Appell für Ukraine-Unterstützung: Waffen als echte Sicherheitsgarantie
Politiker:innen und Wissenschaftler:innen appellieren an die Mitgliedsstaaten des Ramstein-Formats, mehr Waffen zu liefern. Die Ukraine braucht sie dringend.
![Soldaten üben während der Gefechtsausbildung auf einem Truppenübungsplatz Soldaten üben während der Gefechtsausbildung auf einem Truppenübungsplatz](https://taz.de/picture/6845568/14/34731344-1.jpeg)
E inige europäische Staaten sind noch immer sehr zurückhaltend in ihrer bilateralen Militärhilfe für die Ukraine. Zu den sparsamsten Staaten des Ramstein-Formates gehören Italien, Spanien, Portugal, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Damit nutzen sie die Großzügigkeit ihrer Verbündeten aus, kehren ihrer früheren Führungsrolle den Rücken und untergraben den Zusammenhalt Europas. Die bilateralen Militärhilfen Dänemarks (3,5 Milliarden Euro), Norwegens (3,6 Milliarden Euro) und der Niederlande (2,5 Milliarden Euro) übersteigen die von Frankreich, Italien und Spanien.
Die USA engagieren sich mit 44 Milliarden Euro, Deutschland mit 17 Milliarden Euro und das Vereinigte Königreich mit über 6 Milliarden Euro. Zu der vom französischen Präsidenten ab Juni 2022 angekündigten verstärkten Kriegswirtschaft kam es in Frankreich nicht. Zwar wurde die Produktion der selbstfahrenden CAESAR-Haubitzen verdoppelt, doch die als vorrangig eingestufte Granatenproduktion stellt nur 3.000 Granaten im Monat her, während der monatliche Bedarf der Ukraine in die Hunderttausende geht.
Die Militärhilfe der Ramstein-Länder erreicht mit einer Milliarde Euro monatlich seit vielen Monaten einen Tiefstand. Derweil stockt Russland seinen Verteidigungsetat um 68 Prozent auf 106 Milliarden Euro auf. Das Budget der Ukraine beträgt 43 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund erscheint es hinfällig, darüber zu debattieren, ob man die Ukraine nun „so lange wie nötig“ unterstützen solle oder aber „so schnell wie möglich alles bereitstellen [solle], was der Ukraine zum Sieg verhilft“.
Es wird beides brauchen: die Lieferung guter und zahlreicher Waffen, und zwar dauerhaft. Besonders die Länder, die sich bislang am sparsamsten gezeigt haben, sollten ein starkes Signal für eine langfristige Unterstützung auf qualitativer und quantitativer Ebene setzen. Wenn Dassault Aviation seine Produktionskapazitäten verdoppeln kann, wie CEO Eric Trappier behauptet, könnte Frankreich im Rahmen der bilateralen Militärhilfe für die Ukraine bald zwei Staffeln, also 24 Kampfflugzeuge, der Art Rafale bereitstellen sowie mit Zustimmung der anderen EU-Mitgliedstaaten noch zwei weitere Staffeln im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität (EFF) produzieren. Dies koste insgesamt rund 5 Milliarden Euro.
ist Journalist und ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments.
Sicherheitsgarantien oft weniger wert als Papier
Der Leonardo-CEO Roberto Cingolani würde die Herausforderung annehmen, die Produktionskapazitäten für den NH90 zu verdoppeln, damit Italien bald 40 Hubschrauber und – mit der Zustimmung der anderen EU-Mitgliedstaaten – noch 40 weitere im Rahmen der EFF liefern kann. Die Kosten hierfür beliefen sich auf etwa 3,5 Milliarden Euro. Dies wäre zweifellos ein starkes Signal und ein Anreiz für andere Mitglieder des Ramstein-Formates, Hunderte von Patriot-, ATACMS-, Taurus- und Storm Shadow-Raketen sowie zusätzlich zu den bereits geplanten 60 noch 150 weitere F-16-Flugzeuge zu liefern.
Wie der aktuelle Bruch des Budapester Memorandum erneut zeigt, sind Sicherheitsgarantien oft weniger wert als das Papier, auf dem sie gedruckt sind. Die Lieferung von Waffen in der richtigen Menge und Qualität ist heute die einzige wirkliche Sicherheitsgarantie, die wir der Ukraine geben können. US-Präsident Biden erklärte, die Ukraine werde bald „Teil der Nato“ sein, „unmittelbar nachdem sie diesen Krieg gewonnen hat.“
Zu den Erstunterzeichner:innen des Appells gehören unter anderem: Franziska Davies, Fellow am Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam, Timothy Garton Ash, Professor für Europäische Studien, der Historiker Karl Schlögel sowie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und der Vorsitzende des Europaausschusses Anton Hofreiter.
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