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Grüne zum EU-AsylkompromissNicht mehr Teil der Bewegung

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Das grüne „Ja, aber“ ist realpolitisch gesehen verständlich. Trotzdem wird es die Partei verändern.

Wohlabgewogene Realpolitik: Grüner Länderrat am Sonnabend Foto: Boris Roessler / dpa

D ie Grünen haben sich beim Streit um den EU-Asylkompromiss geschmeidig und rational verhalten. Sie fordern nach wie vor Verbesserungen wie ein sogenanntes Menschenrechtsmonitoring und Familien von den Asyllagern auszunehmen – scheuen aber die Drohung, grüne MinisterInnen in der Ampel auf ein Nein zu verpflichten. Das hätte die nächste Ampel-Krise bedeutet – in letzter Konsequenz den Bruch der Koalition. Dafür aber sind die politischen Frontverläufe zu kompliziert, unübersichtlich, uneindeutig.

In der EU gibt es schlicht keine Mehrheit für eine liberale, offene, an Menschenrechten orientierte Asylpolitik. Außenministerin Annalena Baerbock hat bei den Verhandlungen auch keine hidden agenda verfolgt – getreu dem Motto, insgeheim eine restriktive Linie zu wollen, die man listig den politischen Sachzwängen anlastet. Deshalb wäre eine faktische Misstrauenserklärung der Partei an sie zu schrill gewesen.

Ja, eine moralisch intakte Partei muss, wenn es um fundamentale Werte geht, auf Macht und Einfluss verzichten können. In diesem Fall aber hätte das Kosten produzieren können – wie den Bruch der Regierung –, ohne dass auf der anderen Seite ein klarer Gewinn erkennbar wäre. Denn ob das, was künftig an den EU-Grenzen mit den Asylzentren passiert, noch schlimmer sein wird als das, was derzeit dort geschieht, kann man beim derzeitigen Stand vermuten und befürchten – aber nicht sicher wissen. Wahrscheinlich ist indes, dass man mit einem Aus des EU-Asylkompromisses auch noch den migrationsskeptischen Regimen in Polen und Ungarn einen Gefallen getan hätte.

Das grüne „Ja, aber“ ist nach den Geboten realpolitischer Abwägung also nachvollziehbar und verständlich. Dass sich die Partei für ihre Streitkultur ein paar Mal zu oft selbst auf die Schulter klopft, ist eher ein ästhetischer Schaden.

Mitverantwortlich für EU-Außengrenzen

Und doch hat diese elastische Vernünftigkeit und wohlabgewogene Realpolitik ein Preisschild. Es ist nicht direkt sichtbar, eher versteckt im Hintergrund. Die Zeiten, als sich die Grünen, wenn es gerade passte, als eine Art parlamentarischer Arm von Pro Asyl in Szene setzen konnten, sind endgültig vorbei. Die Grünen sind nicht mehr Teil einer Bewegung, die entschlossen für das individuelle Recht auf Asyl streitet. Sie sind ab jetzt mitverantwortlich für das, was an der EU-Außengrenze geschieht.

Das wird die Grünen prägen, nicht so spektakulär wie einst die Agenda 2010, die mit einer spektakulären Wende die SPD zu einer anderen Partei machte – sondern eher in einem Prozess der Gewöhnung an das scheinbar Unabänderliche. Dieses Jein wird die Grünen lautlos, unmerklich und nachhaltig verändern. Nicht zum Guten.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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54 Kommentare

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  • "und das zeigt leider auch, wie schnell die Grünen trotz aller Kompromissfähigkeiten an die Grenzen der Realität gestoßen sind" --> Ich sehe das anders. Die moralinsaure Fundi-Abteilung ist an die Grenzen der Realität gestoßen und beginnt zu verstehen, dass sie ihr Menschen- und Gesellschaftsbild nicht einfach jedem aufoktroyieren kann. Das ist eine gute Entwicklung, jedenfalls nach meinen moralisch-ethischen Standards.

    Was übrig bleibt ist (hoffentlich) eine zugewandte Sachpolitik, die das Leben der Regierten inkrementell verbessert, statt ewiger Luftschlösser. Es gibt nun weiß Gott genug Bereiche, in denen sich Verbesserungen erzielen ließen.

    Ein hartes Aufschlagen ideologischer Luftschlösser auf dem Boden der Realität tut dem einen oder anderen der Fundis mal gut.

    Ich würde also nicht sagen, dass die fetten Jahre vorbei sind, sondern dass das Oberwasser einiger weniger Hardcore-Fanatiker (hoffentlich) endet.

  • Ach dem Kommentator fällt jetzt auf, dass die Partei "Die Grünen" kein Bestandteil der Bewegung für das Recht auf Asyl sind? Da sind wir aber überrascht, haben sie doch bei der Umwelt- und Energiepolitik schon lange die Seiten gewechselt. Der Länderrat, ein Funktionärstreffen, umjubelte die Fensterrede der Außenministerin - man setzt jetz auf die Initiative in der EU - so wiegelte einst Merkels Groko die Verantwortung für das eigene Nicht-Handeln auch ab. Dazu gehört, dass sich die Grüne Führung in Gestalt Habecks auf die Umweltbewegung als Gegner einschießt. Sie gibt die Last Generation gemeinsam mit der Bild-Zeitung zum gesellschaftlichen 'Abschuss' frei So agierte einst die SPD auch mit ihren Jusos während der Anti-AKW-Bewegung der Ära Schmidt.

  • Hätten nicht die Grüne Ministerin zugestimmt, sonder Seehofer, hätte ich die Artikel lesen wollen. Da hätte man sicher nicht verständnisvoll das Schutzmäntelchen um den Minister gehängt. Rechtpopulismus wäre das mindeste, was man urteilend gerufen hätte, wenn man sich die Reaktion auf die Rede einer Ex-Sportlerin ansieht. Sei es drum.

  • Afghanistan war schon ein nie-wieder-gutzumachender Bruch der Partei, hin zur Schulterzuckerei allenthalben. Besonders die jahrelange, feige und äußerst hochnäsige Praxis, eine Wieder-Beschäftigung mit diesem in der Schröder-Regierung (wohl international tatsächlich unausweichlichermaßen) selbst mit verantworteten Einsatz, der dann so ganz ganz ganz anders verlief als mindestens ein Jahrzehnt lang ständig behauptet, auf die ewiglange Bank zu schieben. In der infantilen Hoffnung, irgendwie-und-wann werde dieses Thema einfach verschwinden. Ist es ja dann auch - mit einem großen Knall galoppierender Inkompetenz von Washington bis Berlin. Petersberg zaubert Afghanistan-Demokratie , meine Fresse.

  • Es gibt keinen Asyl"kompromiss". Die EU streitet gar nicht. Die grünen Vorstellungen sind nicht mehrheitsfähig und im Europäischen Rat nicht einmal disskussionsfähig. Annalena Baerbock hatte die Wahl, zuzustimmen oder sich überstimmen zu lassen und damit nicht nur Deutschland weiter zu isolieren, sondern auch jeglicher Einflussmöglichkeiten zu berauben. Die Grüne Jugend hat gefordert, "rote Linien zu ziehen". Deutschland setzt Europa rote Linien? Wieviele Kriege müssen wir noch verlieren, bis dieser deutsche Größenwahn aufhört? Wenn die Grünen jetzt in gesinnungsethischem Furor die Regierung kippen, sind sie in der nächsten Regierung nicht mehr dabei und das gibt in Deutschland einen ganz speziellen Klimawandel für Ausländer.

    • @Kurt Kraus:

      Ist das - in diesem Fall doch sehr halbherzige - Eintreten der Grünen für Menschenrechte wirklich "gesinnungsethischer Furor"? Sollte es tatsächlich möglich sein die Grund- und Menschenrechte per Mehrheitsbeschluss beschneiden oder gleich ganz abschaffen zu können? Wenn man meint das mit Ja beantworten zu können, gehört wohl nicht viel dazu zu antizipieren, dass man sich dann bald in ähnlich 'pragmatischer' Weiser darüber auseinandersetzen kann ob man nicht vielleicht das Problem der Langzeitarbeitslosen nicht in ähnlicher Weise mit Arbeitslagern 'lösen' könnte. Und auch für die auf uns zurollende Rentnerwelle wird sich sicher eine ganz 'pragmatische' Lösung finden lassen.

      • @Ingo Bernable:

        Können wir bitte endlich aufhören so zu tun, als seien die Menschenrechte eine deutsche Erfindung und allein die deutsche Interpretation (Verzeihung, die grüne deutsche Interpretation) sei die allein vertretbare? Die Welt will immer noch nicht am deutschen Wesen genesen, auch wenn es statt in Knobelbechern in Birkenstocks daherkommt. Man lastet uns übrigens immer noch Merkels handwerkliche Fehler und ihren Mangel an Abstimmung mit den Nachbarn vor. Wir haben wahrlich wenig Anlass, große Töne zu spucken.

        • @Kurt Kraus:

          Der Hinweis darauf, dass es - übrigens nicht nur nach 'deutscher Interpretation' - menschenrechtswidrig ist Männer, Frauen und Kinder ohne Gerichtsverfahren in Internierungslager zu stecken ist für sie die Fortsetzung des deutschen Kolonialismus und Imperialismus? Wie sollte eine solche Internierung denn mit einer angeblichen nicht-deutschen Interpretation von Menschenrechten unter einen Hut gehen?

      • @Ingo Bernable:

        Ich finde ihre Antwort gruselig, wenn Sie hier mal so ganz locker lässig über Arbeitslager und „pragmatischen“ Lösungen schreiben. Man kann’s mit „Weiterspinnen“ auch übertreiben.

        • @Siggi-20:

          Natürlich ist das gruselig, eben genauso gruselig wie die das was die EU nun ganz real an ihren Außengrenzen betreibt. Daher denke ich nicht, dass es übertrieben ist, wenn man aus dem nun als Pragmatismus verkauften gewollten Bruch von Menschenrechten extrapoliert, dass vergleichbare Entscheidungen, nun nachdem man die Rote Linie bereits überschritten hat, auch in anderen Kontexten Schule machen könnten.

      • @Ingo Bernable:

        Die Realität belegt, dass zu diesem Antizipieren wohl doch eine ganze Menge gehört.

        Die meisten Länder Europas haben die Rechte für Flüchtlinge beschnitten, und trotzdem keine Arbeitslager für Langzeitarbeitslose eröffnet

        Auch Renter werden anscheinend noch nicht eingeschläfert.

        • @rero:

          Ich habe ja auch nicht behauptet, dass das bereits der Fall wäre, sondern weise darauf hin, dass es die nun getroffenen Entscheidungen eine derartige Entwicklung doch erheblich erleichtern. Und natürlich würde man offiziell ebensowenig von Arbeitslagern sprechen wie man von Internierungslagern spricht, sondern analog zu den 'Asylzentren' schon irgendeine nett daherkommende Bezeichung wie 'Ausbildungszentren', 'Wiedereingliederungstraining', ... finden.

    • @Kurt Kraus:

      "Die EU streitet gar nicht. Die grünen Vorstellungen sind nicht mehrheitsfähig" --> Zur (für zumindest Teile der Grünen bitteren) Wahrheit gehört, dass nicht einmal die Deutsche Gesellschaft streitet.

      Auch in der deutschen Gesellschaft sind die Vorstellungen der früher als "Fundis" bezeichneten Strömung und der Grünen Jugend nicht im Ansatz mehrheitsfähig. Auch bei anderen - zumindest dem Namen nach - linken Parteien nicht.

      Weder aus der SPD, noch aus der Linken hört man laute und prominente Gegenstimmen zum Asylkompromiss. Das zeigt, dass die Fundis und Grüne Jugend vielleicht die Moral auf ihrer Seite haben, ganz sicher aber nicht gesellschaftliche Mehrheiten.

      Deswegen ist es nicht überraschend, dass man nunmehr doch zugestimmt hat. Sowohl macht- als auch gesellschaftspolitisch ist das der sinnvolle Weg.

      • @Kriebs:

        So ist es leider -- und das zeigt leider auch, wie schnell die Grünen trotz aller Kompromissfähigkeiten an die Grenzen der Realität gestoßen sind. Die fetten Jahre sind vorbei, das weiß hier jeder. Also geht es nicht mehr um Humanität, Solidarität, Verantwortungsübernahme und dieses "Gedöhns" -- sondern darum, seine Pründe zu verteidigen gegen alle, die an die Fleischtöpfe wollen.



        Es steht zu befürchten, dass das alles noch viel schlimmer wird in den nächsten Jahren.

    • @Kurt Kraus:

      Harte Worte aber wahr.

    • @Kurt Kraus:

      Dann hoffen wir mal das nicht in der EU Anti-Kurt-Stimmen laut werden, aktiv dagegen etwas unternehmen sollen und werden wir ja nicht..

      Nur weil alle von der Brücke springen, müssen wir es nicht auch noch machen. Aber hey solange manche profitieren ,wie sie, ist es doch ganz gut so...

  • Was ich nicht so ganz verstehe: die Wagenknecht ist mittlerweile laut hunderten Artikel in der TAZ rechtsaussen angekommen, weil sie Dinge sagt wie:" wir können nicht alle Geflüchteten aufnehmen".

    Die Grünen setzen genau das um und dann ist es "realpolitisch verständlich"?



    -okay....

    • @Alfonso Albertus:

      Die Grünen setzen es um, weil sie überstimmt werden.

      Sie würden es aber ffenbar mehrheitlich gerne.

      Wagenknecht will es nicht.

      Manche Äußerungen wirken so, als würde sie eigentlich viel weniger wollen.

    • @Alfonso Albertus:

      schreiben Sie sonst auch 'der Habeck', ''der Merz'', der Scholz etc?



      Nur mal so aus Interesse.

      • @Eydeet14:

        Ja.

        Worauf auch immer diese Frage abzielen sollte...

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Warum wird gerade jetzt soviel Druck auf die Flüchtlinge gemacht.



    Gemessen an „anderen“ Flüchtlingen hält sich ihre Zahl ja in Grenzen.



    Auch die ewig dysfunktionale Asylpolitik ist a.) ein alter Hut und b.) mit diesem europäischen Paradigmenwechsel auch nicht gelöst.

    Ist das Ziel nicht in Wirklichkeit Platz zu schaffen für die „echten“ Flüchtlinge mit weisser Hautfarbe?

    • 8G
      80410 (Profil gelöscht)
      @48798 (Profil gelöscht):

      Mit der Angst vorm "südländischen Mann" konnte man in Europa doch schon immer leicht Stimmung machen.

  • "Wahrscheinlich ist indes, dass man mit einem Aus des EU-Asylkompromisses auch noch den migrationsskeptischen Regimen in Polen und Ungarn einen Gefallen getan hätte."



    //



    So kann mensch das dann auch verkaufen. Es geht doch um Grundsätzliches bei Menschenrechten, vieles ist für Aktivist:innen hier nicht verhandelbar. Die Bezeichnung Regime zeigt schon das Problem.

    • @Martin Rees:

      "Die Bezeichnung Regime zeigt schon das Problem."--> Naja, um hier mal zu kontextualisieren: Die Bezeichnung "Regime" wählt ein Journalist in einer der größten, wenn nicht der größten linken Tageszeitung der Republik. Man sollte nicht so tun, als wäre das neutral oder gar eine offizielle Klassifizierung.

      Nicht falsch verstehen, die Bezeichnung ist absolut legitim und meines Erachtens auch berechtigt, aber sicher keine allgemeingültige oder offizielle Sprachrichtung. Da muss man die Kirche auch mal im Dorf lassen.

  • Die Analyse ist richtig - nur dem letzten Satz widerspreche ich. Auch in der Frage der Migration sollte die Politik realistische mehrheitsfähige Ziele verfolgen und nicht elitär eine Minderheitenposition vertreten und durchzusetzen versuchen..

    • 8G
      80410 (Profil gelöscht)
      @Dr. McSchreck:

      Wer bestimmt denn, was mehrheitsfähig ist? Sollen alle Parteien ihr Profil und Programm zukünftig an aktuellen Umfragen ausrichten? Dann brauchen wir am Ende nur noch eine Partei und weder Diskurs noch Debatte. Demokratie ist keine Mehrheitsdiktatur und



      eine solche klingt auch nur so lange toll, wie Sie Ihre eigene Sicht der Dinge von der Mehrheit wiederfinden.

      • @80410 (Profil gelöscht):

        "Wer bestimmt denn, was mehrheitsfähig ist?" --> Einfache Antwort in einer Demokratie: Wahlen bestimmen das was mehrheitsfähig ist, was denn sonst.

        Und wenn eine Partei keine absolute Mehrheit erringt, ist mehrheitsfähig, worauf sich eine Koalition als Mindeststandard einigen kann.

        Und daher ist die Aussage schon richtig, die Position der Fundis und der Grünen Jugend ist, gemessen am Wahl- und Koalitionsergebnis, eine Minderheitenposition.

        Dies zeigt sich auch daran, dass alle anderen Parteien im Bundestag keine Grundlagenprobleme mit dem Ergebnis des Asylkompromisses haben.

      • @80410 (Profil gelöscht):

        Natürlich darf man sich für seine Überzeugungen einsetzen. Aber eine Machtposition im Bundesrat zu nutzen, um mit 10 Prozent Wähleranteil Gesetze zu blockieren, die die große Mehrheit des Bundestages und der Bürger will, halte ich für problematisch. Noch schlimmer wird es bei rechtswidriger Umsetzung des geltenden Rechts, wo man in den Kommunen Macht hat.

  • Bei der ganzen Theatralik kommt das zentrale Thema nicht zur Diskussion: Fluchtursachen identifizieren und Außenpolitik und Förderung diesbezüglich anpassen.



    Klar, da müsste man in der Praxis proaktiv, modern, innovativ sein. Ist die Stärke der Grünen nur solange man sich in der Theorie bewegt. Früher in der Oppo war das alles viel geschmeidiger!!

    • @Tom Farmer:

      Die Fluchtursachen liegen außerhalb jeder deutscher, sogar europäischer, Einflussmöglichkeiten.

      Wenn Erdogan, Putin oder die Taliban meinen Kriege zu führen um gezielt eine Mio. Menschen nach Europa zu treiben, dann kann Deutschland nichts dagegen tun.

    • @Tom Farmer:

      Klingt schön, was Sie fordern.

      Fluchtursachen zu identifizieren, ist recht simpel.

      Die Förderung hat es dagegen in sich.

      Nehmen wir noch ein relativ einfaches Beispiel:

      taz.de/Umgang-mit-...tling+roma+moldau/

      Die Frau sagt sehr offen, warum sie nach Deutschland gegangen ist.

      Wie soll die deutsche Außenpolitik umsetzen, dass in der moldauischen Provinz in Bergdörfern mehr Geschäfte und Arbeitsplätze entstehen und Kinder eine bessere Schulbildung erhalten, damit sie nicht als Analphabeten die Schule verlassen?

      Wie kann die deutsche Außenpolitik in strukturschwachen Region der Moldau den Menschen Lebenssinn vermitteln?

      Berücksichtigen Sie bitte, dass die Moldau ja bereits Beihilfen erhält, die verpuffen, weil das Land von Korruption zerrfressen ist.

      Dabei ist Moldova noch ein relativ einfacher Fall, weil das Land nur 2,6 Millionen Einwohner hat.

      Erzählen Sie mal den Tunesiern, dass sie in Tunesien bleiben sollen, damit sie nicht im Mittelmeer ertrinken.

      Nach Tunesien ist viel Geld geflossen.

      Das Land sollte eine Vorzeigegesellschaft werden.

      Genützt hat es wenig, es ist einer der beiden aktuellen Hotspots für Mittelmeerüberquerungen geworden,

      Und viele Tunesier sitzen in den Booten.

      Hexen können eben auch die Grünen nicht.

    • @Tom Farmer:

      Und das alles trotz der neuen feministischen Aussenpolitik der Grünen?

    • @Tom Farmer:

      „Fluchtursachen identifizieren und Außenpolitik und Förderung diesbezüglich anpassen.“



      Nun, auch das klingt eher nach wohlfeiler Sonntagsrede, weil es - in der Allgemeinheit formuliert - wirklich, aber auch wirklich von sämtlichen Parteienvertretern im politischen Spektrum so formuliert wird.



      Derweil eskaliert die Situation an den jeweiligen Aussengrenzen der EU und, sobald diese dicht gemacht sind, mal wieder auf dem Mittelmeer. Und es sterben täglich Menschen bei dem verzweifelten Versuch, die sicheren Häfen Europas zu erreichen.



      Und klar, Menschenhändlern und Schleppern, die die Notsituation von Menschen aus reiner Profitgierig ausnutzen, muss das Handwerk gelegt werden.



      Aber was tut die EU stattdessen? Moderne Sklavenhaltersysteme wie in Libyen alimentieren. Und Seenotretter kriminalisieren. Und, ach ja, dabei das Framing der Rechten bedienen, es handele sich um organisierte und gesteuerte Kampagnen derjenigen, die hierzulande die “Umvolkung” bzw. den “großen Bevölkerungsaustausch” vorantrieben. Jede restriktive EU-Maßnahme zum Schutz der EU-Aussengrenzen verschafft diesem Geraune und der europäischen Rechten nur Auftrieb.



      Mit den “Fluchtursachen bekämpfen” ist es wirklich so eine Sache, wenn wir die Zusammenhänge zwischen Fluchtmigration und den anderen Folgen der globalen Krise nicht einmal zur Kenntnis nehmen wollen, geschweige denn, uns weiter beharrlich weigern, die notwendigen Konsequenzen bei uns selbst ziehen.

  • Um also den "migrationsskeptischen Regimen in Polen und Ungarn" keinen Gefallen zu tun, müssen Menschen an den EU-Grenzen inhaftiert werden und / oder dann halt auch ertrinken. Uns Mitteleuropäern ist also dieser Preis, den andere mit ihrem Leben bezahlen, gerechtfertigt. Und das ganze lässt sich also auch noch mit der 'Moral' einer grünen Partei in Einklang bringen. Wie tief sind wir gesunken ...

    • 8G
      80410 (Profil gelöscht)
      @Tiene Wiecherts:

      Wir sind nicht tief gesunken, wir saßen schon immer an diesem tiefsten Grund unserer Hybris.

    • @Tiene Wiecherts:

      Wenn Ihre Vorstellungen von Migration umgesetzt werden sollen, muss Deutschland aus der EU austreten.

      Die Tatsache, dass in den meisten EU-Staaten die Bevölkerungen mehrheitlich keine Zuwanderung aus Ländern des globalen Südens wollen, lässt sich nicht wegdiskutieren.

      Es wäre machbar, dass Deutschland aus der EU austritt.

      Die Briten haben ja vorgemacht, dfass es geht.

      Dort spielte auch die Migration eine wichtige Rolle bei der Brexit-Entscheidung.

      • @rero:

        Die Briten haben gezeigt, dass es nicht geht. Für die Briten auf ihrer Insel ist es eine wirtschaftliche Katastrophe. Für uns in unserer Mittellage ist es Selbstmord, vermutlich nicht nur wirtschaftlich. Wir sind zu groß und zu sehr in der Mitte und zu übel beleumundet, als dass uns unsere Nachbarn aus der Reihe tanzen ließen.

        • @Kurt Kraus:

          Dann sollte man - in diesem Fall TIENE WICHERTS - seine Maximalansprüche zurückstellen, um einen Kompromis hinzukriegen.

  • Abgesehen davon, dass Menschrechte politisch immer selektiv gewertet werden, wird eine europäische Regelung des Asylrechts nicht auf deutschem Level zu erreichen sein. Es sind 27 Länder und nahezu alle haben niedrigere Standards.



    Wer also eine EU-weite Regelung haben will wird ebensolchen Standards zustimmen müssen.

    Abgesehen davon wäre mit einem Nein derzeit nichts gewonnen. Welche Konsequenzen sollen denn daraus folgen? Ende der Ampel? Neuwahlen? Ok, dann gibt es die Regelung eh und die AfD hat ein Propagandathema.

    Ok, dafür hat man ein gutes Gewissen.

  • Sturm im Wasserglas. Die Grünen machen seit 30 Jahren Politik wie Pinnebergers Auto fahren - links blinken und rechts rum fahren. Der großen Gemeinsamkeit der Demokraten, nämlich den Standort Deutschland mit der Waffe in der Hand gegen alle Anderen zu verteidigen, werden sie sich nie entziehen wollen. Dafür ist es schon lange zu spät.

  • Es wird einigen (vielen?) Grünen ganz recht sein, keine "moralische" Partei mehr zu sein. Das öffnet Handlungsspielräume und erleichtert das Mitregieren, denn eine grün geführte Bundesregierung wird es auch in Zukunft nicht geben.

    • @Elf:

      Es wird nur eine grün geführte Regierung nicht geben, es wird auch keine Regierung mit grüner Beteiligung mehr geben, die gegen die neoliberale Agenda verstößt und im Interesse der Menschen und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen regiert.



      Die Grünen machen sich so überflüssig, denn sie werden nicht einmal mehr als soziales und ökologisches Feigenblatt einer Wie-auch-immer-Koalition gebraucht.



      Und dann sage niemand, derartiges „pragmatische“ Regierungshandeln würde helfen, den Rechtsextremismus in diesem Land zu stoppen. Nein, derart unglaubwürdige Grüne, wie wir sie hier gerade erleben - das gilt natürlich auch für alle anderen demokratischen Parteien - leiten noch Wasser auf die Mühlen der AfD und machen sich so zu Totengräbern der Demokratie.

      • @Abdurchdiemitte:

        Danke! Wenn wir ehrlich sind, gab es so eine Regierung aber wahrscheinlich auch noch nicht, sicher nicht auf Bundesebene, und bei den Ländern auch wohl eher nicht ab Hessen abwärts, aber der Rest ist auch Geschichte. Ich würde den Mittelteil unterstreichen, sie schmeißen quasi mit ihren eigenen Selling Points, und damit spätestens mittelfristig in der Tat, ob man sie (in der Funktion) überhaupt noch braucht. Das Problem ist dann schon einfach die Konkurrenzsituation, gedrungene Mitte, gibt genug Optionen und die müssen ja nicht schlechter sein. Bei der personellen Substanz können sie mit den Großen sowieso nicht mithalten, ist glaub ich allen klar. Und was die inhaltliche Ebene angeht, werden bisherige Alleinstellungsmerkmale nun eben nach allen Regeln der Kunst abgefrühstückt. Die kommen auch nicht wieder, so nach dem Motto, "war alles gar nicht so gemeint". Ich weiß nicht worauf die überhaupt noch spekulieren, aber es muss sehr optimistisch sein, oder aber schon egal: soll die nächste Generation halt mal zusehen. Das heißt m.E. könnte sich der Preis für diese vier Jahre (glaube nicht mehr an acht) weit höher erweisen als hier angesetzt, wiewohl es natürlich im Artikel um die Partei als solche geht. Aber die Durststrecke nach rot/grün, lange ja weiter einstellig, war nicht grad kurz. Und damals lag es nicht mal unbedingt an ihnen. Dabei bezweifle ich stark, ob die Grünen ohne den Aufsprung auf den dankbaren Klimazug überhaupt so gewachsen wären. Auch das will sich erst mal wiederholen lassen. Wenn's blöd läuft, unterschätzen sie grad massiv, was sie an ihrer Kernanhängerschaft haben und das sind nun mal oft Leute, die sehr wohl und sehr genau hinsehen und manches womöglich auch einfach ernster nehmen, oder eben können, als die Funktionäre selber; in der Tendenz denk ich nach wie vor auch viele linker sind, zumindest in den Städten.

        • @Tanz in den Mai:

          Also, Sie können mir gerne Nostalgie oder eine verklärende Früher-war-alles-besser-Haltung vorwerfen, aber ich sage, die „ursprünglichen“ Grünen der frühen Achtzigerjahre haben gesellschaftspolitisch mehr Aufbruch erzeugt als das heute der Fall ist. Obwohl es sich damals mit so unterschiedlichen Leuten von Bastian und Kelly angefangen über Fischer bis hin zu Trampert und Ditfurth doch um eine ziemlich skurrile, heterogene Truppe gehandelt hat. Aber vielleicht war das das Erfolgsrezept.



          Zu der Zeit war ich Mitglied der SPD und bei den Jusos unterwegs. Mit Friedensbewegung, Anti-AKW-Bewegung usw. war es eh eine Zeit des Aufbruchs, nicht zu vergleichen mit dem Mehltau, der jetzt wieder auf unserer Gesellschaft liegt, trotz der bedrängenden Probleme, die wir heute haben. Und es hat sich - auch auf der Linken - Mut- und Perspektivlosigkeit breit gemacht.



          Als Juso, als grüner Roter hatte ich seinerzeit viel Hoffnung in die Grünen gesetzt, weil ich dachte, sie würden auch den alten Tanker SPD vor sich her treiben und zu neuen programmatischen Ufern führen. Ein Stück weit ist das ja geschehen. Die erste rot/grüne Koalition unter Schröder und Fischer brachte dann aber die Ernüchterung.



          Aber nach wie vor lasse ich es mir nicht nehmen, an die Macht der Utopie zu glauben. Denn wie heißt es in dem Heckerlied von 1848 so schön: er hängt an keinen Baume, er hängt an keinem Strick, sondern an dem Glauben von der freien Republik.

          • @Abdurchdiemitte:

            Tja, das was den Grünen in den 1980ern geholfen hat - die zahlenmäßig dominanten Babyboomer waren in ihren 20ern und konnten durch Masse und jugendlichem Elan auftrumpfen - verkehrt sich jetzt ins Gegenteil.

            Die immernoch zahlenmäßig dominanten Babyboomer sind heute in ihren 60ern und durch ihre Masse und ihrer altersbedingten Trägheit wird jeder Aufbrauch gelähmt.

  • Die Grünen haben ihre maximale Elastizität einmal mehr überzeugend unter Beweis gestellt. Begründung: TINA. Immer wieder: TINA.



    Wer sich so offensiv erpressbar zeigt, hat schon verloren.

  • Dieser sogenannte 'Asylkompromiss' wird nicht nur für die Grünen, sondern auch für die EU Folgen haben. Denn wie will man an anderer Stelle für Menschenrechte argumentieren, wenn man sie bereits gemeinsam aus politischer Opportunität für verhandelbar und optional erklärt hat? Schlechte Aussichten also, nicht nur für Flüchtende, sondern auch etwa für Queers in Ungarn, die sich immer weiteren Repressalien ausgesetzt sehen, den vielen Illegalisierten die auf südeuropäischen Gemüseplantagen unter Bedingungen die von der ILO als sklavereiähnlich bezeichnet werden schuften müssen oder auch den hiesigen Klimaaktiven die sich einer immer schärferen Repression gegenüber sehen.

    • @Ingo Bernable:

      So schaut es aus. Aber wir sollen ja angeblich solchen Regimen keine Kontraposition einnehmen...Die Nationalisierung der europ. Staaten nimmt weiter zu...nur beim Geld aus der EU sind alle weiterhin gerne "EU-orientiert" warum nur? ;)



      Danke für Ihren Beitrag.

  • Ich sehe das etwas anders: Wer den Länderrat verfolgen konnte, spürte in fast jedem Beitrag, dass niemand auf das Privileg, an der Macht zu sein, verzichten wollte: Kein ja,aber, sondern reines persönliches Überlebenstraining (wie bei den anderen Parteien, was die Glaubwürdigkeit des hier ausgeübten Parlamentarismus dahin schmelzen lässt, leider).

  • Wer eine Menschenrechts- und Umweltschutzpartei wählen will, sollte nicht mehr grün wählen.



    Ich hatte geschrieben: "Die Basis der Grünen lässt die Spitze machen was sie will, es bleibt immer nur bei Kritik. " ....und nun? Internierungslager, grün abgesegnet, , wie schon den Braukohlekraftwerken, der AKW-Verlängerung, dem Frackinggas, dem schweren Kriegsgerät in Kriegsgebiete....



    Grüne - das war mal grün.

    • @Rudi Hamm:

      Ich dachte bei diesem erneuten grünen Umfaller spontan daran, dass das jetzt eigentlich DIE Chance für die Linken sei, sich glaubwürdig als Menschenrechtspartei zu profilieren.



      Aber nein, die haben ja eine Sahra Wagenknecht an den Hacken kleben. Es ist zum Haareraufen!

  • "Denn ob das, was künftig an den EU-Grenzen mit den Asylzentren passiert, noch schlimmer sein wird als das, was derzeit dort geschieht, kann man beim derzeitigen Stand vermuten und befürchten – aber nicht sicher wissen."

    Kann man nicht wissen, da steckt man halt nicht drin.

    Wird schon schiefgehen, räumen wir die letzten Grundüberzeugungen erstmal ab.

    • @Jim Hawkins:

      Es reicht schon wenn die Asylzentren gleich schlimm werden wie es derzeit im Norden Afrikas gelebt wird; mit europäischen Steuergeldern.

      Wie konnte Frau Baerbock nur zustimmen? Ist das die neue feministische Aussenpolitik? Na, dann prost Mahlzeit. Ein schlauer Deckmantel, zur Abschaffung von Grundrechten auf internationaler Tragweite.