Der Bundesadler im Plenarsaal des Bundestages leicht verwischt

Foto: Political-Moments/imago

49 Abgeordnete für Prüfung:„Prüft ein AfD-Verbotsverfahren!“

Die Rufe nach rechtlichen Schritten gegen die Afd werden lauter. Eine taz-Umfrage zeigt: 49 PolitikerInnen wollen ein Verbotsverfahren prüfen.

17.1.2024, 19:42  Uhr

Seitdem bekannt wurde, dass sich AfDler­ mit anderen Rechtsextremisten in einem Hotel nahe Potsdam getroffen haben, um Pläne einer massenhaften Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu diskutieren, ist die Frage wieder voll entbrannt: Wie bekämpft man die AfD am besten? Es wird demonstriert und die Frage nach einem Verbotsverfahren heftig debattiert. Ein solches Verfahren könnten der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf den Weg bringen. Die Hürden für einen Erfolg von Parteiverbotsverfahrens aber sind hoch. Entsprechend groß ist die Sorge, das Ganze könnte danebengehen.

Foto: SPD

Aydan Özoguz, SPD Hamburg

„Die AfD ist eine rassistische, menschenverachtende Partei. Daher befürworte ich die genaue Prüfung eines Verbotsverfahrens. Das ist bisher nicht hinreichend passiert. Denn zu Recht gibt es hohe Hürden für ein Verbot. Ein Verbotsverfahren alleine wird aber auch nicht die Lösung sein“

Nun aber formieren sich im Bundestag Abgeordnete aller demokratischen Fraktionen, die zumindest prüfen wollen, wie groß die Erfolgsaussicht eines Verbotsantrags wäre. Und manche sind bereits entschieden, dass ein Weg nach Karlsruhe richtig wäre. Fünf Prozent der Bundestagsabgeordneten reichen aus, um das Thema im Bundestag auf die Tagesordnung zu setzen – das sind 37 Abgeordnete. Sie könnten beantragen, dass die Bundesregierung die Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens prüfen soll. Oder dass der Bundestag einen Antrag auf Verbot beschließt. Sie müssten dann in einem zweiten Schritt die Mehrheit der Abgeordneten für ihr Anliegen gewinnen.

Die taz hat sich im Parlament umgehört: Die notwendige Zahl an Abgeordneten, um das Vorhaben anzuschieben, wäre beisammen. 49 Par­la­men­ta­rie­r*in­nen sind der Ansicht, dass zumindest geprüft werden soll, ob ein Antrag auf ein AfD-Verbot wirklich aussichtsreich wäre. Bei SPD, Grünen und Linken ist diese Meinung verbreiteter als bei Union und FDP. Bei den Abgeordneten aus den ostdeutschen Bundesländern ist sie – anteilig betrachtet – häufiger zu finden als bei denen aus westdeutschen, bei Par­la­men­ta­rie­r*in­nen aus Familien mit Migrationsgeschichte zahlreicher anzutreffen als bei denen ohne.

Foto: FDP

Tim Wagner, FDP Thüringen

„Ich habe Sympathie für ein Verbot der AfD. Die Partei ist bei uns in Thüringen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Wir alle merken, wie gefährlich sie ist. Jedoch muss dieses Verfahren auch Aussicht auf Erfolg haben“

Ob sie sich alle fraktionsübergreifend hinter einem gemeinsamen Antrag versammeln werden, ist aus vielen Gründen ungewiss. Der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz aus Sachsen sucht seit Längerem Mit­strei­te­r*in­nen für einen Antrag im Bundestag. Wie viele er bereits gefunden hat, will er noch nicht sagen.

Käme es tatsächlich zu einem Verbotsantrag in Karlsruhe, bräuchte es am Ende eine Zweidrittelmehrheit des verantwortlichen Senats. Das Grundgesetz nennt die Voraussetzungen dafür, in Artikel 21 Absatz 2: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“

Foto: Rainer Unkel/imago

Susanne Hennig-Wellsow, Die Linke Thüringen

„Die AfD verletzt permanent das Gebot der Menschenwürde und damit einen Grundpfeiler unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Der Staat hat die Pflicht, dagegen vorzugehen“

Was das genau heißt, war lange unklar. Schließlich ist es schon sehr lange her, dass das Bundesverfassungsgericht eine Partei verboten hat: 1952 wurde die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten, 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands.

Foto: Sascha Krautz

Reem Alabali-Radovan, SPD Mecklenburg-Vorpommern

„Menschen mit Einwanderungsgeschichte fürchten gerade um ihre Sicherheit. Dem dürfen wir nicht zusehen. Ein Parteiverbot kann ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen die Verfassungsfeinde der AfD sein“

2003 und 2017 scheiterten dagegen zwei Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD, die sich heute „Die Heimat“ nennt. Beim ersten Mal an Verfahrensfehlern, beim zweiten Mal wurde der Partei zwar attestiert, dass sie verfassungsfeindliche Ziele vertrat – sie sei aber zu unbedeutend, um diese durchzusetzen.

Diesen Punkt könnte man bei der AfD kaum noch behaupten. Nachgewiesen werden müsste aber, dass die Partei gezielt die demokratische Grundordnung beseitigen will. Das AfD-Programm beweist das wohl nicht, entscheidender wären verfassungsfeindliche Äußerungen der Funk­tio­nä­r*in­nen und rechtsextreme Kontakte. Bereits heute führt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall. Die Partei klagte zuletzt dagegen, im Februar will das Oberverwaltungsgericht Münster darüber entscheiden. Die AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind dagegen vom Verfassungsschutz bereits als erwiesen rechtsextrem eingestuft.

Foto: HMB-Media/imago

Roderich Kiesewetter, CDU Baden-Württemberg

„Die Bundesregierung sollte ergebnisoffen ein Verbotsverfahren prüfen, zuvörderst aber müssen wir mit klarer Kommunikation und inhaltlichen Lösungen jene wieder überzeugen, die aus Frust AfD wählen“

Die Bundesregierung hatte sich bisher ablehnend gegenüber einem AfD-Verbot geäußert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wollte zuletzt aber ein solches nicht mehr ausschließen. Vorher stehe aber die inhaltliche Auseinandersetzung. Auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) verwies aktuell im Stern auf die hohen Hürden für ein Verbot. Aber: „Sollte sicher nachgewiesen sein, dass eine Partei das Land in einen faschistischen Staat verwandeln will, gehört sie verboten, egal, wie stark sie ist.“ Stark werden könnte die AfD bei den Wahlen in diesem Jahr, bei Kommunalwahlen sowie den Wahlen zum Europaparlament und zu den Landtagen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.