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Unberechenbarer Hubert AiwangerAm Rande des Wahnsinns

Er ist der Mann, der Markus Söder schlaflose Nächte bereitet: Hubert Aiwanger. Ohne ihn kann er nicht regieren, und mit ihm ist es eine Qual.

Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Markus Söder (CSU) im Landtag bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags im Oktober 2023 Foto: Peter Kneffel/dpa/picture alliance

München taz | Nehmen wir diesen Samstagnachmittag Anfang Februar in Regensburg, nur so zum Beispiel: Ein paar hundert Leute haben sich am Domplatz zu einer Mittelstandsdemo zusammengefunden. Die Rednerinnen und Redner stehen auf der Ladefläche eines Lkw. Gegen Ende tritt einer ans Mikrofon, der einem örtlichen Nachrichtenportal zufolge eigentlich gar nicht als Redner vorgesehen war, sich dann aber selbst eingeladen haben soll: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.

Er spricht davon, dass sich Leistung wieder lohnen muss, von Fehlern im System, überbordender Bürokratie, wettert gegen das geplante Verbrennerverbot der EU und schimpft über deutsche Gelder, die in Radwege in Peru gesteckt würden, wo sie doch in der heimischen Wirtschaft viel dringender gebraucht würden. Immerhin: Von angeblich Hunderten Millionen Euro, die die Radwege die deutsche Steuerzahlerin gekostet hätten, spricht er diesmal nicht. So weit, so harmlos. Die Rede hätte auch von einem beliebigen CSU-Bierzeltredner stammen können – nur dass die wenigsten von ihnen eine halbe Stunde lang völlig frei sprechen könnten.

Aber dann, es geht schon Richtung Ende, bringt Aiwanger doch noch einen echten Aiwanger: Es gebe „Leute im System“, sagt er, „die wollen, dass die kleinen Dorfwirtshäuser schließen, weil sie sagen: Ich will gar nicht mehr, dass da der Stammtisch beieinandersitzt, der miteinander politisiert, sondern ich will dem sagen, was er zu denken hat, über andere Kanäle.“

Wer diese Leute im System sind, sagt Aiwanger, immerhin Bayerns Nummer zwei und somit ganz oben im System, nicht. Nur so viel wird mal wieder deutlich: Verschwörungstheoretiker gibt es definitiv im System. Zumindest einen.

Aiwanger-Euphorie hat sich gelegt

Die Episode ist bezeichnend für den Mann, der in der letzten Zeit innerhalb des demokratischen Parteienspektrums so viel provoziert wie kaum ein anderer. Oft braucht es nur den gerade vom ihm so oft beschworenen gesunden Menschenverstand, um den Gehalt seiner Behauptungen zu beurteilen. So behauptete er jüngst auch, die Demos gegen Rechtsextremismus seien von Linksextremen unterwandert, und Jusos und Grüne Jugend würden ohnehin vom Verfassungsschutz beobachtet. Werden sie natürlich nicht, aber behaupten kann man’s ja mal. Auch in der Tonalität geht der Chef der Freien Wähler immer wieder hart an die Grenze. „Jeder Taugenichts wird von der Ampel besser unterstützt als unsere Bauern“, ist so ein typischer Aiwanger-Satz.

Die CSU bringt Hubert Aiwanger mit seinem Verhalten mitunter an den Rand des Wahnsinns – also genau in die Region, wo der Freie-Wähler-Chef selbst gern seine waghalsigen Gratwanderungen unternimmt. Dass er im Wahlkampf begonnen hat, immer unverhohlener am rechten Rand zu fischen und ausgerechnet aus der Affäre um das eklige Nazi-Flugblatt, das er als Schüler mit sich getragen hatte, Kapital zu schlagen, hat man ihm beim Koalitionspartner schwer verübelt. Aiwanger hatte eine plumpe Täter-Opfer-Umkehr betrieben und behauptet, die Shoah werde gegen ihn instrumentalisiert, um ihn als Person zu vernichten. Bei der Landtagswahl im Oktober wurden die Freie Wähler mit 15,8 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft im Bayerischen Landtag.

Inzwischen hat sich die Aiwanger-Euphorie zwar etwas gelegt, beim Bayerntrend, der großen Umfrage des Bayerischen Rundfunks, kamen die Freien Wähler zuletzt nur noch auf 13 Prozent, doch den Argwohn des Koalitionspartners hat das nicht unbedingt vermindert. Auf Dauer, darüber ist man sich in der CSU einig, will man sich von Aiwanger nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Bloß: Wie kriegt man diesen Mann unter Kontrolle?

Szenen einer Zwangsehe

Eingebrockt hat man sich die Sache freilich selbst. Ministerpräsident Markus Söder hatte Aiwanger ja quasi einen Freifahrtschein ausgestellt, indem er sich vor den Wahlen bedingungslos auf die Freien Wähler als Koalitionspartner festgelegt hatte. Nach der Wahl drohte Söder dann, wenn die Freien Wähler mit der CSU koalieren wollten, müssten sie jetzt Farbe bekennen: Sind sie fest verankert im bürgerlichen Lager, stehen sie noch diesseits der Brandmauer zur AfD?

Da Söder aber gleichzeitig ankündigte, weiter mit den Freien Wählern zu koalieren und dass eine andere Formation überhaupt nicht in Frage komme, überraschte es nur wenige, dass sich Aiwanger von einer solchen Drohung nicht sonderlich beeindrucken ließ und fröhlich weiter agierte wie bisher. Das persönliche Verhältnis zwischen Söder und Aiwanger ist mittlerweile zwar restlos zerrüttet, aber aus ihrer Zwangsehe scheinen die beiden nicht mehr rauszukommen.

Freundliche Einhegeversuche der CSU haben bisher wenig gefruchtet. Und seit sich Aiwanger auch noch zum Bauernführer aufschwingt und sich anschickt, der CSU in dieser Klientel ihre Wähler abspenstig zu machen, ist es mit der vornehmen Zurückhaltung gänzlich dahin. Dass die Jagd auf Aiwanger keine Ende nehme, konstatiert die Passauer Neue Presse schon voller Bedauern: „Im Gegenteil: Die Zahl derer, die ihn politisch erlegen wollen, nimmt gerade deutlich zu.“

Was zumindest stimmt: Der Ton auf christsozialer Seite wird schärfer. Vor allem Wissenschaftsminister Markus Blume und Fraktionschef Klaus Holetschek lassen keine Gelegenheit verstreichen, eine Spitze gegen den stellvertretenden Ministerpräsidenten zu platzieren. Bei Aiwanger habe er „immer noch ein wenig das Gefühl, dass er auch nach fünf Jahren als Wirtschaftsminister mit den Zuständigkeiten nicht ganz vertraut ist“, sagte Blume etwa der Mittelbayerischen Zeitung. Wirtschaft sei mehr als Land- und Gastwirtschaft. Und er hoffe, dass Aiwangers Begeisterung für Technologie nicht irgendwo zwischen Traktor und Mähdrescher endet. Worte, die durchaus bemerkenswert sind innerhalb einer Koalition, die sich gern als Gegenentwurf zur zerstrittenen Ampel präsentiert.

„Ministrieren statt demonstrieren“

Inzwischen hat man sich in der CSU vornehmlich auf die angeblich fehlende wirtschaftspolitische Kompetenz des Ministers eingeschossen. Wenn man ihn bei Ministerratssitzungen mit Sachfragen zu Wirtschaftsthemen konfrontiere, behaupten CSU-Kollegen im vertraulichen Gespräch, komme Aiwanger regelmäßig ins Rudern, blättere ausführlich in seinem Aktenordner und antworte ausweichend. Auch einen Fünf-Punkte-Plan der CSU-Fraktion zum Wirtschaftsaufschwung kann man schon als beabsichtigte Demütigung Aiwangers verstehen. Darin wird der Minister zu halbjährlichen Rechenschaftsberichten aufgefordert.

Darüber hinaus geht es auch um konkrete Vorwürfe: So könnte Aiwanger aus dem Senat der Max-Planck-Gesellschaft fliegen, nachdem er bisher alle Sitzungen verpasst hat. Aiwanger hält dagegen, es habe eben ständig Terminkollisionen gegeben und auch seine Vorvorgängerin im Amt, die beliebte CSU-Politikerin Ilse Aigner, sei bei keiner der Sitzungen erschienen. CSU-Vize Manfred Weber wiederum hält Aiwanger vor, in den letzten fünf Jahren ein einziges mal in Brüssel gewesen zu sein, um sich dort für die bayerische Wirtschaft starkzumachen. Und als eine dringend benötigte Windkraftanlage im Chemiedreieck an einem Bürgerentscheid krachend scheiterte, vermutete man den Grund darin, dass sich der „Windminister“ (Söder) zu wenig vor Ort gekümmert habe.

Vor allem aber verübelt man Aiwanger sein „Demo-Hopping“. Tatsächlich fand in den vergangenen Wochen kaum eine Bauerndemonstration statt, bei der Aiwanger nicht mitmarschierte. Er solle sich stattdessen lieber mal um sein Ministerium kümmern, schimpfen sie in der CSU. Was aber auch wieder lustig ist, wenn man sich Söders Terminkalender ansieht. Über 100 Bierzeltauftritte will er beispielsweise im letzten Jahr absolviert haben. Und auch außerhalb des Wahlkampfs verpasst er kaum einen Termin, um sich in Szene zu setzen. Im Landtag sieht man ihn dagegen so selten wie keinen anderen deutschen Ministerpräsidenten.

Frust an der Freien-Wähler-Basis

Söder selbst hielt sich mit den Vorwürfen lange Zeit zurück, sagte es gewissermaßen nur durch den Blume, beim politischen Aschermittwoch in Passau mischte dann aber auch er mit. „Ministrieren geht vor demonstrieren“, kalauerte er und forderte: „Du hast auf der Position zu spielen, die dir anvertraut ist.“ Ein Wirtschaftsminister müsse sich um die Wirtschaft kümmern und nicht um die Gamsjagd oder um die Wildfütterung. Ein Vorwurf, der freilich ebenfalls nicht einer gewissen Komik entbehrt. Schließlich war Söder bereits Minister für allerhand, zuletzt lange Finanzminister. In dieser Zeit fiel er durch mancherlei auf, aber nie dadurch, dass er sich in seinen Äußerungen und Auftritten auf seine jeweilige Ressortzuständigkeit beschränkt hätte.

Nun sind jedoch auch die Freien Wähler nicht restlos begeistert vom Kurs ihres Anführers. Ein großer Teil von ihnen sieht sich weit entfernt von allen rechten Ecken des Politbetriebs: Leute wie Fraktionschef Florian Streibl beschreiben die eigene Partei als bürgerlich, liberal und konservativ, aber ganz klar links von der CSU. Dass Aiwanger zu dieser Standortbestimmung längst nicht mehr so recht passen will, ist offenkundig.

Mitunter ist der Unmut darüber so groß, dass sich Mitglieder frustriert von ihrer Partei abwenden. Hier ein Bürgermeister, da der Fraktionschef im Gemeinderat. Bisweilen treten auch kommunale Wählergemeinschaften kollektiv aus dem Landesverband aus. Ein Schritt, der bei den traditionell dezentral aufgestellten und im Kommunalen verankerten Freien Wählern leichter fallen dürfte als bei anderen Parteien. Die Süddeutsche Zeitung hat gerade erst in Franken eine Häufung solcher „Einzelfälle“ ausgemacht und detailliert aufgezählt. Und gemutmaßt, „dass Mentalitätsunterschiede eine Rolle spielen. Dass sich die Menschen südlich der Donau dem Typus Aiwanger näher fühlen als nördlich.“

CSU gibt sich demonstrativ gelassen

Auf Landesebene jedoch halten sich die Kritiker auffallend zurück, wird weiterhin jeder verbale Fehltritt des Parteichefs unter den Mei-der-Hubsi-halt-Teppich gekehrt. Streibl etwa hat mittlerweile schon einige Übung im politischen Spagat, schafft es ohne Verrenkung, auf die große Anti-rechts-Demo in München zu gehen, diese als grandioses Zeichen zu feiern und zugleich Aiwangers These zu verteidigen, dass diese natürlich linksextremistisch unterwandert sei.

„Wie gefährlich ist Aiwanger“, fragte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung jüngst und setzte gleich noch nach: „Und vor allem: für wen?“ Für wirklich harmlos hält den Freie-Wähler-Chef jedenfalls längst niemand mehr, auch wenn sie einen das bei der CSU manchmal glauben machen wollen. Der Höhenflug sei vorbei, inzwischen hätten die Wählerinnen und Wähler verstanden, wer sich tatsächlich um bayerische Interessen kümmere, lautet die Erzählung, wie sie führende CSU-Politiker derzeit unters Volk bringen wollen.

Doch so ganz will die demonstrative Gelassenheit nicht überzeugen. Nicht zuletzt auch, da es gerade die Christsozialen sind, die Aiwanger fürchten müssen. Aus seinem Traum, quasi als deutscher Bauernführer in den Bundestag einzuziehen, macht dieser keinen Hehl. Noch gibt es zwar kaum Umfragen, die die Freien Wähler bundesweit über 3 Prozent sehen, doch Aiwangers Sichtbarkeit außerhalb Bayerns nimmt zu, inzwischen wird auch er zu Lanz und Maischberger eingeladen.

Zuletzt auffallend zahm

Die Gefahr allerdings, die Aiwanger für die CSU darstellt, liegt vor allem in dem neuen, von der Ampel beschlossenen Wahlrecht. Sollte dieses bis zur Bundestagswahl Bestand haben und die Freien Wähler der CSU im bürgerlichen Lager das nötige Quäntchen an Stimmen abnehmen, das diese braucht, um bundesweit über die Fünfprozenthürde zu kommen, wäre sie im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten – unabhängig davon, wie viele Direktmandate sie erlangt hat. Aiwanger bleibt daher in CSU-Augen eine tickende Zeitbombe.

Umso erstaunlicher, dass sich der Niederbayer in der allerjüngsten Vergangenheit geradezu zahm präsentiert hat. Beim Bundesparteitag in Bitburg verbot sich Aiwanger jede Anbiederung nach rechts, machte sich stattdessen für ein Unvereinbarkeitsbeschluss stark, der jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt. Und auch Befürchtungen, er könnte beim politischen Aschermittwoch der Freien Wähler noch einmal eine Schippe drauflegen, bestätigten sich nicht.

„Wenn den Leuten täglich mit woken Themen in der Nase herumgerührt wird, muss man sich nicht wundern, wenn die irgendwann eskalieren“, beschwerte sich Aiwanger, was nicht nur nahezu lyrisch anmutete, sondern zugleich zeigt, wie sehr sich der Mann, der sonst mit Verbalinjurien kaum spart, plötzlich zurücknimmt. Ein paar Städte weiter, in der Passauer Dreiländerhalle, verglich derweil Markus Söder die grüne Bundesumweltministerin mit Margot Honecker.

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40 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

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  • „Jeder Taugenichts wird von der Ampel besser unterstützt als unsere Bauern“, ist so ein typischer Aiwanger-Satz.



    Das stimmt, er bekommt mehr Steuergelder als ein Bauer.

  • Die ganze Republik kann nur darauf hoffen, dass das neue Wahlrecht endlich einen Strich unter die Anmaßungen aus Bayern zieht. Die vergleichbare "Mini-Partei" hat im Laufe der Jahre immensen Schaden für uns alle gebracht, politisch, finanziell und vor allem moralisch.

    • @Perkele:

      An was machen sie das fest?

      • @Der Cleo Patra:

        Denken wir nur an die CSU-Verkehrsminister ...



        Innenminister Seehofer ...

  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    Grüne Träume machen weniger krank denn am Konservativismus festzuhalten

    • @663803 (Profil gelöscht):

      Die einen sagen so, die anderen sagen so :D

      Gutes zu erhalten (zu konservieren) muss per se nicht schlecht sein. Und andersherum: nur weil etwas neu ist und dem Zeitgeist entspricht, muss es nicht gut sein.

  • Die Welt lässt diese alten, ungebildeten weißen Männer einfach zurück. Sie sterben aus. Vorher schlagen sie noch um sich und richten größtmöglichen Schaden an. Aber gehen müssen sie und gehen werden sie.

    • @Ceebee:

      Aha. Und Leute wie Habeck, Baerbock, Lange und Kühnert werden uns in eine blühende Zukunft führen?

    • @Ceebee:

      Hoffentlich schnell!

  • Man darf eines nicht, nämlich Aiwanger für dumm halten. Wer das tut, der erleidet einen fürchterlichen Schiffbruch, wie es schon vor einiger Zeit Markus Lanz erfahren durfte, der versuchte, Aiwanger in eine Ecke zu drängen.

    Ansonsten gilt, dass Aiwanger in Bayern furchtbar beliebt ist. Vor allem auch bei den Bauern, was kein Wunder ist, da Aiwanger selbst studierter Landwirt ist und einen eigenen Betrieb hat.

    Es gibt für viele Wähler einen Schnitt in Aiwangers Karriere, dieser ist aber nicht das Flugblatt, sondern dessen Einstellung zur COVID19-Impfung. Aiwanger hatte sich während der Pandemie damals lange Zeit gegen seinen Chef Söder gestellt, und sich nicht impfen lassen. So wurde er für viele Impfgegner und Leerdenker zum Vorbild - bis er dann eben doch irgendwann kleinbei gab und es kleinlaut zugab, als er da auf einmal gefragt wurde. Das hat seiner Beliebtheit mehr geschadet als der Rest.

    Dennoch bleibt es dabei, dass Aiwanger bei vielen Bayern und darüber hinaus sehr beliebt ist, und denen aus der Seele spricht.

  • In Bayern sind die CSU-Anhänger doch froh über die Aiwanger-Partei. Das passt jedenfalls inhaltlich besser, als mit den Grünen. Das größere Problem ist das neue Wahlrecht. Aber das Geld aus Bayern nehmen alle gerne.

    • @Marie1985 :

      So neu ist das Wahlrecht überhaupt nicht. Seit ich denken kann, gilt die 5%-Hürde, in den Ländern und im Bund. Nur (und nur!!!*) für die CSU wurde eine Ausnahme gemacht, das heißt eigentlich: die Frage hat sich nicht gestellt. Weil die CSU mit 50% plus in Bayern(!) immer locker über die 5%Hürde kam.



      Was jetzt gerechter weise festgeschrieben/-gestellt wurde: die CSU ist eine regionale Partei und braucht 5% um in den Bundestag einzuziehen.



      *festgeschriebene Ausnahme: die Partei der dänischen Minderheit in SH.

      • @LeKikerikrit:

        Nein: Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor dem deutsch-dänischen Vertrag (aber tatsächlich auch auf eine Klage u.A. des SSW hin) festgestellt, dass eine regionale Verwurzelung einzelner Parteien bei der Berücksichtigung des Wahlergebnisses nicht unbeachtet bleiben darf.

        Erst daraufhin wurde die Grundmandats-Klausel eingeführt.

        Vorher (bei der ersten Bundestagswahl), galt die 5%-Hürde auf Landesebene.

      • @LeKikerikrit:

        Falsch, denn mit dem neuen Wahlrecht werden auch Direktkandidaten ausgeschlossen. Das ist der Skandal. Direktkandidaten auszuschließen ist ein No Go

        • @Walterismus:

          Wenn die Direktmandate in Summe 5% ausmachen, ist doch alles in Butter. Außerdem: es wird immer so getan als würde ein gewonnener Wahlkreis mehr als 50% bedeuten. Und das stimmt ja nun überhaupt nicht.

        • @Walterismus:

          Es geht bei der Wahlrechtsreform darum, den Bundestag zu verkleinern, dabei Geld zu sparen und effektiv arbeiten zu können.



          Direktmandate gibt es immer noch. Nur wird jetzt deren Anzahl begrenzt, wenn es insgesamt mehr Direktmandate gibt, als im Vergleich mit den Ergebnissen bei der Mehrheitswahl eigentlich errechnet werden.



          Bisher wurde das durch diese Überhangmandate entstandene Missverhältnis durch Ausgleichsmandate ausgeglichen, was zum Aufblähen des Bundestages führte.



          Dass eine Regierung das Wahlgesetz mit einfacher Mehrheit ändern kann, erscheint mir weise eingerichtet zu sein, weil Veränderungen ungerne angegangen werden, wenn persönliche Interessen dagegen sprechen.



          Welche Vorschläge für Möglichkeiten den Bundestag zu verkleinern gibt es, ohne Überhangmandate zu beschränken?

    • @Marie1985 :

      Welches Geld aus Bayern?



      Bayern war von 1950 bis 1986 ausschließlich Nehmerland im Länderfinanzausgleich. Bayern wäre ohne die Kohle der anderen Länder heute nur völlig abgehängtes Agrarland.

      • @Matt Olie:

        Kann man so sehen. Man kann aber auch konstatieren, dass die bayerischen Regierungen aus den Transferleistungen ein prosperierendes Bundesland geschaffen haben, welches nun seit Jahrzehnten andere Bundesländer durchfüttert (die allerdings dauerhaft wohl trotzdem nicht aus dem Quark kommen).

      • @Matt Olie:

        und heute beschwert sich Söder immer wieder über die hohen Beträge die Bayern an die anderen Bundesländer zahlen muss. Das ist nicht frech oder Bauernschlau. Nein, das ist antidemokratisch!

      • @Matt Olie:

        Im Länderfinanzausgleich ist Bayern ein Geberland, das lässt sich nun wirklich nicht leugnen. Ich komm aus dem Norden, also kein Lokalpatriotismus. Aber man kann doch auch einmal neidbefreit anerkennen.

  • Ich sehe keinen relevanten Unterschied zwischen Aiwanger und Söder. Die beiden sind Brüder im Geiste.

    • @Kaboom:

      Stimmt. Und der Herr Söder wird noch ne Schippe drauflegen, um den Aiwanger rechts zu überholen. Schließlich geht es um die Präsenz in Berlin.



      Söder über die Grünen: deren Politik gefällt mir nicht. Und verbandelt sich auf Gedei und Verderb mit dem Aiwanger.



      Das mit dem Söder in Bayern. Ich denke das geht nicht mehr lange gut.

  • Ja, die Bayern sind wirklich nicht zu beneiden, was die Personalien angeht.



    "Es gebe „Leute im System“, sagt er, „die wollen, dass die kleinen Dorfwirtshäuser schließen, weil sie sagen: Ich will gar nicht mehr, dass da der Stammtisch beieinandersitzt, der miteinander politisiert, sondern ich will dem sagen, was er zu denken hat, über andere Kanäle.“..."



    Redet Aiwanger jetzt vom 'Schwarzen Kanal' oder von 'Kanaillen'? Verschwörungstheorien haben wirklich kanalisierende Effekte, auch für ihre GegnerInnen!

    • @Martin Rees:

      Aiwanger selbst ist "Leute im System". Er hat wohl ganz offen zugegeben, dass er Kneipen schließen und politische Gegner mundtot machen will.

  • Wer so beschränkt ist, sich nicht die Optionen mit demokratischen Parteien offenzuhalten, die einem auch als Ausrede für das Nötige gedient hätten,



    wer das ist, der muss eben die Hubsi-Partei aushalten. Selber schuld.

    • @Janix:

      Das fliegt dem Herrn Söder noch um die Ohren. Er ist schließlich kein Oberbayer. Er ist Franke (siehe Beckstein). Ging auch RuckZuck.

  • In Bayern kann Söder derzeit nicht ohne Freie Wähler (FW) regieren. Aiwanger ist sein kleinstes Problem. Die wirklichen Machtprobleme Söders und der CSU beginnen mit der Bundestagswahl 2025 nach neuem Wahlrecht. Wenn bei der nächsten Bundestagswahl FW, AfD und Grüne mit hohem Zweitstimmenanteilen die Zahl der CSU-Abgeordneten im Bundestag auf ein Minimum drückt, dann muss sich die große Schwester CDU überlegen, ob sie die alte Ehe mit dem geschrumpften CSU-Zwerg aus Bayern noch fortsetzen will. Söder und seine CSU sind dazu verdammt, das rechte WählerInnen-Spektrum zu bedienen und könnten am Ende doch unter die rechten Räder kommen.

  • Soviel Aiwanger nur um dem Söder eins auszuwischen?

    Und das Wahlrecht. Es wäre schon krass, wenn alle Erststimmenkandidaten der CSU aus Bayern weg fallen würden. Das kann man natürlich parteipolitisch dufte finden. Demokratisch ist das Gerrymandering aber ein Disaster.

    Wir brauchen dringend eine Verfassung die unantastbar solche Schachzüge nicht zuläßt. Denn eines ist sicher: die extreme Rechte wird sich solcher Tricks auch bedienen, sollte sie an die Macht kommen.

    • @Rudolf Fissner:

      ... und das Wahlrecht... Zitat aus Wikipedia: "Gerrymandering bzw. Wahlkreisschiebung ist ein politikwissenschaftlicher Begriff, der die Manipulation von Wahlkreisgrenzen in einem Mehrheitswahlsystem bezeichnet, um die eigenen Erfolgsaussichten zu maximieren."



      Wir haben hierzulande aber kein Mehrheitswahlrecht sondern ein Verhältniswahlrecht. Ein reines Verhältniswahlrecht schließt Gerrymandering aus.



      Wenn bei uns Wahlkreise verschoben wurden, dann hatte dies nur Auswirkungen auf die Direktwahlmandate (Erststimmen). Die prozentuale Sitzverteilung auf die Parteien wird aber durch die Zweitstimme festgelegt. Deswegen gab's bisher ja auch das ganze Spiel mit den Überhangs- und Ausgleichsmandaten. Aber das ist ja bisher auch immer gerne falsch verstanden worden...

      • @Minion68:

        Eine Strategie des Gerrymandering ist "Verdünnung" der Stimmen. ( siehe de.wikipedia.org/w...ndering#Strategien )

        Wo zuvor nur der Wahlkreis von Bedeutung war für den Einzug von Direktkandidaten ist es nun das ganze Land.

        • @Rudolf Fissner:

          In erster Linie bestimmen hierzulande aber die Zweitstimmen die prozentuale Verteilung der Sitze des Bundestages auf die Parteien. Die Anzahl der Sitze im Bundestag ist mit der letzten Änderung des Wahlsystems aber begrenz worden. Wenn nun eine partei mehr Direktmandate erhält, als ihr Sitze über die Zweitstimmen zustehen, dann ziehen eben nicht alle Direktmandatsgewinner in den Bundestag ein. Es wurde bisher auch immer gesagt, dass die Zweitstimme die wichtigste ist. Die Erststimme hat lediglich eine Auswirkung auf die personelle Zusammensetzung des Bundestages, aber eben nicht auf den prozentualen Anteil der Parteien. Insofern hinkt der Vergleich mit Gerrymandering eben gewaltig. Ich bin schon seit jeher dafür, die Direktmandate abzuschaffen.

    • @Rudolf Fissner:

      Das ist mitnichten Gerrymandering und ich wäre Ihnen wirklich sehr verbunden, wenn Sie in Zukunft davon absehen würden eine derartige Falschinformation zu verbreiten!

      Die Ampel hat sich - nach mehreren Aufforderungen des Bundesverfassungsgerichts - für das Verhältniswahlrecht entschieden. Das ist Anti-Gerrymandering!

      • @MeineMeinungX:

        Recht haben Sie Gerrymandering ist falsche Begriff. Die Wahlrechtsreform ist trotzdem ein wahltaktischer Eingriff der Regierung ins Wahlrecht der die Opposition benachteiligt. Ziel der Wahlrechtsänderung ist es CSU und Linke aus dem Bundestag zu halten. Aus guten Gründen wurden Wahlrechtsänderungen sonst immer mit 2/3 Mehrheiten beschlossen, nicht von der Regierung alleine. Es ist kein Fortschritt wenn sich jede neue Regierung ein passendes Wahlrecht für die nächste Wahl schneidert.

      • @MeineMeinungX:

        "Die Ampel hat sich - nach mehreren Aufforderungen des Bundesverfassungsgerichts - für das Verhältniswahlrecht entschieden. Das ist Anti-Gerrymandering!"

        Wissen Sie es nicht besser, oder verbreiten Sie absichtlich Lügen ?

        Im Grundgesetzt steht überhaupt nichts über das Wahlsystem, sondern nur über die Wahlrundsätze (frei, gleich, allgemein, geheim, unmittelbar).



        Dementsprechend hat auch das Verfassungsgericht keine Vorgaben gemacht, daß das Verhältniswahlrecht besser als ein Direktwahlrecht wäre.

        Gerrymandering nennt man den maßgeschneiderten Zuschnitt von Wahlkreisen in den USA, wo es überhaupt keine Verhältniswahl gibt.



        Die Ampel hat sich jetzt das komplette Wahlrecht maßgeschneidert, so daß die Bezeichnung durchaus gerechtfertigt ist.

        Und ob dieses Wahlrecht verfassungsgemäß ist, wird erst das Urteil des Verfassungsgerichts aufgrund der anhängigen Klagen erweisen.



        Aber schon die Formulierung von Absatz 1 in Artikel 20 GG:



        "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat."



        zeigt deutlich, daß auch beim Wahlrecht die Interessen der einzelnen Bundesländer berücksichtigt werden müssen.

        • @Don Geraldo:

          "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat."



          Daraus lese ich mitnichten, dass sich jeder sein Wahlrecht zusammen zimmern kann.



          Ganz das Gegenteil ist der Fall: Überall in der Bundesrepublik gelten die gleichen Regeln, in allen Bundesländern sollen eher gleiche Lebensverhältnisse geschaffen werden (Länderfinanzausgleich) usw, usf,

          • @LeKikerikrit:

            Sind Sie schon mal auf die Idee gekommen, daß es einen Grund hat, daß dort "Bundesstaat" und nicht einfach nur "Staat" oder gar "Zentralstaat" steht ?

      • @MeineMeinungX:

        Die Gerrymanfering-Strategie, die angewandt wurde, nennt sich "Verdünnung" ( de.wikipedia.org/w...ndering#Strategien ).

        Die Verdünnung kommt dadurch zustande, dass Direktkanditaten nicht mehr in den Bundestag einziehen können, wenn die Partei nicht bundesweit die 5% Hürde überwunden hat.

        Ich wäre ihnen dankbar wenn Sie das in Zukunft ebenfalls verbreiten würden. 🤓

        • @Rudolf Fissner:

          Was Sie da verteidigen wäre in etwa so: Die SPD tritt in NRW nicht zur Bundestagswahl an. Aber eine SPD-NRW. Die gewinnt viele, wenn nicht sogar alle (war mal so), Direktmandate. Daraus würde sich eine überproportionale Präsenz der SPD im ganzen ergeben.



          CDU vs CSU



          Alles klar?



          Jetzt steht das undemokratische Modell auf der Kippe.



          Recht so.

  • Oiwonger zurück auf seinen Acker ... da kann Er sich einhellig mit seinen Kartoffeln austauschen und auf neue "Geistesblitze" warten!