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Abaya-Verbot an französischen SchulenKeine Bildung im Maxikleid

Gastkommentar von Maiyra Chaudhry

Frankreichs Verbot, mit einer Abaya in der Schule zu erscheinen, ist bitter für muslimische Schülerinnen. Internationaler Protest bleibt aus.

Seit diesem Schuljahr in Frankreichs Schulen verboten: muslimisches Überkleid Abaya Foto: Stephane Mahe/reuters

W ie in den meisten Ländern Europas hat auch in Frankreich erst kürzlich das neue Schuljahr begonnen. Allerdings war der Start nicht für alle Schülerinnen wie sonst. Insbesondere sind muslimische Schülerinnen von der neuen strikten Kleidervorschrift betroffen. Das Gesetz verbietet das Tragen einer sogenannten Abaya. Klingt sehr orientalisch, doch was ist diese Abaya?

Abaya steht im Arabischen für ein Kleid, um genauer zu sein für ein Maxi­kleid. Nicht mehr und nicht weniger. Ein typisches Maxikleid, wie es viele aus der aktuellen Sommer-Kollektion von H&M oder Zara kennen. Bildungsminister Gabriel Attal begründete das Verbot damit, dass die Religion der Schü­le­r*in­nen nicht zu erkennen sein sollte, wenn sie das Klassenzimmer betreten. Das Tragen eines religiösen Symbols sei nicht vereinbar mit dem Laizismus.

Doch wie lässt sich die Religion einer Schülerin an einem Maxikleid feststellen? Die Ironie des Verbots: Bei der Abaya handelt es sich um kein religiöses Symbol, sondern um ein gängiges Kleidungsstück. Schon in der letzten Woche wurden zahlreiche muslimische Schülerinnen, die eine Abaya trugen, deshalb von der „Bekleidungspolizei“ der Schule verwiesen. Wie kann es so weit kommen, dass in einem zivilisierten europäischen Land Mädchen das Grundrecht auf Bildung verwehrt wird?

Derartige Bildungsverbotsszenarien für junge Frauen kennt man eher aus Afghanistan. Doch die Welt schweigt. Wo bleibt die Solidarität mit den jungen Musliminnen in Frankreich? Nachbarländer wie Deutschland und Menschenrechtsorganisationen äußern sich bisher nicht zu dem diskriminierenden Gesetz, das unmittelbar auf die muslimische Minderheit zugeschnitten ist. Systematisch ist es dem Bildungsminister gelungen, Musliminnen vom Bildungserwerb auszuschließen.

Maiyra Chaudhry

ist Medien- und Kommunika­tionswissenschaftlerin. Sie setzt sich ehrenamtlich für den interreligiösen Dialog ein und engagiert sich bei Antirassismuskampagnen. Als freie Journalistin beschäftigt sie sich mit den Themenschwerpunkten Medienkritik, Diskriminierung und Religion.

So werden Gesetze toleriert, die jungen Frauen vorschreiben, was sie (nicht) zu tragen haben. Gehen wir den Weg der Unterdrückung mit oder erheben wir unsere Stimmen gegen diese Art des Zwangs und Unterdrückung?

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29 Kommentare

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  • Wenn es sich denn um ein religiöses Symbol handeln würde. Es sind doch viel eher politische Symbole.

  • Solange in muslimischen Ländern Kleidervorschriften für Frauen restriktiv sind...Frauen für die Nichteinhaltung geächtet und sogar bestraft werden, kann ich dem Verbot, in französischen Schulen die Abaya zu tragen, zustimmen!.." dann sollen bitte auch alle Kreuze aus den bayerischen Schulen entfernt werden"..."Ist es nicht sonderbar, dass man Eures Gottes Freund nicht sein kann, ohne ein Freund der Vernunft und des gesunden Menschenverstandes zu sein?! (Jean Meslier)

  • In einer freiheitlichen Demokratie schreibt der Staat nicht vor, wie sich die Buerger zu kleiden haben. Ausnahmen kann es allerhoechstens bei Nacktheit oder Verdeckung des Gesichts im oeffentlichen Raum geben.

    Aber bei diesem Thema ist mir schon haeufig aufgefallen, wie schnell sich die Spreu vom Weizen trennt, wenn man nicht selbst betroffen ist.

  • Frau Chaudry sollte kritsch über die Rollenzuweisungen schreiben, die Männer im Islam (und anderen Religionen) Frauen von klein auf zuweisen, damit sie einen angeblich religiösen Lebenswandel im Alltag führen.



    Wehe, es wäre umgekehrt und muslimische Frauen würden in ihren Gemeinden in Deutschland versuchen, für liberale Kleidungsvorschriften oder das Männer und Frauen zusammen beten werben und das mit neusten Erkenntnissen aus der kritischen (eben nicht wörtlichen) Interpretation des Islam untermauern.



    Abgesehen davon, dass etliche Religionen zig Argumente finden, warum Frauen nicht dasselbe tun dürfen wie Männer.



    Der Feminismus setzt sich mit genau diesen Punkten kritisch auseinander. Was ist die Perspektive von Frau Chaudry auf den Feminismus, bzw. welcher Iman setzt sich weltweit positiv für den Feminismus ein?



    Frau Chaudry baut einen Popanz auf, wenn sie behauptet, Frankreich würde Frauen, die die Abaya nicht in der Schule tragen dürfen, Bildung verweigern.



    Ist es kein subtiler über Sozialisation ausgeübter Zwang, wenn kleine Mädchen von klein auf lernen, was sie im Gegensatz zu kleinen Jungen nicht dürfen, wenn sie älter sind?

  • Eine Abaya wird nur von Muslimas getragen, oft in Verbindung mit einem Kopftuch. Von daher kann anhand dieser Kleidung auf die Religion der Trägerin geschlossen werden. Wenn das Ziel in Frankreich ist, dass die Religion der Schü­le­r nicht zu erkennen sein sollte, wenn sie das Klassenzimmer betreten, dann ist das Verbot der Abaya nur folgerichtig.

  • Die Abaya ist ohne jeden Zweifel ein religiöses Bekenntnis und hat damit in einer laizistischen Schule nichts, aber auch wirklich gar nichts zu suchen. Gerade dieses Prinzip stellt den Zugang zur Bildung unabhängig von Religion und Herkunft sicher. In dem Zusammenhang sollte man vielleicht das Thema "Schuluniform" neu bewerten. Die Situation heute ist eben eine andere als in den 70er Jahren.

  • Wäre nicht ein Vergleich mit dsem türkischen Kopftuchverbot passender als gleich die Taliban zu bemühen?

  • Der Bikini ist nur die letzte Bastion der Religion 🤫

    Scham scheint für Männer ein religiöses Konstrukt zu sein. Weshalb die ganz eifrigen Männeken demnächst begierig ein Kleidungsverbot für Frauen fordern. 🤪

  • Was soll der brachiale Afghanistan-Vergleich?? Geht es hier um möglichst markige Anklagen oder um Inhalte?

    Inhaltlich schießt die Autorin nämlich mit ihrer These, Musliminnen würden durch ein Abaya-Verbot systematisch von der Bildung ferngehalten, letztlich ein Eigentor. Denn sie suggeriert, eine ("typische") Muslima könne nur am öffentlichen Leben teilnehmen, wenn sie eine Abaya trägt. Das ist exakt die übergriffig-vereinnahmende Denke hinter solch religiös aufgeladenen Kleidungsstücken, die gerade der französischen Vorstellung von der Gestaltungsmacht, die Religion in der Gesellschaft entfalten darf, anathema ist.

    Man mag den Eingriff in die Entfaltungsfreiheit von Privatpersonen für übertrieben halten - wie man das anderswo über Schuluniformen denken mag - und dass es sich (allerdings ehrlicherweise von BEIDEN Seiten - dem Staat UND der betroffenen Religion) mal wieder um einen Streit darum handelt, wer Frauen und Mädchen vorschreiben darf, was sie anzuziehen haben. Aber dieses "Ich trage xyz, also bin ich (und ohne kann ich nicht sein)." ist nur Wasser auf die Mühlen derjenigen, die das insbesondere im Fall von religiös aufgelandener "Pflicht"-Bekleidung für gerechtfertigt halten.

    Und ja, Frau Chaubry, es gibt einen - gar nicht mal soo feinen - Unterschied dazwischen, Kleidung zu tragen, wie frau lustig ist, und Kleidung zu tragen, die frau meint tragen zu MÜSSEN. Wer den in seinen Betrachtungen nicht einmal erwähnt, ist allenfalls in der Blase, die das mit dem "Müssen" auch so sieht, wirklich diskursfähig.

    • @Normalo:

      Oh Mann. Das ist doch wirklich eine eigene Sache und klar, die ist von Kultur mitgeprägt.



      Ich meine zum Beispiel lange Hemden tragen zu müssen und lege Wert auf ein gepflegtes sauberes Erscheinungsbild. Das ist eine Frage der Erziehung und Kultur. So. Ist das genehmigt? Oder muss erst im Einzelfall der kulturelle Hintergrund genannt werden?

    • @Normalo:

      Danke, auf den Punkt gebracht!

  • Vom Miniverbot zur Minipflicht. Die Welt is völlig verdreht

  • Der Herbst ist warm genug, um im knappsten Bikini gegen das AbayaVerbot zu protestieren.



    Denn irgendwie sind die Diskussionen sonst immer, die Mädchen wären zu knapp gekleidet. Und jetzt sind sie plötzlich zu züchtig gekleidet.



    Aber Diskriminierung von Frauen war sich ja nie zu schade auf logische Konsistenz zu pfeifen, wenn es den eigenen Zielen diente.

  • ""Systematisch ist es dem Bildungsminister gelungen, Musliminnen vom Bildungserwerb auszuschließen."

    Falsch. Das ist keine pauschale Maßnahme gegen Musliminnen, denn es gibt sehr viel mehr muslimische Schülerinnen die keine Abaya tragen.

  • Bisher hatte ich keine Vorstellung vom Kleidungsstück Abaya. Wenn das Bild zum Artikel typisch ist, verstehe ich die Diskussion nicht. das ist einfach nur eine Frau im langen Kleid/Mantel. Da könnte man im Sommer genausogut dicke Winterjacken verbieten, weil sie jahreszeitlich unangepasst erscheinen.

  • "Systematisch ist es dem Bildungsminister gelungen, Musliminnen vom Bildungserwerb auszuschließen."

    Es könnte bei Kleidungsvorschriften einen kleinen Unterschied zu Afghanistan geben, der dann auch den Satz eher fraglich erscheinen lässt. Ob die nötig sind, darüber kann man diskutieren, aber eine UN Resolution ist wohl nicht erforderlich.

  • Meinungsstreit aber schlicht falsch was die Autorin hier von sich gibt. Frankreich verwehrt nicht Mädchen das Grundrecht auf Bildung; das zu behaupten und Frankreich auf eine Stufe mit Afghanistan zu stellen ist stumpfe Polemik. Frankreich verbietet lediglich das Tragen eines bestimmten Kleidungsstücks, nämlich der Abaya. Ob es der richtige Schritt ist darüber lässt sich streiten, aber die Beweggründe hierfür sind klar nämlich einem fundamentalistischen Islam entgegenzuwirken aus der Angst heraus am Ende genau die Verhältnisse wie in Afghanistan zu haben wo Mädchen mit dem Verweis auf diese Religion der höhere Schulbesuch verwehrt wird.

  • Hm, vielleicht liegt es an der Bildauswahl für diesen Artikel, aber ich meine, diese Art von ganz normalem Kleidungsstück in meiner Großstadt immer nur in Verbindung mit Kopftuch zu sehen. Von daher kann man schon argumentieren, dass es im normalen Gebrauch ein religiöses Symbol ist (so wie ein Fisch-Aufkleber am Auto). Der Rest ist dann eine einfache Folge des starken Laizismus in Frankreich

  • Hat jemand den Test mit dem Maxikleid von H&M gemacht? Evtl. zusammen mit einer "christlichen" Mitschülerin?

    So könnte man merkwürdige Vorschriften ad absurdum führen.

  • "Systematisch ist es dem Bildungsminister gelungen, Musliminnen vom Bildungserwerb auszuschließen."

    Ach ja? Tragen denn alle Musliminnen Abaya?

    Und davor schreibt die Autorin noch: "Bei der Abaya handelt es sich um kein religiöses Symbol, sondern um ein gängiges Kleidungsstück. "

    Na, wenn es nur ein gängiges Kleidungsstück ist, wo ist dann die Diskriminierung von Muliminnen?

  • "Frankreichs Verbot, mit einer Abaya in der Schule zu erscheinen, ist bitter für muslimische Schülerinnen. Internationaler Protest bleibt aus."

    Dieser bleibt zu Recht aus. Religiöser Tand kann privat ausgelebt werden, aber nicht in der Schule. Wenn, dann "ist es bitter" für die Muslime, die fortwährend Frauen als minderwertige Menschen behandeln.

    Schauen Sie auf Iran : Frauen stehen auf gegen religiöse Obsessionen alter Männer.

    • @Zebulon:

      "Religiöser Tand kann privat ausgelebt werden"

      Was haben Sie nicht daran verstanden, dass die Abaya nur ein langes Kleid ist und mit Religion nichts zu tun hat.

      Das ganze ist nichts weniger als ein weiterer rechter Backslash gegen arabische Kultur.

      Und nein, im Iran sind die Frauen nicht dafür auf die Straße gegangen, damit Männer ein Verbot langer Kleider erlassen und nur noch kurze Röcke erlauben. Das ist nur fantasierte männliche Realität

    • @Zebulon:

      wenn religion an der schule nicht stattfinden darf, dann sollen bitte auch alle kreuze aus den bayerischen schulen entfernt werden. und der religionsunterricht, der sich in bayern fast komplett auf das katholische christenthum fokussiert, soll auch abgeschafft werden.

      • @herstory:

        Ich verstehe nicht wieso Frankreich Kruzifixe in Bayern verbieten sollte.



        Und tatsächlich gab es eine ähnliche Diskussion in Frankreich über Krippen zu Weihnachten in Rathäusern. Diese wurden teils abgebaut. Den genauen Stand kenne ich da allerdings nicht.

      • @herstory:

        Nichts dagegen. Allerdings geht es hier ja um Frankreich, und ich wette das dort in den Schulen keine christlichen Kreuze an den Wänden hängen.

      • @herstory:

        Beides ist extrem: Frankreich extrem laizistisch, Bayern extrem affin für die vorherrschende Konfession (für einen säkularen Staat). Über Beides kann man trefflich streiten, aber gegen das Eine zu sein, muss nicht heißen, gleich für das Andere sein zu müssen. Ich finde z. B. Kruzifixe an der Wand in Schulen ebenso ungehörig wie ein Abaya-Verbot.

      • @herstory:

        Hier ist die Rede von Frankreich und nicht von Bayern....sehe ich allerdings genauso....und wenn man schon alle Schüler in der Schule gleichstellen will, dann bitte einfach die Schuluniform wieder einführen, die macht jede weitere Dikussion überflüssig

  • Es gibt so Vieles, gegen das ich meine Stimme erheben sollte (und doch nicht tue) - das Verbot eines Kleidungsstücks in Frankreich wird mich eher nicht dazu bewegen.

  • Dieses Argument ist ausgesprochen inkonsistent. Entweder die Abaya ist ein "typisches Maxikleid" ohne religiöse Bedeutung, oder sie hat etwas mit dem Islam zu tun. Ist sie ersteres, ist ihr Verbot logischerweise keine Diskriminierung von Muslimen. Ist sie letzteres, ist die Argumentationskette, es handele sich um ein "gängiges Kleidungsstück" falsch. Da sollte man sich schon entscheiden. Im gleichen Absatz zu sagen, die Abaya sei quasi areligiös, aber ihr Verbot führe zur Diskriminierung von Muslimen, ist unlogisch. Wenn man dann noch selbst sagt, es sei absurd, die Religion eines Mädchens an einer Abaya festzustellen, nur um fortzufahren, dass zahlreiche "muslimische Schülerinnen von der Bekleidungspolizei der Schule verwiesen wurden", dann ist das erst recht widersprüchlich, denn anscheinend kann die Autorin die Religion von Mädchen durchaus am Tragen der Abaya erkennen. Mal abgesehen davon, dass es nicht logisch erklärbar ist, wieso dieses Verbot muslimische Schülerinnen systematisch vom Bildungserwerb ausschließt, wenn es doch nur um ein harmloses Maxikleid ohne jede Bedeutung geht.

    Ganz ehrlich: Ich hatte (und habe) zum Abaya-Verbot keine große Meinung, aber dieser Artikel motiviert mich sicher nicht, gegen das Verbot zu protestieren. Mir scheint, hier wird möglicherweise nicht ganz ehrlich argumentiert, sonst wären so offenkundige Widersprüche, wie ich sie im ersten Absatz geschildert habe, der Autorin selbst aufgefallen.