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BSW-Landesparteitag in ThüringenIns Knie geschossen

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Wagenknecht hat in Gera eine herbe Niederlage einstecken müssen. Der tiefere Grund ihrer jüngsten Misserfolge ist ihr autoritärer Führungsstil.

Katja Wolf hat sich gegen den Willen von Sahra Wagenknecht durchgesetzt Foto: dpa

G anz offen wollte Wagenknecht ihre bisherige Landeschefin in Thüringen abstrafen und durch bravere Gefolgsleute ersetzen. Doch die Mehrheit des Landesverbands hat ihr auf dem Parteitag in Gera die Gefolgschaft verweigert und Katja Wolf im Amt bestätigt. Mit ihrem autoritären Vorgehen hatte sich Wagenknecht ins Knie geschossen, es hatte sogar manche treue Fans abgeschreckt und gegen sie aufgebracht.

Ihre Niederlage zeigt, wie sich die Gewichte in der noch jungen Partei verschoben haben. Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat den Einzug in den Bundestag knapp verpasst, seine bisher zehn Abgeordneten mussten ihre Stühle räumen.

Im Europaparlament und in drei Landtagen verfügt das BSW inzwischen aber über Sitze und Personal. Und weil der Erfolg im Bund ausgeblieben ist, brechen die Konflikte über den künftigen Kurs nun offen aus.

Es ist absurd, Wolf dafür verantwortlich zu machen und zum Sündenbock zu stempeln, wie es Wagenknecht und ihr Umfeld tun. Denn das Problem reicht tiefer. Das BSW ist eine Protestpartei, aber an zwei Landesregierungen beteiligt. Das führt zwangsläufig zu Enttäuschungen. Partei- und Ministerämter künftig zu trennen, wie es Wagenknecht will, mag sinnvoll sein, löst aber das eigentliche Problem nicht.

Zu restriktive Mitgliederaufnahme

Mit seiner restriktiven Mitgliederaufnahme hat sich das BSW außerdem geschadet. Wagenknecht besteht darauf, dass allein der Bundesvorstand entscheidet, wer Mitglied werden darf.

Viele BSW-Unterstützer, die bisher kein Mitglied werden durften, fühlen sich dadurch vor den Kopf gestoßen. Das hat das BSW bei der Wahl möglicherweise entscheidende Stimmen gekostet. Wolf dagegen will, dass die Landesverbände selbst entscheiden, wer bei ihnen Mitglied werden darf. Diesen Konflikt würde es auch ohne sie geben.

Ob Wagenknecht das einsieht oder beleidigt hinwirft, das ist eine andere Frage. Doch nur mit ihr hat das BSW etwa bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern eine Chance – und damit eine Zukunft.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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12 Kommentare

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  • In der Linkspartei gab es Querelen, tagein, tagaus. Kaum ist SW draußen gibt es Querelen bei dem BSW und bei der Linkspartei Friede, Freude, Eierkuchen.

  • 1. Trennung von Amt und Mandat ist sinnvoll. Davon sind auch in Thüringen nun 50% geschafft.



    2. Es scheint den Medien wohl viel Spaß zu bereiten sich auf Wagenknecht einzuschießen. Nur mit Platzpatronen erzielt man keine Treffer.

    • @Pico :

      Ich habe den Eindruck, die Medien müssen da gar nicht viel machen. Die (Eigen-)Treffer erzielt die Sahra ganz allein...

    • @Pico :

      1. In einer demokratischen Partei ist "Sahra. Hat. Recht." kein schlagendes Argument. In Thüringen sehen sie es anders, und Wolfs Argument, dass sie in der Regierung mit zwei Parteivorsitzenden am Tisch sitzt und da auch ihr Gewicht nicht nur als Amtsträgerin sondern auch als Landesparteichefin gut zur Geltung bringen kann, hat auch was für sich. Davon abgesehen dürfte wohl klar sein, dass dieser "Trennung von Amt und Mandat"-Narrativ nur vorgeschoben war. In Wirklichkeit ging es darum, Wolf zu entmachten. Da sollte man sich nichts vorheucheln.

      2. Wagenknecht bedient eine Klientel, der ihr autoritärer Führungsstil offenbar gefällt und die ihr ihre Eitelkeit gerne zugesteht. AUSSERHALB dieser Klientel liefern die Absolutheit ihres Führungsanspruchs, ihr (außen)politisches Irrlichtern und ihre letztliche Unfähigkeit, in einem demokratischen Umfeld (das auch Mehrheiten jenseits ihrer Meinung kennt und Kompromisse erfordert) konstruktiv Politik zu machen, schon eine Menge Angriffsfläche. Sie wirkt wirklich wie eine altsozialistische, moskautreue Möchtegern-Diktatorin. Da brauchen Sie sich nicht einzureden, dass dieses Bild nur in den Medien produziert würde. Das gibt sie selbst ab.

      • @Normalo:

        Ja, sehe ich auch so.

  • Die Historie ihrer vier Parteimitgliedschaften lehrt:



    Wagenknecht war noch nie die Lösung, aber immer das Problem.

    Der autokratische Führungsanspruch der Sara Sahra Wagenknecht stößt nun an seine demokratischen Grenzen.

    Ihre üblichen Optionen der Spaltung oder Neugründung einer Partei sind ausgeschöpft.

    Es bleibt der Eindruck, dass außer Populismus und realitätsferne Anbiederung an Putin, der Bundesverband in seiner Neumitgliedern gegenüber undemokratisch verschlossenen Haltung nicht die Kontrolle ausüben kann, die Wagenknecht in ihrer politischen Herkunft einer SED wohl übertragen möchte auf demokratische Strukturen.

    Ein Rücktritt aus sämtlichen politischen Bühnen wäre die einzige Konsequenz in Anerkennung der von ihr allein zu verantwortenden desaströsen Ergebnisse von Bundestagswahl und Gera.

    Der Führungsanspruch Wagenknechts ist somit zum Selbstzweck des Machterhalts geworden und sie belastet die Partei. Das BSW hat ausgedient unter dem Titel der Namensgeberin, könnte aber den Fortbestand durch Emanzipation von ihr nach Umbenennung sichern.



    Dann - und nur dann - wäre die Einbettung der Partei in eine demokratische Landschaft noch möglich.

  • In Hamburg haben STATT-Partei und später Schill- Partei von der Prominenz ihres Vorsitzenden gelebt. Dessen Nimbus hat sich abgenutzt, ein Teil der zu Recht aufgezeigten Probleme wurde gelöst, die Hinterbänkler wollten sich nicht bevormunden lassen. Tja, der Nimbus von Frau Wagenknecht ist größer als von Markus Wegner oder Roland Schill. Aber das Verfahren ist ähnlich.

  • Bei aller berechtigten Kritik an den Defiziten des BSW: die Einseitigkeit mit der nicht nur hier für Wolf Partei ergriffen wird, stört mich. Das BSW wurde nicht zuletzt als Gegenentwurf zu einer allzu zahmen Regierungslinken gegründet. Man kann den Ärger Wagenknechts darüber, dass ihre eigene Partei schon am Anfang ihrer Existenz in die selbe Richtung gedrängt wird (noch dazu von einer Lokalpolitikerin, deren Wechsel zum damals erfolgversprechenderen BSW nicht ganz unopportunistisch war) durchaus verstehen. Für diejenigen, die Opposition für Populismus halten und Prinzipientreue für autoritär, gibt es ja bereits mehrere andere Parteien. Diejenigen, die Wolf zujubeln, sollten aber überlegen, ob es klug ist, dass Aufbegehren gegen den Status quo Weidel und Anhang zu überlassen.

    • @O.F.:

      Prinzipientreue ist schön und gut, wenn sie nicht nur auf zwei Beinen (und meist im roten Kostüm) daherkommt und schlicht keinen Widerspruch ertagen kann. Für Diejenigen, die glauben, Parteien sollten autoritär von einer alles bestimmenden Lichtgestalt und deren innerer Clique geführt werden, gibt es außerhalb Deutschlands genügend Länder mit weniger konsequent demokratischen Verfassungen. ;-)

  • Wie der Hobbygärtner weiß: Gera? Nie!

    Sahra Wagenknecht wird ansonsten wohl irgendwann ihre Eine-Frau-Partei konsequent leben, so klug sie eigentlich sein könnte. Das Projekt einer Partei, die sozial ist, Abstand von den USA hat und dies (leider) ohne internationale Solidarität versucht, dürfte wieder einmal ad acta gelegt sein, wenn Wagenknecht so weitermacht wie gerade.

  • Sahra Wagenknecht hat nicht die Persönlichkeit eine demokratische Partei zu führen, weil sie selber glaubt genau zu wissen, was richtig und was falsch ist, was Wahrheit ist und was keine Wahrheit ist.

    Wenn jemand einer anderen Meinung ist, dann ist das für sie nicht ein Anlass nachzudenken, sondern es löst bei ihr den Impuls aus diese andere Person zu bekämpfen, weil sie vollkommen davon überzeugt ist, dass ihre Sicht der Dinge und ihre Sicht der Welt ohnehin richtig sind.

    Die Idee von demokratischer Politik also der Ausgleich, der Kompromiss, dass wechseln auch der eigenen Meinung, dass Schmieden von Bündnissen auch mit den Leuten, mit denen man nicht einverstanden ist, dass hineinversetzen in die Gefühlslage von anderen, das verstehen wollen von denjenigen, die man vielleicht noch überzeugen will etc.

    Das liegt ihr fern und das beherrscht sie schlicht und einfach auch nicht

  • Was haben BSW und die ehemaligen Republikaner gemeinsam?



    Sie zerfleischen sich durch innere Machtkämpfe von ganz alleine. Bald wird es auch die BSW nicht mehr geben. Und das ist gut so.