Finanzpolitik der Ampel-Koalition: Die Regierung muss nun prüfen

Nach dem Klimafonds-Urteil ist offen, wie die 60-Milliarden-Lücke gefüllt wird. Wirtschaftsminister Habeck warnt vor Folgen für die Industrie.

Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, läßt sich auf seiner Sommerreise in dem Handwerksbetrieb Temperaturwerk für Heiztechnik von dem Geschäftsführer Marco Goetzke in einem Heizungskeller moderne Heiztechnik erklären.

Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) im Juli bei einem Handwerksbetrieb in Köln Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Berlin taz | Auch eine knappe Woche nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) herrscht in der Bundesregierung Unklarheit darüber, welche Konsequenzen daraus folgen. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Auswirkungen zu prüfen“, sagte ein Regierungssprecher am Montag in Berlin. „Das sind sehr komplexe Fragestellungen, die man nicht einfach aus dem Ärmel schüttelt.“

Am vergangenen Mittwoch hatten die Karlsruher Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen entschieden, dass die Regierung Kreditermächtigungen für Coronahilfen in Höhe von 60 Milliarden Euro nicht in den KTF verschieben darf. Geklagt hatte die Union. Der KTF ist das zentrale Instrument der Bundesregierung für die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Durch die Entscheidung der Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen fehlen dem Fonds nun mehr als ein Viertel der Mittel.

Das Urteil ist sehr grundsätzlich angelegt. Deshalb hat die Entscheidung wohl nicht nur Folgen für die Finanzierung des KTF, sondern auch für die Bundesländer, die kreditfinanzierte Sondervermögen aufgelegt haben. Auch der Wirtschaftsstabilitätsfonds (WSF), über den die Energiepreisbremsen finanziert werden, könnte betroffen sein.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnt vor den Folgen des Urteils für die Industrie. Es gehe jetzt um „die Kernsubstanz der deutschen Wirtschaft“, sagte er dem Deutschlandfunk.

Folgen für den Wirtschaftsstabilitätsfonds

Zu den Vorhaben des KTF zählen neben Maßnahmen zur Dämpfung der Energiekosten viele klassische industriepolitische Projekte. Dazu gehören die Förderung der Ansiedlung der Mikroelektronik-Fabriken Intel in Magdeburg und der taiwanischen TSMC in Dresden, Wasserstoffprojekte etwa in der Stahlindustrie oder Mittel für die Batterieproduktion.

Der Forderung von Finanzminister Christian Lindner (FDP), die Modernisierung der Industrie mit weniger öffentlicher Förderung voranzubringen, sieht Habeck kritisch. „Mit weniger öffentlichen Subventionen zu modernisieren, wird dazu führen, dass nicht modernisiert wird“, warnte er. Dann gäbe es weniger Co2-Emissionen in Deutschland, aber nur, weil es weniger Industrie gäbe.

Auch für den WSF kann die Entscheidung in Karlsruhe herbe Konsequenzen haben. Über den Fonds stellt die Bundesregierung 200 Milliarden Euro für die Dämpfung der Energiekrise bereit, allerdings kreditfinanziert. Bis Ende Oktober sind daraus nach Angaben der Bundesregierung für die Finanzierung der Energiepreisbremsen für Bür­ge­r:in­nen und Unternehmen 31,2 Milliarden Euro abgeflossen. Unklar ist, ob diese Mittel hätten fließen dürfen. Die Regierung prüft das. Die Union erwägt, auch gegen den WSF zu klagen.

Der Klima- und Transformationsfonds speist sich aus Einnahmen aus dem CO₂-Preis, der pro entstandener Tonne gezahlt werden muss. Dieser Preis wird ohnehin zum 1. Januar von 30 Euro auf 40 Euro pro Tonne steigen, ab 2025 soll er bei 50 Euro liegen. Dadurch werden Sprit- und Heizkosten erheblich steigen. Durch eine noch stärkere Erhöhung des Co₂-Preises könnte ein Teil der Finanzierungslücke gefüllt werden. Habeck sieht das kritisch. Das würde erhebliche Auswirkungen für die Bür­ge­r:in­nen haben, warnte er.

Um die entstandene Lücke zu füllen, hat die Koalition mehrere Optionen. Sie könnte die Schuldenbremse erneut aussetzen oder reformieren oder Steuern erhöhen. Wie die Koalitionsparteien hier zusammenfinden, ist noch unklar.

Reform der Schuldenbremse

SPD und Grüne sprechen sich seit Längerem für eine Reform der Schuldenbremse aus. SPD-Parteichefin Saskia Esken plädierte nun dafür, die Schuldenbremse 2023 und 2024 wegen einer Notlage nicht anzuwenden. Auch SPD-Parteichef Lars Klingbeil mahnte: Das Urteil dürfe „nicht dazu führen, dass wir aufhören, unser Land zu modernisieren“.

Die FDP hat Steuererhöhungen bereits eine klare Absage erteilt und hält am Prinzip Schuldenbremse fest. FDP-Fraktionschef Christian Dürr brachte Sozialkürzungen ins Spiel. Die Koalition müsse darüber reden, wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten könne.

Das sieht auch Jens Teutrine so, Sprecher für Bürgergeld in der FDP-Fraktion. „Sozialer Fortschritt bedeutet nicht, dass der Sozialstaat immer teurer wird, sondern dass er wirksam denjenigen hilft, die wirklich Unterstützung benötigen und dass mehr Menschen ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften“, sagte er der taz. Teutrine ist überzeugt: Dem Staat stünden „ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung“, der Sozialstaat sei „nicht unterfinanziert“. Überraschend sind die Vorschläge der Liberalen nicht. Schon vor dem Urteil argumentierte die FDP immer gegen die Ausweitung von Sozialausgaben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.