Beginn der Corona-Impfungen: Keine Privilegien für Geimpfte!
Ob die Impfung nur Geimpfte schützt oder auch das Umfeld, ist unklar. Im letzteren Fall würde eine Unterscheidung Sinn ergeben, aber auch spalten.
E s ist immer eine lobenswerte Sache, wenn sich ein Bundesinnenminister um die Gleichbehandlung der Menschen sorgt. Horst Seehofers Warnung vor „Sonderrechten für Geimpfte“, ergangen pünktlich zum Start der Impfkampagne gegen Covid-19, ist allerdings nichts weiter als eine geschickt gezündete Nebelkerze.
Denn selbstverständlich kann ein Minister, auch wenn er von der CSU kommt, nicht einfach verbieten, wenn beispielsweise ein Hotelbesitzer auf die Idee verfällt, künftig nur noch Geimpfte in seinem Haus übernachten zu lassen. Dazu bräuchte es entweder eine Verordnung seitens der Bundesländer oder eines Bundesgesetzes. Das kann man machen. Dazu gesagt hat Horst Seehofer aber kein einziges Wort.
Es ist nicht zu erwarten, dass in den nächsten Wochen große Gruppen von über 80-Jährigen Einlass in die geschlossene Gastronomie begehren, weil sie nun geimpft sind. Ebenso wenig werden Restaurantbetreiber und Imbissbudenbesitzer demnächst auf den Gedanken verfallen, erst nach Vorlage eines Impfzeugnisses eine Currywurst abzugeben.
Einstweilen ist zwar klar, dass eine Impfung den Ausbruch der Krankheit verhindert. Unsicher aber bleibt, ob diese Personen auch nicht mehr infektiös sind, also niemanden mehr anstecken können. Nur im letzteren Fall würde es überhaupt Sinn ergeben, deutlich zwischen Geimpften und Ungeimpften zu unterscheiden, also den Geschützten besondere Privilegien im Alltag zuzubilligen, weil diese keine Gefahr mehr darstellen. Dies allerdings würde das Land tatsächlich spalten und käme einer Impfpflicht durch die Hintertür gleich.
Gesellschaftlich gäbe man damit all jenen recht, die seit Monaten von einer drohenden Impfpflicht und der Coronadiktatur faseln und Solidarität mit den Gefährdeten verweigern. Politisch wäre es ein Desaster, weil sofort und zu Recht der Vorwurf des „Wortbruchs“ in der Pandemie aufkommen würde. Es ist aber durchaus an der Zeit, sich schon jetzt Gedanken über dieses Thema zu machen. Nur sollte man sich vorab auch über die Grenzen von deutschen Verordnungen und Gesetzen im Klaren sein.
Wenn Thailand oder die USA beschließen, ihre Grenzen nicht für jeden ohne Impfnachweis offen zu halten, dann kann auch Horst Seehofer nur mit dem Fuß aufstampfen – etwas dagegen unternehmen kann er nicht. Absehbar allerdings ist schon jetzt, welche Leute dann als Erste dazu aufrufen werden, die bundesdeutschen Grenzen vor gefährlichen ungeimpften Ausländern zu schließen: Es wären die Impfskeptiker von rechts außen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter