EU und Polen: Verschärfte Symbolik

Polen weigert sich, die Disziplinarkammer für Richter zu suspendieren. Der EuGH setzt deshalb finanzielle Daumenschrauben an.

Polens Regierungschef Morawiecki vor EU-Flagge. Er guckt kritisch.

Echt sauer über die Strafmaßnahme des EuGH: Polens Regierungschef Morawiecki Foto: Oliver Hoslet/ap

Polen muss Zwangsgelder bezahlen, weil es die rechtsstaatswidrige Disziplinarkammer am Obersten Gericht weiter arbeiten lässt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verlangt deshalb eine Million Euro – pro Tag. Zu zahlen, bis Polen eine Anordnung des EuGH vom April endlich akzeptiert und die Tätigkeit der Disziplinarkammer aussetzt.

Es geht hier nicht um Strafen für vergangenes Verhalten, sondern um Zwangsmittel, die den Zustand in der Zukunft verbessern sollen. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat nicht Unrecht, wenn er von „Erpressung“ spricht. Ja, es geht um Nötigung, aber um eine legale und legitime Nötigung.

Eine Million Euro pro Tag, das klingt wirklich nach Bazooka.

Nach einem Jahr würden sich die Zwangsgelder schon auf 365 Millionen Euro summieren. Doch was für eine Privatperson oder ein kleineres Unternehmen den schnellen Ruin bedeutet, ist für einen mittelgroßen Staat wie Polen kaum mehr als verschärfte Symbolik.

Zum Vergleich: Die EU-Kommission hält derzeit 24 Milliarden Euro Zuschüsse zurück, die Polen aus dem Corona-Aufbaufonds beansprucht. Dort geht es um Summen, die auch einem Staat wie Polen wehtun. Wenn die EU wegen der schwindenden Rechtstaatlichkeit echten finanziellen Druck auf Polen ausüben will, dann spielt die Musik eher dort.

Legitime Nötigung

Die Zwangsgelder im Verfahren wegen der Disziplinarkammer, das sind Größenordnungen, die eher die Bür­ge­r:in­nen beeindrucken. Aber sie sind deshalb nicht irrelevant. Denn letztlich kann die Lösung des Konflikts um die polnische Justiz nur aus Polen selbst kommen. Entweder wird die PiS-Partei abgewählt. Oder ihr Versuch, die polnische Justiz gleichzuschalten, wird so unpopulär, dass die PiS ihn freiwillig aufgibt, um nicht abgewählt zu werden.

Die jetzt verhängten Zwangsgelder unterstützen einen solchen atmosphärischen Wandel. Außerdem zeigt der EuGH dabei Flagge und legitimiert so zumindest indirekt das Zurückhalten der Milliarden aus dem Corona-Fonds. Entschlossene Reaktionen der EU ermuntern auch die noch unabhängigen Teile der polnischen Justiz, nicht aufzugeben.

Zu prüfen bleibt, ob Sanktionen nicht kontraproduktiv wirken. Doch bei einer grundsätzlich europafreundlichen Bevölkerung wie in Polen ist es besser, deutlich zu werden. Hasenfüßigkeit würde eher auf Unverständnis stoßen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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