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Bahnstrecke Berlin – Hamburg lahmgelegtBahnkunden büßen für Kapitalismus

Linksradikale haben in Hamburg Anschläge auf Bahnanlagen verübt. Das sei ein Protest gegen neokoloniale Ausbeutung.

Anschlagsziel: Duss-Terminal für den Bahnumschlag Foto: Jonas Walzberg/dpa

Hamburg taz | Mehrere Brandanschläge haben in der Nacht zu Freitag in Hamburg Bahnanlagen beschädigt. Infolgedessen fiel am Freitag ein großer Teil der Züge zwischen Hamburg und Berlin aus. In einem Bekennerschreiben auf der Internetseite Indymedia hieß es, die Anschläge seien gegen kapitalistische Infrastruktur gerichtet, die „neokolonialer Ausbeutung und erdzerstörendem Extraktivismus“ diene.

Die drei Brände in Kabelschächten an Bahnanlagen wurden zwischen 2.30 Uhr und 3.40 Uhr entdeckt. Laut dem Bekennerschreiben auf Indymedia wurden die Hafenbahn im Hamburger Süden, die Schienen des Duss-Terminals in Billwerder und die nördliche Güterumgehungsbahn sabotiert. „All diese stellen kritische Infrastruktur für den Umschlag von Schiff zu Schiene, Schiene zu Straße und die Weiterverteilung von Rohstoffen und Waren ins Aus- bzw. Hinterland dar“, lautet die Begründung.

In dem Text wird versichert, die Gruppe habe neuralgische Punkte des Güterverkehrs ausgewählt und sich auf Streckenabschnitte beschränkt, „die nicht für den Personenverkehr genutzt werden“.

Nach Einschätzung der Deutschen Bahn dürfte der Zugverkehr zwischen Hamburg und Berlin jedoch noch bis zum Samstag gestört sein. „Eine Wiederaufnahme des Verkehrs zwischen Hamburg und Berlin ist voraussichtlich erst im Laufe des Samstagmorgens wieder möglich“, teilte eine Bahnsprecherin am Freitag mit. Auch danach dürfte es noch etwas dauern, bis sich der Fernverkehr wieder vollständig eingeruckelt hat.

Solidarisch mit Mayas

Betroffen sind sowohl der Fern- als auch der Nahverkehr. Fernzüge werden der Bahn zufolge teilweise über Uelzen umgeleitet. Als Alternative seien auch Fahrten über Hannover möglich, wodurch sich die Fahrzeit allerdings deutlich verlängere. Elf Züge fielen bisher vollständig aus, 19 weitere zum Teil. Sie unterbrachen ihre Fahrt also erst unterwegs. Dutzende weitere Züge waren mit hohen Verspätungen unterwegs.

In Hamburg würden jährlich Millionen von Tonnen Waren und Rohstoffe umgeschlagen, die den Reichtum des globalen Nordens zuungunsten des sogenannten globalen Südens mehrten, heißt es in dem Bekennerschreiben. „Wir wollten hiermit eine reale Delle in diese Maschinerie setzen“, schreiben die Autoren. Sie zeigten sich auf diese Weise solidarisch „mit den von der industriellen Zerstörung betroffenen Gemeinschaften weltweit und denen, die für den Kampf gegen Kapitalismus und Staat hinter Gittern sitzen“.

Insbesondere schlössen sie sich dem Kampf gegen das Infrastrukturprojekt Tren Maya in Mexiko an, an dem neben anderen deutschen Unternehmen auch die Bahn beteiligt sei. Deren Infrastruktur sei daher ein „geeignetes Angriffsziel“. Mit dem „Mayazug“ sollen Touristen auf der Halbinsel Yucatán von karibischen Stränden zu präkolonialen Pyramiden fahren können.

Die Hamburger Polizei teilte mit: „Das Bekennerschreiben ist uns bekannt und wird selbstverständlich in die Ermittlungen mit einbezogen bzw. ist ja nun bereits Bestandteil davon.“ Aus Sicherheitskreisen hieß es außerdem, ob das Schreiben authentisch sei, stehe noch nicht fest. (mit Agenturmaterial von dpa)

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29 Kommentare

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  • In ihren früheren Aktionen gab es keine Unterscheidung zwischen Personenverkehr und Güterverkehr und eher Zivilisationskritik.



    Ihr Mittel der Unterbrechung führte zur Beschleunigung: die Passagiere rannten zu den Taxis, um noch zu dem geplanten Termin rechtzeitig zu kommen. = zivilisationskritische Entschleunigung.



    auf der indymedia-Seite wird fast nur Kritik geäußert.

    • @Land of plenty:

      "auf der indymedia-Seite wird fast nur Kritik geäußert."

      STABIL.

      Ich mein, was soll das für eine Aktion gewesen sein? Antikolonialismus sponsored by FDP & CSU?

  • Achja...



    Linke sind halt pflegeleicht, zumindest aus Sicht der Rechten. Da brauxh man gar keine false flag Operationen, die zerlegen such selbst.

  • Wenn es das Ziel war auf den Widerstand gegen das Großbauprojekt "Tren Maya" aufmerksam zu machen in DE, dann wurde das Ziel erreicht.

  • Der Titel ist eine arge Verdrehung.

    Bahnkunden büßen für eine verquere Idee von Aktivisten, die am falschen Ort meinen ein Zeichen setzen zu müssen.

    Wenn es gegen eine reine Güterstrecke hätte gehen sollen,wäre es wohl machbar gewesen, das an anderer Stelle zu machen.



    Aber es ist ja so viel geiler und mit mehr Aufmerksamkeit verbunden, wenn es auch andere betrifft. Sorry, kein Applaus für Scheiße und Gernegroße.

  • ...so ein Hitnriss - die Saboteure wollen gegen den Kapitalismus vorgehen und zerstören Eigentum von uns allen - da die Aktien ausschließlich von unserem Staat gehalten werden - also von uns Bürgern und Wählern, denn wir sind der Staat...und letztendlich schaden die Saboteure sich somit auch selbst - geht's noch Aua'a...)))



    Da können sich die Saboteure doch gleich selbst eins in die Fre..e hauen

  • Na die Damen und Herren haben sich an den Aktionen der letzten Generation ein Beispiel genommen. Richte deine Aktionen gegen Personen, die keine Entscheidungsgewalt haben und auch mit dem Problem, gegen das vorgegangne wird, in möglichst geringem Zusammenhang stehen. Läuft!

    • @BluesBrothers:

      Also, da der letzen Generation die Schuld zu geben ist schon gewagt. Spinner die aus "Solidarität" Kabelbrücken oder andere Bahninfrastruktur abfackeln gibt's schon ein paar Jahre länger.

  • Leider wurden auf indymedia (mal wieder) alle dazugehörigen Kommentare gelöscht.

    Wenn indymedia sich pluralistisch gibt, dürfen Kommentare nicht gelöscht werden.

    Es sei denn, es handelt sich um sexistische, mitte- bis rechtsextreme Inhalte oder um Spam.

  • "In dem Text wird versichert, die Gruppe habe neuralgische Punkte des Güterverkehrs ausgewählt und sich auf Streckenabschnitte beschränkt, „die nicht für den Personenverkehr genutzt werden""



    Das hat ja super geklappt...



    Bravo. Ganz großes Kino.

  • Möglicherweise gibt es ein Universum, in dem die Brandanschläge auf das einzige klimafreundliche und nachhaltige Verkehrsmittel und die damit verbundenen, unsolidarischen Beeinträchtigungen für BahnkundInnen Sinn machen. Unseres ist es sicher nicht.

  • Da hat jemand den Ruf der Zeit aber komplett verpasst.

    Als gäbe es keine Klimaerhitzung.

  • Bahnkunden büßen nicht für den Kapitalismus, sondern leiden – Entschuldigung –, weil ein paar [piep] ihre Vorstellung von Politik statt auf demokratischem Weg mit Brandbeschleuniger ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen wollen.



    Wie lautet noch das Fremdwort für gegen die Gesellschaft gerichtetes Verhalten und auch die dahinter stehende Grundhaltung?

  • Was waren denn das für Leuchten,

    die deutsche Bahn sabotieren wegen eines Tourismusprojekts in Mexiko ?

    Wenn man Sie schnappt, bitte Einweisung in die Geschlossene und dann den Schlüssel wegwerfen.

  • Bahnkundinnen büßen nicht für Kapitalismus, sondern für irgendeine wirre "linke" Verblendung.

  • Schwachsinnige Idioten. Von allen Transportmitteln gerade das auswählen, welches ökologisch am sinnvollsten ist.

  • das scheinen ja ganz besonders helle Kerzen auf der Torte zu sein... ein Ego wie ein Heißluftballon, wenn da bloß mal kein Funke ran kommt....

  • Einen Kausalzusammenhang zwischen Kapitalismus und der Einschränkungen bei der Bahn gibt es nicht. Die Überschrift müsste richtigerweise lauten "Linksextremisten legen den Bahnverkehr lahm".

  • (vorausgesetzt das Schreiben ist echt): Hä? Also aus Protest gegen den ressourcenverschlingenden Kapitalismus beschädigt man die einzige Möglichkeit in Deutschland halbwegs ressourcenschonend größere Strecken zurückzulegen?!? Wtf...

    • @~Toni~:

      Mal wieder eine völlig nachvollziehbare Aktion der radikalen Linken, so erobert man Herzen und Köpfe des Volkes, oh Mann...

      • @Bambus05:

        wohl eher das Werk einiger selbstverliebter Egomanen, die meinen der Weltenlauf ließe sich durch so etwas beeinflussen... von den kruden Gedankenvernetzungen von Kolonialismus auf die Bahnstrecke Bln-HH zu kommen ganz zus schweigen.



        Das Werk von Menschen die die Welt aus Egoshooterperspektive betrachten, ich der Held der Retter der Welt...

        • @nutzer:

          Ja, und dabei verweigert man die schwierige, zähe politische Arbeit und tobt sich lieber an Bahnanlagen aus. Man änder zwar nicht, streichelt aber das eigene Ego.

    • @~Toni~:

      Deutsche halt.

      LOWANDORDER würde sagen: da määtste nix.

  • Man kann nur hoffen, dass alle beteiligten Personen schnell verhaftet und den Gerichten überführt werden.

  • Es gibt weiter oben einen Artikel, der über die Krise der Linken rätselt. Here's why.

  • Das ist doch reine Zerstoerungswut und als Schutzbehauptung greift man zu Kapitalismus, Kolonialismus, Klima etc. Keine dieser Aktionen dient der angeblichen Sache.

    Was kommt als naechstes? Krankenhaeuser blockieren, weil die Pharmafirmen die Patente net rausruecken?

  • Guter Kommentar, Zitat:

    "Wenn das ernst gemeint sein sollte, läuft das auf finsterste Verelednungsstrategien autoritärer "Kommunisten" hinaus.

    Früher hätte ich noch spekuliert, ob das eine False Flag Aktion von Rechten oder der Zersetzungsabteilung des Staatsschutzes ist, aber leider wissen wir inzwischen, dass es solche Hohlbirnen wie euch tatsächlich gibt: Wohlstrandsverwöhnte Kids, die gerne radical chic posern, sich noch nie mit den Mitlitanzdiskussionen der letzten Jahrzehnte auseinandergesetzt haben und deren systemkritische "Analyse" nur eine oberflächliche (wenn auch richtige) Beschreibung eines klitzekleinen Aspekts der kapitalistischen Produktion ist, OHNE irgendein Bewusstsein für tieferliegende Zusammenhänge."

  • Und die kamen sich wahrscheinlich wirklich noch wahnsinnig schlau und edel vor…

  • Man hat die Auswahl zwischen dem Stören des Schiffs-, Schienen- und KFZ-Verkehrs. Man entscheidet sich für die Schiene.

    Deutscher geht's echt nicht.