen in eine Lage zu bringen, in der er seine eigenen Werte verrät.

Was das anbetrifft, hat Polen ja schon einiges auf der Habenseite – siehe der Konflikt mit Brüssel über die Justizreform. Die folgt dem Grundsatz: Autoritär durchregieren und dafür Grundsätze wie Gewaltenteilung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit über Bord werfen.

Was das in letzter Konsequenz bedeutet, kann Warschau jetzt vor der eigenen Haustür besichtigen. Was folgt daraus? Im besten Fall dämmert in Warschau langsam die Erkenntnis, den eigenen Kurs innerhalb der EU zu überdenken.

Europa darf sich nicht weiter auseinanderdividieren lassen. Zumal die nächste Attacke aus dem Osten, in welcher Form auch immer, folgen wird. Darauf braucht es Antworten. Eine davon ist Geschlossenheit. Eine Mauer zu bauen, ist es nicht.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

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