Grüne Außenministerin in Fidschi: Und zwischendurch der Weltuntergang
Annalena Baerbock will mit Geopolitik das Klima retten – und umgekehrt. Unterwegs mit einer Ministerin, der keine Zeit mehr bleibt.
D ie Ministerin will es jetzt genau wissen. „Wo war früher der Fluss? Da drüben?“ Annalena Baerbock nimmt die laminierte Karte und blickt durch den Regen über die Hütten von Vuniniodrovo. Ihre Delegation hat sich in Autos und Kleinbussen in dieses kleine Dorf eine Autostunde von Suva, der Hauptstadt der Inselrepublik Fidschi, vorgekämpft: durch tropfnassen Wald voller Bambus, Kokospalmen und Riesenbäumen auf steilen Asphaltstraßen und bröckelnden Schotterpisten. Und ihr Besuch Anfang Mai hat genau damit zu tun, dass der Fluss Waimanu nicht mehr da drüben ist, sondern immer näher kommt und dem Dorf den Boden abgräbt.
Die deutsche Außenministerin, zuständig auch für internationale Klimapolitik, besichtigt in Fidschi einen Ort, wo die Klimakrise vor der Haustür nicht Halt macht. Mehr Regen im Ostteil der Insel füllt den Fluss mit schlammig-braunem Wasser, ein höherer Meeresspiegel staut den Wasserlauf von der Küste her. Geld für Gegenmaßnahmen haben die Einwohner von Vuniniodrovo nicht. Ihnen bleibt nur der langsame Rückzug, wenn die Strömung an ihren Gärten, Wegen und Häusern nagt. 42 Siedlungen in Fidschi haben bisher einen Antrag auf Umsiedlung gestellt. Die Regierung rechnet damit, dass sie langfristig für ein Fünftel der Bevölkerung, für 200.000 Menschen, neue Siedlungen braucht.
Fidschi braucht Hilfe. Und Annalena Baerbock sagt diese Hilfe bei ihrem Besuch am Montag vergangener Woche zu. Die Außenministerin hat sich eine ganze Woche lang aus ihrem hektischen Tagesgeschäft rund um Gazakrieg und Ukrainekrise verabschiedet (wenn man die nächtlichen Telefonate einmal ausklammert) und sich auf den sehr langen Weg nach Australien, Neuseeland und Fidschi gemacht. Denn Deutschland, so sieht es die Ministerin, braucht auch seine „Wertepartner“ im Pazifik. Deutschland will sie nicht allein lassen gegenüber dem wachsenden Einfluss Chinas, das in der Region ein dichtes Netz an Beziehungen und Abhängigkeiten aufbaut. Deswegen, so Baerbocks Argument, sind Verbündete gleich doppelt wichtig: um einerseits China einzudämmen und die schlimmsten Folgen der Klimakrise andererseits.
Das vollgepackte Programm der Ministerin sieht aus, als sei es von den Ressorts Entwicklung, Wissenschaft und Verteidigung zugleich organisiert worden: Forschung zu Cyberattacken und Antarktis, Rückgabe von Kunstschätzen an Indigene, Frauenfußball, Blauhelme, Marinewerft, Gespräche mit Studierenden. Wo bleibt da jetzt noch mal die Geopolitik? Überall, sagt Baerbock: „Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für die Sicherheit im 21.Jahrhundert, das sagen mir auch viele Entwicklungsländer.“ Da sei das Riesenthema Migration, das auch durch die Klimakrise beeinflusst wird. Da seien die Ziele der russischen und chinesischen Antarktisforschung. Da sei natürlich die Debatte um finanzielle Hilfen, damit Inselstaaten mit Überschwemmungen und Sturmschäden fertig werden können. Dazu kämen Angriffe auf die innere Sicherheit, wie russische Cyberattacken. Gleich zu Beginn ihrer Reise ereilte Baerbock die Nachricht, dass die Bundesregierung russische Hacker für einen Angriff auf E-Mail-Konten von SPD-PolitikerInnen im Juni 2023 verantwortlich macht. Baerbock, aus dem fernen Adelaide, kündigt Konsequenzen an.
Hunderte von führenden Klima-Expert*innen glauben, dass das Pariser Klimaabkommen nicht mehr zu halten ist. Wie eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage der britischen Zeitung Guardian unter 380 Klimawissenschaftler*innen ergab, glauben 80 Prozent von ihnen, dass sich die Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um mindestens 2,5 Grad Celsius erwärmen wird. Im Pariser Abkommen von 2015 war beschlossen worden, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Nur 6 Prozent der Expert*innen, allesamt Mitglieder im wichtigsten UN-Umweltgremium, dem Weltklimarat IPCC, halten das 1,5-Grad-Ziel weiterhin für erfüllbar. 50 Prozent der Expert*innen halten sogar einen Temperaturanstieg von 3 Grad Celsius für wahrscheinlich.
Politischen Unwillen, die Klimakrise ernsthaft anzugehen, und die mächtigen Interessen der fossilen Lobby sieht eine Mehrheit der Befragten als die hauptsächlichen Gründe für ihre pessimistische Einstellung zur Zukunft der Welt. Ebenso die Schere zwischen Arm und Reich und den mangelnden Einsatz für den Globalen Süden seitens der reicheren Länder. „Ich bin überzeugt, dass wir alle Lösungen haben für den 1,5-Grad-Pfad und dass wir sie in den kommenden 20 Jahren einsetzen werden“, sagte etwa Henry Neufeldt vom Kopenhagener Klima Zentrum. Allerdings sei zu befürchten, dass die Bemühungen zu spät kämen.
Den größeren Zusammenhang von Außen- und Klimapolitik hat Baerbocks Ministerium vor einem halben Jahr in der „Klimaaußenpolitikstrategie“ der Bundesregierung zusammengefasst. Als Ergänzung zur Sicherheits- und Chinastrategie lautet die Idee dahinter: Die Klimakrise bedroht die Stabilität der Staaten und der internationalen Ordnung. Gleichzeitig nutzen Staaten wie Russland ihre Position als Lieferanten von klimaschädlichem Öl und Gas, um die internationalen Regeln zu brechen und Kriege zu führen. Die weltweite Energiewende ist daher nicht nur ökologisch und ökonomisch geboten, sondern verschiebt auch die geopolitischen Gewichte hin zu mehr Unabhängigkeit und Sicherheit für alle. Baerbocks Motto ist deshalb: „Klimapolitik ist Geopolitik. Und Geopolitik ist Klimapolitik.“
Vor Ort, in Suva, schrumpft die große Weltpolitik allerdings zunächst auf ein etwas bedrückendes Alltagspanorama. Bei schwüler Hitze von 30 Grad fällt aus einem grauen Himmel rund um die Uhr warmer Regen. Neben gesichtslosen Stahl- und Glasblöcken, Tankstellen und Supermärkten faulen flache Holzhäuschen in der feuchten Wärme. Große Pfützen stehen auf den Hauptstraßen, vor der Küste liegen Fischkutter mit rostigen Rümpfen. Suvas Strand ist betoniert, das Wasser ist zu dreckig zum Baden, die Insel hat ein Alkohol- und Drogenproblem. Nichts zu sehen vom tropischen Inselglück mit weißem Sandstrand und blauem Himmel, das man auf anderen Inseln von Fidschi wohl findet. Die Männer, die in der schwülen Hitze die traditionellen knielangen Röcke tragen, erfüllen vielleicht noch am ehesten ein romantisches Südseeklischee, das man sich als Besucher erwarten mag.
Allerdings ist der Pazifik nicht nur ein Hotspot für Klimaschäden, sondern auch Vorreiter in der Klimapolitik. Auf Druck der Inselstaaten gelangte das 1,5-Grad-Ziel ins Pariser Klimaabkommen. Zwischen dem vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Inselstaat Tuvalu und Australien wurde zudem das erste Abkommen über die Aufnahme von Klima-MigrantInnen geschlossen.
Nur hier, im Pazifik, sitzen der drittgrößte Kohleexporteur der Welt, Australien, und die verwundbarsten Länder in einem Gremium, dem Pacific Island Forum, zusammen: Auf einer Anhöhe von Suva residiert das PIF in einem großen, dunklen Holzhaus mit spitzem Dach und großflächigen Malereien der Indigenen, umgeben von einem Palmengarten. Baerbock trifft sich mit dem Regionalgremium der 14 pazifischen Länder plus Australien und Neuseeland und signalisiert Unterstützung: So wie die Eröffnung der neuen deutschen Botschaft im letzten August. Die Botschaft hinter der Botschaftseröffnung: Wir stehen zu euch.
Dieses Signal versucht Baerbock nun auch auf dieser Reise bei jeder Gelegenheit anzubringen. Auch beim Treffen mit den Menschen im bedrohten Dorf Vuniniodrovo, wo nur noch knapp 200 Familien leben. Die Ministerin sitzt im Sommerkleid vor einer Wand mit schwarz-rot-goldenem Stoff im Gemeinschaftshaus. Durch Öffnungen in den Wänden streicht eine kühlende Brise. Auf Bastmatten hocken die Männer des Dorfs im Schneidersitz und begrüßen die mächtige Frau aus Deutschland: Händeklatschen, Gastgeschenke, die Bitte um Einlass ins Dorf, eine Schale mit Kawa – einem leicht betäubenden Trunk aus einer Wurzel. Es ist nicht immer leicht, Außenministerin zu sein.
Männer, die daneben- und im Mittelpunkt stehen
Zwanzig Meter vom Haus entfernt knabbert der Waimanu-Fluss in einer langgezogenen Rechtskurve an seinem Steilufer aus dunkler Erde. In ein paar Jahren wird auch das Versammlungshaus in seinen schlammigen Fluten verschwinden, da sind sich alle einig.
Ulamila Kurubale, Bewohnerin des von Überflutung bedrohten Dorfs Vuniniodrovo
Bedroht ist auch das Haus von Ulamila Kurubale, die in einem blau gemusterten Kleid auf die deutsche Ministerin wartet. Erst in der Nacht sei die große Kokospalme hinter ihrem Haus umgefallen, erzählt sie, und zeigt auf den gestürzten Baum, der aus dem Strom ragt. „Ich bin 46 Jahre alt und in diesem Haus geboren“, sagt Kurubale. Ihr Haus hat eine Holzveranda und ein Wellblechdach und steht, wie alle Häuser im Dorf, bereits auf Stelzen. „Ich hatte vor, hier auch zu sterben. Aber das werde ich nicht mehr schaffen.“ Noch 20 Jahre, und das Dorf ist Geschichte, sind sich die Experten und Einheimischen einig.
Zwei Tage lang haben die Frauen des Dorfes Sandwiches geschmiert, Kuchen gebacken und Muscheln und Hühnchencurry gekocht. Beim Empfang durch die Männer lobt die Ministerin daher am Anfang gleich mal die Arbeit der Frauen. Danach sitzt sie mit ihnen kurz vor dem Fluss auf einer Decke beim Picknick zusammen, die Männer stehen daneben.
Meist allerdings stehen die Männer überall im Mittelpunkt – auch in der Geo-, Sicherheits- und Klimapolitik. Das will Baerbock ändern: Ihre feministische Klima- und Außenpolitik soll Frauen und Familien stärken. Da geht es nicht nur um Macht und Gerechtigkeit, sondern auch um den besten Klimaschutz: Viele Studien belegen, dass Frauen dabei effizienter sind, weil sie kooperativer arbeiten, die Interessen von Familien und Kindern mehr im Blick haben und besser mit Ressourcen wirtschaften. Gleichzeitig leiden Frauen und Mädchen am meisten unter der Krise. In vielen Gegenden der Welt übernehmen sie vor allem Aufgaben in der Landwirtschaft oder Care-Arbeit – und je schlechter die wirtschaftlichen Bedingungen durch den Klimawandel für die Familien werden, desto geringer die Chance gerade der Mädchen auf Bildung.
Am zweiten Tag des Besuchs kämpft sich eine kleine Gruppe der Delegation noch vor Beginn des offiziellen Programms durch den Regen von Suva. In einer Seitenstraße klettert sie eine Treppe hoch und landet im unscheinbaren Büro der Hilfsorganisation Oxfam Pazifik. Hier hängen neben nüchternen Schreibtischen selbstgemalte Plakate, unter anderem: „Wenn Männer unterdrückt werden, ist das eine Tragödie. Wenn Frauen unterdrückt werden, ist es Tradition.“
Eunice Wotene und Ilisa Masivesi sind Finanzexpertinnen bei Oxfam, sie arbeiten an einer zentralen und bislang vernachlässigten Frage der aktuell heißen Debatte um Klimafinanzen: Erreicht das Hilfsgeld der Geberländer diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen? „Es fließt auch bisher schon viel Klimageld in den Pazifik“, sagt Wotene, „aber das meiste davon kommt nicht bei den Menschen an, die es am meisten benötigen, den Frauen und Kindern.“
Oxfam arbeitet nun an einer Studie, die unter anderem die Kriterien für die Transparenz von Geldflüssen aufzeigen soll. Die Deutschen sind sehr interessiert: 2024 wird innerhalb der UN das große Jahr der Klimafinanzen. Wenn man da sicherstellen könnte, dass Hilfsgelder effizienter eingesetzt werden, wäre das ein großer Fortschritt.
Lutz Weischer, Germanwatch
Wenn man Annalena Baerbock fragt, was der Unterschied von „Klimaaußenpolitik“ zu Klimapolitik sei, sagt sie: „Der wichtigste Schritt war, dass wir die Klimaaußenpolitik mit ins Auswärtige Amt genommen und alle Klimaressorts unter ein Dach gesetzt haben“. Es brauche die ganze Bundesregierung dafür. Und es zeige, dass „Klimaaußenpolitik auch eine große geostrategische Frage ist“, wie man eben im Pazifik sehe. Dazu brauche es andere Finanzierungsmechanismen, mehr Geldquellen und veränderte Entwicklungsbanken.
Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch hat gerade eine erste Bilanz dieser Strategie gezogen. Tenor: Es sei sinnvoll, die Arbeit der Regierung zusammenzufassen und zu koordinieren, daran habe es bisher gemangelt. Allerdings seien die „Umsetzungsstrukturen weitgehend unklar“ und es fehle eine regelmäßige Aktualisierung. „Für eine wirklich strategische und kohärente Politik ist noch viel Luft nach oben“, sagt Lutz Weischer, politischer Direktor. „Zu viel läuft auch weiterhin nebeneinanderher und die Ressorts folgen häufig weiterhin ihren Eigeninteressen.“ Vor allem würden Kürzungen im Haushalt des Auswärtigen Amts, die derzeit debattiert werden, „die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimaaußenpolitik unterminieren“.
Dazu kommt: Auch der Tag einer Annalena Baerbock, die sich und ihr Team mit großer Energie durch die Welt jagt, hat nur 24 Stunden. Die Strukturen und der Ehrgeiz für die Strategie stammen aus den Anfangszeiten der Ampelkoalition, als man dachte, man könne dieser Menschheitskrise jetzt mal fokussiert den Kampf ansagen.
Wechselnde Alliierte
Inzwischen ist klar: Die Kriege in Gaza und in der Ukraine binden einen Großteil der Kraft, der Zeit und der Ressoucen, die sie und ihr Ministerium aufbringen. Für alle anderen Sorgen, Ideen und Herausforderungen inklusive Weltuntergang durch die Klimakrise, bleibt der Rest. Und da ist von der Drohung, im nächsten Bundeshaushalt massiv bei der Entwicklungspolitik und humanitärer Hilfe zu kürzen, noch gar nicht die Rede. Wieder einmal wird also die mittelfristige Stabilität des Klimas zu einem Kollateralschaden der akuten Konflikte und Interessen.
Es gibt die wenig schmeichelhafte Vermutung: Hat sich die engagierte Klimapolitikerin Annalena Baerbock mit diesem Ministerium selbst die Möglichkeit geschaffen, neben allem anderen auch noch ihr persönliches Steckenpferd „Klimapolitik“ weiter zu reiten? Und was wird aus dem Thema im Auswärtigen Amt, wenn mal ein neuer Chef dort einzieht, der Klima nicht als Priorität sieht? Bisher treibt vor allem die Ministerin mit einer überschaubaren Schar an Mitstreitenden das Klimathema in der schwerfälligen Diplomatie-Bürokratie voran, hört man immer wieder.
Auf jeden Fall hat die neue Konstruktion einen Vorteil: Als Außenministerin der drittstärksten Wirtschaftsnation wird Baerbock etwa bei G7- und G20-Treffen mit dem Klimathema ernst genommen. Anders als viele Umwelt- oder Klimaminister anderer Staaten muss sie nicht um einen Platz am Tisch kämpfen. So kann sie für ihr Thema werben – wenn nicht etwas Wichtigeres ansteht.
Beim Gespräch mit ihrer australischen Amtskollegin Penny Wong gelingt das allerdings auf auf dieser Reise nicht so gut. Wong ließ hinterher Baerbocks Kritik am fehlenden klimapolitischen Engagement ihrer Regierung trocken abtropfen: „Wir sind gewählt, um zu versuchen, unsere Wirtschaft zu verändern und netto Null zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Es ist eine Herausforderung, unsere fossilen Energien zu transformieren, aber wir sind entschlossen, das zu tun.“ Nach einem Aufbruch in Down Under klingt das erstmal nicht.
Baerbocks Klima-Geopolitik hat auch noch ein anderes Problem: Je nach Thema wechseln die Alliierten. Für eine bessere Sicherheitspolitik setzt Deutschland vor allem auf Australien und Neuseeland, China ist der klare Gegner. In der Klimapolitik wiederum ist zwar China auch der größte CO2-Emittent, liefert aber gerade die erneuerbaren Techniken wie Solar- und Windenergie, die für grüneres Wachstum gebraucht werden. Und die sogenannten „Wertepartner“ Australien und Neuseeland sind durch ihre fossile Orientierung und den mangelnden Ehrgeiz, das zu ändern, klimapolitisch schwierige Partner für die Pazifikregion.
Letzter Tag der Reise: Mit Blaulicht und Eskorte fegt die Kolonne der Ministerin mit einem Dutzend SUVs, Pickup-Trucks und Kleinbussen durch die Regenschleier über die Insel von Fidschi. Nach einer Stunde Fahren, Schlingern und Holpern stoppt der Tross an der Siedlung Togoru: In einfachen Hütten leben hier zwei Großfamilien mit etwa 50 Menschen direkt am Strand. Hunde streunen umher, zwischen Wäscheleinen und Palmen liegen zerbrochene Korallenstücke und Palmwedel, der Sand ist voll von alten Autoreifen. 50 Meter vom Strand entfernt ragen steinerne Sarkophage aus dem Schlick, alte Gräber und Mauern, die von Seepocken überwachsen sind.
Laveni McGoon lebt hier mit ihrer Familie. „Früher war das hier Wiese, hier haben Kinder gespielt“, sagt sie. Sie deutet auf eine Sandbank, etwa 150 Meter Richtung Ozean: „Das war unsere Küste“. Inzwischen hat sich das Meer nicht nur das Land geholt, sondern auch die Überreste der Toten weggespült.
Baerbock läuft mit McGoon über den Strand, der noch bis vor ein paar Jahren festes Land und Friedhof war. Sie hat die Sandalen ausgezogen und läuft barfuß durch den schwarzen Morast, während sich die Beamten und Journalisten die Schuhe dreckig machen.
Bevor das Land verschwindet, sterben die Mangrovenwälder, die die Küste schützen: Wenn das Salzwasser zu lange hoch steht, können ihre Wurzeln nicht mehr genug atmen, sagt Isaac Rounds, ein Experte, der extra zum Termin gekommen ist. „Man müsste hier einen Damm bauen, um diese Häuser am Strand zu sichern, vielleicht einen Kilometer lang“, sagt Rounds, „aber das kostet Millionen, dafür hat die Regierung kein Geld“. Die einfachen Holzhäuser ohne fließendes Wasser werden nicht mehr lange stehen. Dann gehört auch Familie McGoon zu den 200.000 Fidschianern, die ein neues Zuhause suchen.
Baerbock baut sich vor den wartenden Kameras auf, im Hintergrund der überspülte Friedhof. Sie sagt, was man in so einer Situation sagt: dass die Klimakrise hier „nichts Abstraktes“ sei, sondern den Menschen „das Wasser im wahrsten Sinne bis zum Hals steht“. Annalena Baerbock steht am Ende der Welt und warnt 2 Minuten und 57 Sekunden vor dem Ende der Welt.
Dann beendet sie ihr Statement. „Gibt es Fragen?“ Schweigen. Dann die einzige Meldung: „Ich hätte noch eine Frage zu einem anderen Thema. Der deutsche Botschafter aus Russland ist zurückbeordert worden.“ Ob sie dazu bitte etwas sagen könne?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video