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Unterwäsche gegen häusliche GewaltHilfe darf nichts kosten

Eine Firma nutzt das Thema häusliche Gewalt, um Produkte zu verkaufen. Was ist das für ein Feminismus, der Hilfe an finan­ziel­le Bedingungen knüpft?

„Extra Protection“-Slip mit eingenähtem QR-Code Foto: The Female Company

„Yes means yes“ und „My Body my Rules“, so heißen die zwei Modelle der Periodenunterwäsche aus der Reihe „Extra Protection“, die die Berliner Firma The Female Company aktuell verkauft. Beworben wird die Kollektion von den Influencerinnen Stefanie Giesinger und Ines Anioli. Die Unterhosen sind vegan, aus Biobaumwolle und sollen gegen häusliche Gewalt schützen.

Wie das? Auf dem eingenähten Etikett in der Unterhose befindet sich ein QR-Code („versteckt, wo kein Täter sucht“), über den Informationen und Kontakte zu Beratungsstellen bei häuslicher Gewalt abgerufen werden können.

Bei Instagram bekommt das Unternehmen viel Lob für ihre neuen Produkte: „Danke für die Kampagne“ oder „Danke, dass ihr darauf aufmerksam macht“, schreiben zwei Userinnen. Doch auch Kritik wird laut. Häufig geht es dabei um den Kostenpunkt: Wieso gibt es den QR-Code nur bei 40 Euro teuren Unterhosen und nicht einfach bei allen Produkten?

Gegenüber dem Business Insider sagt die Gründerin Ann-Sophie Claus: „Wir sehen ein, dass nicht jede Frau sich ein Periodenhöschen für 40 Euro leisten kann, so schließt das Produkt viele mögliche Kundinnen aus.“ Deswegen werde der QR-Code nun auf alle Periodenprodukte gedruckt.

Falsch ist es immer

Nun könnte man sich darüber freuen, dass das Unternehmen so schnell reagiert. Doch das grundsätzliche Problem hat es nicht verstanden. The Female Company nutzt das Thema häusliche Gewalt, um damit Produkte zu verkaufen. Doch dass gut jede vierte Frau in Deutschland einmal häusliche oder sexualisierte Gewalt erfährt, ist kein Zustand, den man für Marketingzwecke missbrauchen sollte. Mit ihrer Kollektion gibt The Female Company den Käu­fe­r*in­nen zu verstehen: Wenn du etwas kaufst, bekommst du Zugang zu Hilfe. Doch was für ein Feminismus soll das sein, der diesen Zugang an finan­ziel­le Bedingungen knüpft? Dabei ist völlig egal, ob Produkte 5 oder 40 Euro kosten – falsch ist es immer.

Wenn The Female Company wirklich etwas gegen häusliche und sexualisierte Gewalt unternehmen möchte, sollte das Unternehmen Geld, das es durch die Kollektion erwirtschaftet, an Beratungsstellen und Frauenhäuser spenden. Und aufhören, Frauen zu vermitteln, Hilfe sei an Bedingungen geknüpft.

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14 Kommentare

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  • Welchen Unterschied macht es, ob ein Täter öffentliche, allgemein bekannte Informationen an einem bestimmten, auch für Frauen nicht leicht zugänglichen Ort vermutet oder nicht?

  • Eine perfide, Leid verachtende, zutiefst verabscheungswürdige Geschäftsidee.

  • („versteckt, wo kein Täter sucht“)? Echt jetzt? Etwas heimliches? An diese Information gelangt man durch Einsatz eines Mobiltelefons. Ohne den QR-Code und mit einem Mobiltelefon gelange ich ebenfalls an diese Information, wenn man entsprechende Suche bemüht. Somit ist diese Information nicht ausschließlich über das Etikett in der U-Hose erhältlich. Wer jetzt noch 40 Euronen dafür ausgibt, ist selbst schuld.



    An welcher Stelle kommt nun der Aufreger, dass eine Firma mit dem Thema Häuslicher Gewalt Geld verdient?

  • Wenn man möchte, kann man etwas von der anderen Seite betrachten und das Pferd von hinten aufzäumen. So geschehen in diesem Artikel.

  • Dazu kommt: wieviele Trackinginformationen bei welchen Überwachungskapitalisten werden noch mit dem Einscannen des QR-Codes losgetreten?

    Kriegt jetzt Google mit, wann ich meine Unterhose eingescannt habe? Kriege ich dann dazu passende Werbung?

    :facepalm:

  • Wäre es nicht auch möglich,hinter dem Mißbrauch als Marketingargument auch eine Chance zu sehen, dass diese Labels Branchenstandard werden, falls sie Kaufgrund für *alle* Konsumentinnen werden?

  • Nach dieser Logik müssten z. B. Alarmanlagen für Wohnungen, Autos oder egal was umsonst abgegeben werden.



    Wie wahrscheinlich ist das?

  • Der QR Code + die Seite auf die dieser verlinkt, sind auch ohne Kauf auf deren Homepage abrufbar, die verlinkten Hilfsangebote von Weißer Ring etc. selbstverständlich auch.



    Also völlig Substanzlose "Empörung' - niemandem wird ohne Kauf der Höschen irgendeine Information vorenthalten.

  • Echt jetzt? Muss wirklich alles moralisiert werden?

  • Die QR-Codes sind natürlich selten dämlich, die Kritik daran aber auch: Denn es wird hier eben nicht der Zugang zur Hilfe über das Produkt erkauft, sondern Zugang zu einer Information, die man auch einfach im Internet nachschauen könnte.



    Etwas, was vermutlich auch die Trägerinnen dieser Unterhosen machen würden, wenn jemand 'ihre Regeln bricht'.



    Diese Wäsche ist kein Menetekel für den elitären Kapitalismus, sondern für die Dummheit seiner Konsumenten. Ist ein bisschen so wie Socken mit den Wochentagen drauf.

  • Sag das mal dem "pride" month, wo alle unternehm ganz stolz bi und schwul etc+ sind, aber nur da wos politsch gern gesehen wird.

  • Man kauft sich frei. Von Verantwortung. Mich nerven Produkte, wo überall Spenden abgefragt werden, idR nur zu Modethemen, die Macherinnen wollen zeigen, wir sind die Guten. Über anderes darf nicht gesprochen werden, das ist böse. Ein weiterer Trend um die Einheitsmeinung voranzubringen.

    • @schönBehindert:

      Mich nerven die auch.

      Außerdem sehe ich nicht den markanten Unterschied.

      Wenn das Unternehmen damit Reklame macht, dass es an Frauenhäuser spendet, nutzt es noch immer häusliche Gewalt, um Produkte zu verkaufen.

      Die Hilfe an Frauenhäuser wird an die Bedingung geknüpft, dass jemand diese Unterhosen kauft.

    • @schönBehindert:

      Gesellschaft gespalten wie zumindest seid Jahrzenten nicht mehr. Sie sprechen von Einheitsmeinung?