Europawahlen und die progressive Szene: Moralische Defizite

Die AfD kann bei den Europawahlen auf große Erfolge verweisen. An dieser Stelle hat die sich als progressiv verstehende Szene kläglich versagt.

Alice Weidel und Tino Chrupalla, beide AfD-Bundesvorsitzende, jubeln bei einer Wahlparty.

Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla bei der Wahlparty am 9. Juni Foto: Jörg Carstensen/dpa

Nach dem Durchmarsch der AfD bei der Europawahl brodelt im links-progressiven Lager der Unmut. Mit knapp 15,9 Prozent ist die vom Verfassungsschutz beobachtete Partei zweitstärkste Kraft geworden. Angesichts der herben Verluste bei der Ampelkoalition pocht die siegreiche Union schon auf Neuwahlen.

So mehren sich in der Echokammer der Wokeness die Stimmen, die ein Verbot der AfD fordern. Verbotsverfahren aber ziehen sich in die Länge, wie die 2003 und 2017 gescheiterten Anträge gegen die NPD zeigen. Der Aufruf kommt wie ein Armutszeugnis daher, als könnte man damit die Realität der Wahlschlappe aus den Angeln heben und die woke Weltanschauung per Dekret zur alleinigen Wahrheit erklären.

Fakt ist, der EU-Wahlausgang entlarvt die moralischen Defizite des Wokismus. Wer gegen Nazis ist, sollte sich gegen Antisemitismus positionieren. Hier in der Heimat des Holocaust wäre das zu erwarten. Aber da hat der Wokismus kläglich versagt. Links-Progressive liebäugeln mit einem terroristischen Failed State und dämonisieren zugleich die einzige Demokratie des Nahen Ostens. Woke legen mehr Wert auf die Unantastbarkeit „israelkritischer“ Zeltlager an Unis als auf die körperliche Unversehrtheit derjenigen, die keine Kufiyas, sondern Kippas tragen.

Einige, die gegen Nazis demonstrieren und einen Davidstern tragen, werden von anderen Teilnehmenden wüst beschimpft. Wer im Wahlkampf die innere Sicherheit thematisiert, wird automatisch als islamophob abgestempelt. Geraldine Rauch, die Präsidentin der TU Berlin, die judenfeindliche Karikaturen gelikt hat, klebt an ihrem Sessel und erfährt große Resonanz in der woken Community. Ein pietätloser Witz über den in Mannheim ermordeten Polizisten Rouven L. sorgt für Lachen in der Fraktion der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.

Solche „Einzelfälle“ werfen Fragen zu den Handlungsmaximen des Wokismus auf und machen eine kritische Betrachtung seiner gesellschaftspolitischen Rolle notwendig.

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Michaela Dudley (Jg. 1961), eine Berliner Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln, bezeichnet sich als „Frau ohne Menstruationshintergrund, aber mit Herzblut, in der Regel“. So lautet ihr Signatur-Lied, und so kennt man sie als wortgewandte taz-Kolumnistin. Sie ist Kabarettistin, Filmschauspielerin, Keynote-Rednerin, Journalistin und gelernte Juristin (Juris Dr., US). Ihr 2022 veröffentlichtes Buch RACE RELATIONS: ESSAYS ÜBER RASSISMUS (2. Aufl. 2024), das als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus reüssiert, erklärt: „Die Entmenschlichung fängt mit dem Word an, die Emanzipierung aber auch“. Ebenfalls 2022 erschien ihr Essay „Weimar 2.0: Reflexionen zwischen Regenbogen und Rosa Winkel“ in dem vom NS-Dokumentationszentrum München und Hirmer-Verlag herausgegebenen Buch TO BE SEEN: QUEER LIVES 1900 – 1950. Die LGBTQ_Aktivistin ist auch Stammkolumnistin bei der „Siegessäule“ und Gastredakteurin beim „Tagesspiegel/Queerspiegel“. Auf der Frankfurter Buchmesse 2023 als eine von 75 erlesenen Story-Teller:innen auf dem Paulsplatz mit einem symbolischen Klappstuhl ausgezeichnet. Neben Deutsch und Englisch spricht sie Italienisch, Latein und Hebräisch. Zudem Sie arbeitet sie mit dem Goethe-Institut zusammen. Gelobt wird sie überdies für ihren Auftritt im Spielfilm GESCHLECHTERKAMPF: DAS ENDE DES PATRIARCHATS (2023). In der neo-dokumentarischen Berliner Satire spielt sie sich selbst, und zwar in einer von ihr geschriebenen Szene. Auf dem 37. Braunschweiger Filmfest diente sie als Jurymitglied der Sektion „Echt“ für queere Filme. Von 2018 bis 2022 war sie eine offizielle Übersetzerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) für das Pressebüro und die Sektion Generation. 2019 agierte sie als Gastmoderatorin bei der Live-Übertragung von Berlin Pride (CSD) im RBB-Fernsehen. Regelmäßig erscheint sie in der „Kulturzeit“ (3Sat/ZDF). Im Aufklärungsvideo HAB’ ICH WAS GEGEN (2023) der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (44 Millionen Klicks) und in einem Beitrag für „ttt – titel, thesen, temperamente“ über das Selbstbestimmungsgesetz (110.00 Klicks in 24 Stunden) tritt sie auf. Als Impulsgeberin in puncto Diversity hielt sie Keynote-Reden bei der Deutschen Bahn, der Führungsakademie der Bundesagentur für Arbeit, dem DGB und im geschichtsträchtigen Schöneberger Rathaus. Oktober 2023 in der Arena Berlin moderierte sie für Funke-Medien eine brandaktuelle Diskussion über Antisemitismus und Rechtsextremismus. Ihr Solo-Kabarettprogramm EINE EINGEFLEISCHT VEGANE DOMINA ZIEHT VOM LEDER ist eine „sado-maßlose“ Sozialsatire mit eigenen musikalischen Kompositionen. Ihre diversen Auftrittsorte umfassen die Volksbühne, das SchwuZ, und die BKA (Berliner Kabarett-Anstalt.)

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