Europawahlen und die progressive Szene: Moralische Defizite
Die AfD kann bei den Europawahlen auf große Erfolge verweisen. An dieser Stelle hat die sich als progressiv verstehende Szene kläglich versagt.

N ach dem Durchmarsch der AfD bei der Europawahl brodelt im links-progressiven Lager der Unmut. Mit knapp 15,9 Prozent ist die vom Verfassungsschutz beobachtete Partei zweitstärkste Kraft geworden. Angesichts der herben Verluste bei der Ampelkoalition pocht die siegreiche Union schon auf Neuwahlen.
So mehren sich in der Echokammer der Wokeness die Stimmen, die ein Verbot der AfD fordern. Verbotsverfahren aber ziehen sich in die Länge, wie die 2003 und 2017 gescheiterten Anträge gegen die NPD zeigen. Der Aufruf kommt wie ein Armutszeugnis daher, als könnte man damit die Realität der Wahlschlappe aus den Angeln heben und die woke Weltanschauung per Dekret zur alleinigen Wahrheit erklären.
Fakt ist, der EU-Wahlausgang entlarvt die moralischen Defizite des Wokismus. Wer gegen Nazis ist, sollte sich gegen Antisemitismus positionieren. Hier in der Heimat des Holocaust wäre das zu erwarten. Aber da hat der Wokismus kläglich versagt. Links-Progressive liebäugeln mit einem terroristischen Failed State und dämonisieren zugleich die einzige Demokratie des Nahen Ostens. Woke legen mehr Wert auf die Unantastbarkeit „israelkritischer“ Zeltlager an Unis als auf die körperliche Unversehrtheit derjenigen, die keine Kufiyas, sondern Kippas tragen.
Einige, die gegen Nazis demonstrieren und einen Davidstern tragen, werden von anderen Teilnehmenden wüst beschimpft. Wer im Wahlkampf die innere Sicherheit thematisiert, wird automatisch als islamophob abgestempelt. Geraldine Rauch, die Präsidentin der TU Berlin, die judenfeindliche Karikaturen gelikt hat, klebt an ihrem Sessel und erfährt große Resonanz in der woken Community. Ein pietätloser Witz über den in Mannheim ermordeten Polizisten Rouven L. sorgt für Lachen in der Fraktion der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.
Solche „Einzelfälle“ werfen Fragen zu den Handlungsmaximen des Wokismus auf und machen eine kritische Betrachtung seiner gesellschaftspolitischen Rolle notwendig.
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