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Thomas de Maizière zur Russlandpolitik„Kein historisches Versagen“

Für Ex-Verteidigungsminister Thomas de Maizière sind Kritiker von Merkels Russlandpolitik Rechthaber. Geirrt habe man sich aber in einer Einschätzung.

Er rechnet mit weiteren bitteren Nachrichten im Ukrainekrieg: Thomas de Maizière Foto: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

taz: Herr de Maizière, Ihre Nach-Nachfolgerin im Bundesverteidigungsministerium, Annegret Kramp-Karrenbauer, hat nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine getwittert: „Ich bin so wütend auf uns, weil wir historisch versagt haben. Wir haben nach Georgien, Krim und Donbass nichts vorbereitet, was Putin wirklich abgeschreckt hätte.“ Sehen Sie das auch so – hat Deutschland historisch versagt?

Thomas de Maizière: Im Nachhinein ist es immer leicht, die Entwicklung zu beurteilen. Bis zum Schluss war unklar, ob Putin angreift oder nicht. Die allermeisten haben noch kurz zuvor gesagt, einen großen Angriff auf die gesamte Ukraine wird es nicht geben. Putin hat vor dem Deutschen Bundestag gesprochen und über strategische Partnerschaft geredet. Alle haben stehend geklatscht. Wäre da ein Verteidigungsminister hingegangen und hätte gesagt: „Ich glaube das alles nicht, wir brauchen jetzt 100 Milliarden Euro für die Landesverteidigung“, hätte er politisch nicht überlebt.

Das war 2001. Seitdem hat sich viel verändert – und wir haben offenbar nicht richtig hingehört. Spätestens ab 2007 haben Experten, besonders in Osteuropa, vor Putin gewarnt. Das wollten weder Union noch SPD hören.

Interessant, dass Sie von „wir“ sprechen, Sie gehören offenbar auch dazu. Klar war immer, dass man eine richtige Mischung zwischen Abschreckung und Dialogbereitschaft braucht. Dass die Osteuropäer in besonderer Weise Sorge hatten, das wussten wir schon. Aber viele haben das als übertrieben wahrgenommen – als verständliche historische Ängste, die aber mit der Gegenwart wenig zu tun haben. Wenn man sagt: Wir haben die Aggressivität dieses Mannes falsch beurteilt, dann stimme ich zu. Aber das heißt nicht, dass die Politik der letzten 20 Jahre falsch war. Die gesamte Einschätzung der Politik Putins der letzten 20 Jahre zu einem historischen Versagen nicht nur Deutschlands, sondern des gesamten Westens zu erklären, das geht zu weit.

Im Interview: Thomas de Maizière

Thomas de Maizière, 68, war in Angela Merkels Kabinett zwei Mal Innenminister und 2011–2013 Verteidigungs­minister. Bei den Wahlen schied er aus dem Bundestag aus. Er ist Präsident des Evangelischen Kirchentags 2023. Zuletzt erarbeitete er als Co-Vorsitzender einer Reflexionsgruppe Vorschläge zur Neuorientierung der Nato.

Angela Merkel hat in ihrer Zeit als Kanzlerin auf die Verständigung mit Putin gesetzt. Oft wurde mit einem gewissen Stolz auf Merkels „besonderen Draht“ zu ihm verwiesen. Diese Verständigung ist nun gescheitert. War das der falsche Weg?

Im Ergebnis ist es gescheitert, aber nicht in der Methode. Viele Menschen haben gesagt, Angela Merkel ist viel zu streng mit Putin und Russland. Sie war, verglichen etwa mit Frankreich oder Italien, in Gesprächen mit Putin eine der Härteren. Ich bleibe dabei: Es war eine Fehleinschätzung dieses Mannes. Aber wir wissen nicht einmal, ob er immer schon so war oder ob er sich verändert hat. Jetzt gibt es dazu ja tiefenpsychologische Gutachten von Menschen, die ihn nie gesehen haben – was mich auch ärgert.

Auf dem Nato-Gipfel in Bukarest 2008 haben Merkel und der französische Präsident Sarkozy verhindert, dass Georgien und die Ukraine in die Nato aufgenommen würden …

Das finde ich auch immer noch richtig. Damals war deren langfristige demokratische Zuverlässigkeit keineswegs gesichert. Die Nato hätte sich ein Problem in ihr Bündnisgebiet geholt. Möglicherweise hätte das Putin auch zusätzlich provoziert. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was jetzt wäre, wenn die Ukraine Mitglied der Nato wäre.

Das ist der Punkt – möglicherweise hätte Putin sie dann nicht angegriffen.

Ich finde interessant, dass ich jetzt von Ihnen mit Fragen konfrontiert werde, die ich eher von Zeitungen aus dem anderen politischen Lager erwartet hätte. Was hätten Sie denn von Ihren Lesern für ein Echo bekommen, wenn Sie gefordert hätten, die Ukraine und Georgien in die Nato aufzunehmen?

Vermutlich kein gutes.

Der Bundeskanzler hat nun von einer Zeitenwende gesprochen und ein Umdenken in der Sicherheitspolitik angekündigt. Stellen Sie sich mal vor, Putin scheidet, aus welchen Gründen auch immer, in einem Jahr aus dem Amt. Lassen wir das dann alles? Was ich sagen will: Wir können keine Außen- und Sicherheitspolitik haben, die Gewissheit über die Zukunft hat. Sie muss mit Optionen umgehen, die in der Zukunft wahrscheinlich sein könnten. Und trotzdem nachhaltig und besonnen handeln.

War nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, spätestens aber seit den Vorstößen im Donbass eine Eskalation keine wahrscheinliche Option? Hätte man sich nicht unabhängiger von russischem Gas machen müssen? Angela Merkel hat immer an Nord Stream 2 festgehalten.

Immerhin hat die Gasversorgung auch im Kalten Krieg funktioniert. Und die Alternativen zu Nord Stream 2 sind auch unter Menschenrechts- und Umweltgesichtspunkten nicht besonders attraktiv. Die Gaslieferanten, die infrage kommen, sind zum Beispiel Algerien und Katar. Oder Fracking-Gas aus den USA. Dass Energiesicherheit jetzt einen höheren Stellenwert hat als Klimaschutz, das entsprach vor dem Krieg in der Ukraine nicht dem gesellschaftlichen Klima.

Aber Nord Stream 2 wurde nach 2014 sehr kontrovers diskutiert.

Ja, ich persönlich war auch skeptisch, was diese Entwicklung angeht. Aber hier und jetzt möchte ich diese Rechthaberei im Nachhinein anprangern, dass man alles hätte wissen müssen.

Herr de Maiziére, sehen Sie wirklich keine Fehler? Stellen Sie sich als langjähriger Mitstreiter von Angela Merkel jetzt nicht persönlich die Frage: Wie hätten wir diesen Krieg verhindern können?

Ich habe nicht gesagt, wir haben alles richtig gemacht. Ich habe gesagt, die politischen Absichten von Putin haben wir falsch eingeschätzt. Aber diese Hätte-Fragen sind ein Problem. Hätte man nach der Krim anders gehandelt, wäre vielleicht Putins Reaktion noch viel schärfer gewesen. Sehen Sie, ich bin Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Wir haben vom Präsidiumsvorstand eine kräftige Erklärung dazu abgegeben, wonach diejenigen, die ihr Land verteidigen, jegliche Unterstützung verdienen. Das ist einem Teil des Kirchentages schon zu weit gegangen. In den Kirchen gibt es eine große Debatte, ob das, was die Bundesregierung jetzt mit der Bundeswehr vorhat, richtig ist. Diese Stimmen werden gerade nicht gehört. Aber sie waren über Jahrzehnte prägend für die politische Debatte. Die Union wollte immer mehr Verteidigungsbudget, aber das war gesellschaftlich und in der Koalition nicht durchsetzbar. In unserem Expertenbericht über die Neuausrichtung der Nato haben wir im Dezember 2020 klar formuliert, Russland sei die größte sicherheitspolitische Bedrohung der Nato. Das Echo in der Fachöffentlichkeit war groß, in der allgemeinen Öffentlichkeit klein. Sicherheitspolitische Debatten waren in den vergangenen Jahren in Deutschland unterentwickelt. Der Sachverstand, den es auf allen Seiten gab, ist verloren gegangen.

Unmittelbar nach Kriegsbeginn hat Alfons Mais, immerhin Inspekteur des Heeres, geschrieben: Die Bundeswehr „steht mehr oder weniger blank da“. In den letzten Jahren ist der Verteidigungshaushalt von 30 auf 50 Milliarden gestiegen – wieso ist das Heer noch blank?

Ich hätte dem Inspekteur des Heeres nicht geraten, diese Äußerung zu machen. Erstens, weil ich glaube, dass es so nicht stimmt, und zweitens, weil es unangemessen war.

Aber der schlechte Zustand der Bundeswehr wird seit Jahren beklagt. Wie kann das sein?

Vorab: Die Bundeswehr verteidigt unser Land nicht allein, sondern im Bündnis. Auch zeigt die Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, wie einsatzbereit sie ist. Wenn die Bundeswehr gerufen wird, dann klappt es, auch im Inland: sei es bei Flut, Pandemie oder Migration. Aber natürlich sind die Beschaffungsprozesse zu langwierig. Ich hoffe, dass es eine Chance gibt, das zu ändern. Dabei geht es nicht nur um das Amt in Koblenz.

Das Beschaffungsamt mit 10.000 Mitarbeitenden, dem vorgeworfen wird, es sei ein bürokratischer Schlund, aus dem nichts rechtzeitig wieder herauskomme.

Das Erste ist, wenn man ein europäisches Flugzeug baut, muss es ein europäisches Flugzeug sein – und es darf nicht jeder ein anderes bauen. Bisher verhindern das nationale Egoismen und nationale industriepolitische Standortpolitik aller Seiten.

Sie sprechen vom Eurofighter, der von Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien und zuerst auch von Frankreich mitgebaut wurde.

Zweitens – beim Impfstoff gegen Corona waren alle bereit, die Entscheidung einer europäischen Zulassungsbehörde zu akzeptieren. Bei Rüstungsgütern laufen vier, fünf Zulassungsverfahren gleichzeitig – und das deutsche dauert am längsten. Danach sind wiederum die Intervalle, in denen ein Flugzeug oder Hubschrauber gewartet werden muss, bei uns am kürzesten. Das muss sich ändern.

Als Verteidigungsminister haben Sie selbst erfahren, wie tückisch Rüstungsbeschaffung ist – fast wären Sie über die „Euro Hawk“-Drohne gestolpert. Was haben Sie daraus gelernt?

Die Verträge mit der Industrie waren damals nicht gut ausgehandelt. Aber darin steckt auch ein Strukturproblem: Die Streitkräfte bestellen gerne Dinge, die es noch nicht gibt, weil man an der Spitze des Fortschritts stehen will. Da wird es immer Konflikte darüber geben, wann die Industrie einen Vertrag erfüllt hat – oder wofür sie zusätzliches Geld verlangen kann. Dazu kommt, dass immer neue militärische Führer neue Anforderungen an das Gerät formulieren und so die Entwicklung nie zum Ende kommt – und immer teurer wird.

Herr de Maizière, zum Schluss: Was glauben Sie, wie es mit der Ukraine weitergehen wird?

Ich stelle mich innerlich auf die schlechteren Szenarien ein. Langanhaltende Kämpfe mit hohen zivilen Opfern und großen Flüchtlingszahlen. So bitter das ist.

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46 Kommentare

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  • Kein historisches Versagen? Doch!



    Herr de Maizière versteckt sich hinter der Behauptung, dass "wir" Putin falsch eingeschätzt haben. Er verschweigt, dass dieser Einschätzung die Leugnung von Tatsachen über Putin zu Grunde lag:



    Der Putin'sche Vernichtungskrieg in Syrien unter dem Deckmantel der schulterzuckend vom Westen akzeptierten, angeblichen Terroristenbekämpfung.



    Der Kriegsbeginn gegen die Ukraine durch Putin am 27. Februar 2014, als russische Spezialkräfte morgens das Parlamentsgebäude auf der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim besetzten.



    Abschuss des malayischen Verkehrsflugzeugs mit der Flugnummer MH-17 durch russische Luftabwehr am 17. Juli 2014.



    Acht Jahre Krieg im Donbass durch unterstützende bis aktive Beteiligung russischen Militärs und dessen Kombattanden.



    Er beteuert, dass zwar seitens der deutschen Politik Fehler gemacht worden seien, aber die grundsätzliche Linie trotz der zugegebenermaßen falschen Lage-Einschätzung richtig gewesen sei. Und gibt damit den Verteidigern (in Politik, Medien und Gesellschaft) dieser grundsätzlichen Linie Rückdeckung und Absolution.



    Слава Україні! Героям Слава!



    Die von vielen Ukrainer:innen in diesem Zusammenhang vielfach gebrauchte Ehrenbezeugung gegenüber Europa verkneife ich mir wohlweislich.

  • bundeszentrale für politische bildung ...

    ausgabe 28-2015.



    die ukraine - ein land zwischen ost und west.

    martin van creveld ... kriegshistoriker ... die welt ... 15.11.2014, seite 26 ... und wenn er kommt?

    wir hätten allemal klüger sein können !

  • Ach, der Zustand der Bundeswehr....



    Mit Großbritannien hat man die stärkste Militärmacht Europas in der EU verloren und wenn Le Pen gewinnt, dann steht der Frexit an. In dem Fall gibt es kein Militär mit Atomwaffenarsenal mehr in der EU. Das ist Putins Plan und deshalb auch die massive russische Unterstützung sämtlicher rechter Parteien und Splittergruppen.

    Es wundert mich, das es anscheinend niemand so richtig verwundert hat, das beim Brexit, Ukip, Trump, Afd, Pegida, Lega Nord, Geerd Wilders, der Identitäten Bewegung, den Troll-armeen, den Hackerangriffen kurz vor den Wahlen in Frankreich, Niederlande, USA und nochmals Brexit- jedesmal die Verbindung nach Russland zeigt.

    Es wundert mich seit Jahren wie wenig darüber berichtet wurde. Das ein bisher einmaliges Ereignis wie der Brexit massiv mit russischer Wahlbeinflussung zustande kam, war vielleicht mal eine Randnotiz auf der dritten Seite wert.

    Das Macrons Wahlkampfteam von russischen Hackern zwei Tag vor der letzten Wahl lahmgelegt wurde, ging auch an den meisten komplett vorbei.



    Wenn man dann noch berücksichtigt das Putin beim KGB war, dann könnte man über diese unglaubliche Naivität und Denkfaulheit einfach nur verzweifeln.

    Sorry, aber das war nicht nur die Merkel oder der Schröder oder irgendein anderer Sündenbock.



    Das waren auch die bürgerlichen Medien und ihre Themenschwerpunkte an falscher Stelle. Das war auch die Gesellschaft die unaufmerksam geworden ist und schnelllebig heute dies und morgen wieder das Thema aufkocht. Hauptsache Positionierung auf der richtigen Seite

  • Wie gut einmal solch ein Interview lesen zu können.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Der Ball liegt auf dem Punkt.



    Der Reporter unkt:



    „Schießt er ihn jetzt rein?“



    „Aber nein, aber nein, aber nein…



    Der Theodor der Theodor,



    Der steht bei uns im Fußballtor.“



    www.youtube.com/watch?v=4SGCB-zp4wE



    Das Versagen war doch klein.



    Nicht alles muss historisch sein.



    (Man möge bitte mir verzeihn,



    heut' freu ich mich am Sonnenschein)

  • Dass De Maiziere es nicht schnallt, ist ja nun nicht wirklich überraschend. Ich erinnere mich noch daran, dass der Mann - im Merz 2015 (!) - zu der überaus "genialen" Erkenntnis kam, dass es vielleicht eine gute Idee sei, die personellen Kapazitäten beim BAMF zu erhöhen. Also warten wir mal ein, zwei Jahre, dann können wir vermutlich auch von De Maiziere sinnige Statements zu Putin und der Ukraine hören

  • Recht hat er, die Kritiker von Merkels Politik haben Recht. Er selbst irrt allerdings in vielen Dingen und wirrt gleichwohl umher. Aus seiner entfernten Perspektive verklärt sich eben so einiges.

  • Belassen wir es bei : die Einbindung Russlands in Europa ist gescheitert.

  • Man erinnere sich: Vor kurzem konnte in der Ukrainefrage noch vom "Kriegsgeheul der NATO" geredet werden ohne dass es hier massiven Protest gab, aber natürlich war jeder der Meinung dass man Putin nicht hätte trauen dürfen und stattdessen ordentlich aufrüsten sollen... nur die Politik hat es nicht begriffen... ist klar

    • @Questor:

      Gut zusammengefasst.

  • Wie blind kann man eigentlich durchs Leben gehen? Die Verfolgung und Ermordung von politischen Gegnern mit allen Mitteln scheint in der Welt von Herrn de Maizière ganz normal zu sein. Abstand von fossilen Energieträgern zu nehmen liegt ihm wohl auch ferner als unsere Nachbargalaxie. Unglaublich, wie fern jeglicher Realität man leben und argumentieren kann.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Die traurige Wahrheit ist: ja, es ist ganz normal. Niemand interessiert sich für die Ereignisse in Hongkong oder die Situation der Uyghur in China, um nur ein Beispiel zu nennen. Wir sind entweder direkt (medizinische und/oder technische Produkte) oder über Umwege (Hersteller in Drittstaaten, die chinesische Rohstoffe beziehen) unglaublich abhängig von China, d.h. erpressbar. Wenn sich abzeichnet, dass Putin mit diesem Krieg “durchkommt” – wie er vorher mit anderen Gebietsannexionen und der Ermordung politischer Gegner (auf dem Hoheitsgebiet anderer Staaten!) durchgekommen ist, wie lange dauert es dann noch bis Xi Jinping mit Truppen in Taiwan einmarschiert?

      Sich auf Unwissenheit rauszureden ist eine gute deutsche Tradition. Egal wie unwahrscheinlich es ist, dass man nichts wusste, man kann es ja immer mal behaupten, weil: in dubio pro reo, gell. Je weiter oben in der Futterkette, desto weniger gilt die Regel “Unwissenheit schützt vor Strafe nicht”.

      Jedes Mal wenn mal wieder ein:e Politiker:in mit dieser Ausrede kommt, dass man irgendwas ja nicht hätte voraussehen können, was jede mittelmäßig begabte Zeitungsleser:in als wahrscheinliche Entwicklung annehmen kann, muss man sich fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass die besagte Person einfach nur ein bisschen dumm und mit dem Job überfordert ist, oder ob es sich vielmehr um Kalkül handelt sich dumm zu stellen, damit man die Verantwortung nicht übernehmen muss...

    • @Gnutellabrot Merz:

      Also in dieser Galaxie gibt es nun mal eine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, gerade nach dem Ausstieg aus der Atomkraft.

      Die wird es auch noch in den nächstern 5 bis 10 Jahren geben.

      Fossile Energien in dieser Bedarfsmenge kriegen Sie nicht von lupenreinen Demokratien.

      Algerien und Katar sind nicht ohne.

      Auch Gas aus den USA ist nach Guantanamo angreifbar.

      Also mehr Öl aus Saudi-Arabien?

      Nach den Russland-Sanktionen werden lauter Staaten als Handelspartner zum Zug kommen, in denen wir uns auch nicht wünschen zu leben.

      Insofern erlebe ich de Maizière als realitätsnah.

      • @rero:

        Wäre doch schön gewesen, wenn in den letzten 16 Jahren Wind- und Solarenergie gepusht worden wäre. Aber an so etwas denkt de Maizière gar nicht. Das ist das Versagen von Merkel und der Union.

  • Dass ich einmal mit Herrn de Maizière im Wesentlichen einer Meinung sein könnte, hätte ich mir auch nie träumen lassen. Aber er hat schon recht: Es mag durchaus daran liegen, dass die taz-Interviewer klingen wie eigentlich das "andere Lager".

  • Fr Winkelmann und Fr am Orde werfen Hrn Demeziere ja nicht vor, das er 2001 nicht die Chance ergriffen hat, Russland zum europäischen Partner zu machen. Das wäre mein Vorwurf an den Mann.



    Sondern die Russen nach ihrem ersten Aufmucken 2007 nicht hart genug in die Grenzen gewiesen zu haben.



    Also gab es nicht zu wenig, sondern zuviel Entspannungspolitik...

    Zeitenwende halt ...

  • 16 Jahre Politik für Boomer und Rentner fallen uns jetzt zigfach auf die Füße. Irgendwann wacht auch der verblendetste Merkelromantiker auf.

    • @Phineas:

      Politik für Boomer und Rentner? Fragen Sie die mal was und wieviel bei denen angekommen ist.

  • Ach Gottchen - leevs Lottchen!

    Ja lebt denn der alte Holzmichel noch?! Peinlich.



    Thomas vande Misére¿ - Jung!=> “ Wir sind gescheitert“



    That‘s - mit Friedrich Küppersbusch - the truth!



    & a gähn 🥱 & a 🥱 =>



    Rosinenpickender Pointilismus - is hingegen =>



    Reines Sich-in-die-Tasche-lügen •

    • @Lowandorder:

      "peinlich"

      Eher ein peinlicher inhaltsleerer Kommentar. Wo hat M. sich z.B "Sich-in-die-Tasche-lügen" betrieben?

  • >> Aber diese Hätte-Fragen sind ein Problem.

    Glaub ich sofort.



    Solche Fragen sollte man Politikern auch nich stellen, das mögen sie nicht. Ich erwarte ein "jetzt müssen wir aber nach Vorne sehen".

    • @Gegenklang:

      Wie hätten Sie denn auf die Krim-Annexion reagiert? Oder vorher schon Grosny?

    • @Gegenklang:

      Was stellen Sie sich unter "nach Vorne sehen" vor? Die Wahrheit ist immer konkret!



      Sollen wir den Georgiern z. B. den Wunsch nach EU-Mitgliedschaft ausreden und ihnen stattdessen empfehlen, die russischen Truppen mit Freundschafts-Kundgebungen zu empfangen, um ihnen und sich selbst eine weitere "militärische Spezial-Operation" zu ersparen?

      • 9G
        93851 (Profil gelöscht)
        @Pfanni:

        Mal überlegt, was unsere Politiker uns schon alles erzählt haben?

        Was ist bitteschön "die Wahrheit"?



        Und wen interessiert(e) nochmal sein "...Geschwätz von gestern"?

        Und welches ist nochmal das NATO-Land mit dem weltweit höchsten Militärausgaben?



        Ach, so weit weg?

        Wer die Macht hat, hat "das Sagen", keine neuzeitliche Erfindung, und "Wahrheit" ....



        ist ein weites Feld.

  • Eigentlich war die deutsche Aussenpolitik davon ausgegangen, mit der Einführung des Kapitalismus in Russland dort auf Gleichgesinnte zu treffen, mit denen man sich arrangieren kann. Jetzt müssen wir erkennen, kapitalistischer Despotismus kennt keine Menschenrechte. Es stellt sich heraus, wie gleichgültig die Globalisierer in Bezug auf ein demokratisches System sind (solange es für sie die Chance gibt, (Rückzugs ?-) Länder zu finden, die letztlich ihren Reichtum schützen, sei es die Schweiz, Luxemburg oder -mit Einschränkungen in Ländern, wo sie auf Kundschaft und kreative Wissenschaft treffen wie hierzulande.

  • Herr de Maizière hat erst einmal recht, dass nun auch die Stunde derjenigen gekommen ist, die es im Nachinein besser wissen und dass ein anderes Handeln in der Vergangenheit (Aufnahme z.B. der Ukraine in die Nato, mehr Geld in den Verteidigungshaushalt) gerade in der Taz und seiner Leserschaft auf Ablehung und "Empörung" gestossen wäre.

    Verzeihlich ist ein Irrtum in der Einschätzung der Person Vladimir Putin, unverzeihlich das mangelnde strategische Denken im Handeln der deutschen Regierungen über viele Jahre: Abhängigkeit in der Verteidigung von den USA, einseitige Energieabhängigkeit von Russland, keine Kontrolle über Energiespeicher, keine strategische Planung der Energiewende, unnötig kurzfristiges Abschalten der Kernkraftwerke (-> 2.3 Mrd Euro an die Energiewirtschaft) , fehlende Infrastruktur (Stromtrassen, LNG Terminals, Energiespeicher,...), kein Ausbau der Biogasproduktion aus organischen Abfällen, u.v.m.).

    Stattdessen haben die Regierungen Angela Merkels getan, was populär war (und noch ist?): den kurzfristig kostengünstigsten und bequemsten Weg gewählt. Dafür gab es Mehrheiten bei Wahlen und verantwortlich ist somit die deutsche Mehrheitsgesellschaft.

    Die Vorstellung, dass Deutschland aufgrund seiner historischen Schuld aus dem 2. Weltkrieg und den Erfahrungen aus kaltem Krieg und deutscher Teilung Russland besser verstehen und einschätzen kann als seine Nachbarn, scheint jedenfalls bis auf Weiteres widerlegt zu sein.

    • @Newjoerg:

      LNG-Terminals waren ja politisch gewollt. Nur gab es in der Gesellschaft massiven Widerstand. Weil die blöden Politiker ja nur dem Trump einen Absatzmarkt für sein dreckiges Frackingas eröffnen wollten. Das war doch der Tenor?



      Die selbe Mehrheit jammert jetzt über die Abhängigkeit von Russland. Tja, “Hauptsache gegen die da oben“ und gleichzeitig weitsichtige Führung wünschen passt halt nicht zusammen.

    • @Newjoerg:

      Der letzte Absatz Ihres Beitrags wirft Fragezeichen auf. Wer hat das denn wirklich geglaubt? Gerade die ehem. Sowjetrepubliken waren nicht nur geographisch näher an Russland dran, auch die Mentalität und das Politikverständnis aus der Rolle der ehem. Führungsmacht bzw. der ehem. Geführten machte diese zu besseren Kennern.

  • >>„Kein historisches Versagen“. Geirrt habe man sich aber in einer Einschätzung.



    Ok, dann eben eine historisch falsche Einschätzung.

    Allein, wenn man die Kriege, spezielle Militäroperationen, Antiterroroperationen, verdeckte Militäroperationen, Einsatz von Söldnern aufführt, die seit Putins Amtsantritt von Russland durchgeführt wurden, hätten alle Lampen rot leuchten müssen.



    Dazu Giftgas, Mordanschläge, der Terror gegen die innerrussische Oposition.

    Man möchte den Mann schütteln, bis er wach wird.



    Meine Prophezeiung: Sobald alle Toten begraben sind, wird es die Union sein, berühmt und berüchtigt durch Wirtschaftsnähe, die wieder Wandel durch Handel predigen und Druck machen wird.

  • Hätte nie gedacht, das ich diese kalten Krieger mal vermissen würde.



    Sie waren für mich doch stets Inbegriff von Militarismus und von daher eine Gefahr für den Frieden. So sahen es damals Viele in der Friedensbewegung.

    Und heute werden solche Leute in der TAZ für ihre immerwährende Dialogbereitschaft mit der benachbarten Atommacht Russland angegriffen.

    Da kann man Herrn Welzer in dieser TAZ-Ausgabe nur zustimmen: „Der totale Rollback“

    • @neu_mann:

      "Und heute werden solche Leute in der TAZ für ihre immerwährende Dialogbereitschaft mit der benachbarten Atommacht Russland angegriffen."

      Ach echt? Wo in der TAZ soll das gewesen sein? Posten Sie mal einen Link

    • @neu_mann:

      Da verschätzen Sie sich um einige Jahre. Herr de Maizière war zur Zeiten des Kalten Kriegs in keiner Politisch relevanten Rolle.

  • Ein Heuchler vor dem Herrn!

  • Wäre er doch Minister!

    • @Bunkerratte:

      Was denn? VM vielleicht noch? Als solcher hat er maßgeblich zur Verschlechterung der Bundeswehr beigetragen. Die desolate Ausrüstungssituation ist auf seine Kurzsichtigkeit, Ersatzteile erst zu beschaffen wenn sie gebraucht werden, zurückzuführen. Alle berechtigten Einwände aus der Truppe und der Hersteller wurden weggewischt. Ein Theoretiker weiß es eben besser...

      • @Lars B.:

        War n Scherz. Sie dürfen mir gerne einen fähigen Minister der vergangenen Jahrzehnte nennen...



        Bin gespannt wien Flitzebogen🥸

  • Ein treuer Parteigänger Merkels...

  • Als Putin vor dem Bundestag von einem gemeinsamen europäischen Haus sprach, wäre das der richtige Weg gewesen. Stattdessen wurde die ausgestreckte Hand Russlands nicht angenommen. Stattdessen begann der "Westen", die NATO nach Osten auszuweiten. Trotz gegenteiliger Versprechungen.



    Und es werden weiterhin Fehler gemacht, wie dieses Interview zeigt. Es ist immer noch die Rede von einer verstärkten Aufrüstung (von einem Mitglied einer politischen Partei, die als christliche Partei gelten will). Als ob dies eine Garantie für den Frieden wäre. Dies ist jedoch keine Garantie für den Frieden, sondern das genaue Gegenteil. Sie ist lediglich eine wirtschaftliche Garantie für diejenigen, die Rüstungsgüter herstellen und entwickeln.



    Aber wie kann man glauben, dass mehr tödliche Waffen den Frieden garantieren? Mehr tödliche Waffen provozieren nur die andere Seite.



    Aber kann man wirklich glauben, dass Russland in Deutschland oder einem anderen westeuropäischen Land einmarschieren will? Russland will nur ein Band von neutralen, nicht feindlichen Ländern (wie Österreich oder Finnland, die, daran sei erinnert, demokratische und wohlhabende Länder sind) direkt hinter seinen Grenzen.



    Die einzige Garantie für den Frieden ist der Frieden selbst.



    Schrittweise Abrüstung und Wiederaufnahme der Handels- und Kulturbeziehungen mit Russland. Diese Beziehungen werden nach und nach auch politisch. Und das ist auch gut so.

    • RS
      Ria Sauter
      @Ugo Pioletti:

      Kann Ihnen nur zustimmen!

    • @Ugo Pioletti:

      Es gibt 2022, nachdem Putins Terrorbanden in der Ukraine wüten immer noch Leute, die diesen Nonsens von Putins Geschwafel im Bundestag und der "ausgestreckten Hand" glauben? Du liebe Güte ...

    • @Ugo Pioletti:

      Ähm ... Russland ist eine Nuklearmacht. Die Ukraine hat ihre Atomwaffen Russland übergeben.

      Wollen Sie wirklich behaupten, Russland als Atommacht sei von einem Überfall durch die Nato bedroht? Das ist doch ein Witz.

      Russland schwimmen nur die Fälle weg, weil keiner der Nachbarländer eine Zukunft mit dem größten Schläger der Klasse sieht.

      • @Rudolf Fissner:

        Was Sie schreiben, habe ich nie geschrieben oder behauptet.



        Es ist völlig klar und unbestritten, dass die NATO nie die Absicht hatte und hat, in Russland einzumarschieren.



        Ich habe geschrieben, dass es absolut unklug war, die NATO an die Grenzen Russlands zu bringen. Sie diente nur dazu, Russland zu provozieren und die Spannungen zu verschärfen.



        Die Anerkennung dieser Realität bedeutet natürlich nicht, dass die militärische Invasion Russlands in der Ukraine eine schwere Verletzung des Völkerrechts nicht darstellt. Eine solche Invasion ist zweifellos und unbestreitbar ein schwerer Verstoß gegen das Völkerecht.



        Aber die eine Aussage schließt die andere nicht aus.



        Viele friedliebende Menschen, die den Frieden in Europa (und natürlich auch in der Welt) wollen, denken so wie ich.

    • @Ugo Pioletti:

      Danke.



      Es ist so erschreckend das "die linke" einnehmen die taz denn dazu gehört völlig umgekippt ist und die Fehler der ehemals regierenden allein in der militärischen Abschreckungsmaschinerie sieht und sucht.

      Das macht mich fassungslos und ich hoffe es bleiben Stimmen laut die sich noch trauen etwas weiter zurück zu blicken und mit etwas Abstand.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Wir haben die Aggressivität dieses Mannes falsch beurteilt, dann stimme ich zu.""



    ==



    Grosny? Aleppo?

    Spätestens ab September 2015 mit dem russischen Bombardement auf die syrischen städtischen Zentren war die Einschätzung nicht mehr möglich, das es sich bei Putin nicht um einen ehemaligen KGB Offizier handelt mit der Agressivität eines unter Bluthochdruck leidenden durchgeknallten Totschlägers. Fehlt nur noch der Schaum vor dem Mund -- insbesondere dann wenn er versucht Drohungen zu artikulieren.

    Die russische militärische Taktik in Syrien war die Generalprobe für das, was jetzt in der Ukraine passiert - mit den selben toxischen und verächtlich machenden haar-sträubenden seltsam verdrehten Äußerungen -- wenn sich Putin allzu deutlich auf die für jeden sichtbare Realität seines ruchlosen Mordens an der Zivilbevölkerung und auf die Zerstörung von Krankenhäusern, Geburtsstationen, Schulen und Kindergärten angesprochen fühlt.

    Was ist Syrien heute? Ein zertrümmertes Drecksloch -- wobei der Massenmörder Assad - Putins Kumpel im Nahen Osten - heute mit Rauschgift dealt um seine Folterknechte und Geheimdienste zu finanzieren. Syrien für Putin ist nicht nur ein geomilitärisches As im Ärmel - sondern es war die von Putin gewünschte agressive Provokation gegen Menschenrechtspolitik und Demokratie. Hier hat Putin -- sichtbar für alle -- seine Maske fallen lassen - aber die wenigsten wollten das sehen und erkennen.

    Wie sieht die Ukraine in ein paar Monaten aus? Ein Blick nach Aleppo ist völlig ausreichend an diesem Punkt treffsicher die Zukunft voraus zu sagen.

  • 8G
    83635 (Profil gelöscht)

    Lächerlich: gegen Russland haben die US die NATO als Feind und Aggressor aufgebaut. Es war 1995 Clinton der die Aufnahme und Integration Russlands in der NATO blockierte. Warum? Weil die US um ihren Führungsanspruch fürchteten. Und: Georgien wurde ausgelöst durch Aggression gegen Ossetian nicht von Russland. Federführend war Saakashwili, ein Hazadeur, der nicht zufällig jetzt in Georgien im Gefängnis sitzt!

    • @83635 (Profil gelöscht):

      Gääähn ... Süd-Ossetien und Abchasien waren und sind ein Teil Georgiens. Und Russland hatte vor dem Versuch der georgischen Armee, die Kontrolle über diese Gebiete wieder herzustellen, dort - zu 100% illegal - Truppen stationiert. Aber das heute immer noch Leute Putlers Imperialismus toll finden, konte man erwarten.