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„Freie Sachsen“ heizen Coronaprotest anDie Einpeitscher

In Sachsen setzt sich mit den „Freien Sachsen“ ein Trupp Rechtsextremer an die Spitze der Mobilisierung zu den Coronaprotesten. Wer sind sie?

Anführer der „Freien Sachsen“ mit derben Tönen: Martin Kohlmann Foto: Sebastian Willnow, Picture Alliance

Berlin taz | Es sind mal wieder vermeintliche Erfolgsmeldungen, welche die „Freien Sachsen“ am Wochenende verkünden. In Chemnitz seien Pfleger auf die Straße gegangen, in Plauen sei ein „riesiger Spaziergang“ durch die Stadt gezogen und in Greiz habe man die Polizei „ausgetrickst“, die ein „Exempel“ gegen den Protest geplant habe. „Stark!“, jubiliert der Telegramkanal. Und mobilisiert für Montag bereits zu den nächsten „Spaziergängen“.

Es ist ein bekanntes Muster, seit Wochen schon. Wo immer in Sachsen und Umgebung Coronaproteste wieder hochschwappen, greifen die „Freien Sachsen“ das in ihrem Kanal auf, bejubeln und befeuern den Protest. Bilder und Videos werden verbreitet, neue „Spaziergänge“ angekündigt – auch wenn kaum etwas davon selbst von der Partei organisiert ist.

Als „Mobilisierungsmaschine“ bezeichnet der sächsische Verfassungsschutz inzwischen die „Freien Sachsen“. Tatsächlich haben diese eine beachtliche Reichweite: Mehr als 116.000 Abonnenten folgen der Gruppe auf Telegram. Und das, obwohl es keinen Zweifel gibt, dass hier Rechtsextreme am Werk sind.

Und die „Freien Sachsen“ verhehlen das auch nicht. In ihrem Telegramkanal wird brachial über die „verlogene Politikerbande“ hergezogen, über „Szenen einer Diktatur“ oder einen vermeintlichen „Putsch von oben“, gerne mit Vergleich zur DDR. Die Rede ist von „Impfwahnsinn“ und „Testterror“. Polizisten werden zu „Milizen“, inklusive Drohungen: „Wer heute nicht demonstriert, wird im Nachgang rechtlich zur Verantwortung gezogen.“

In ihren Beiträgen schafft die Gruppe Feindbilder

Feindbilder aber allen voran: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der als „Despot“ und „Pumuckl“ geschmäht wird, und Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD). Und auch hier soll es nicht bei Straßenprotest bleiben. „Verhaftet Kretschmer“, heißt es auf Bannern der „Freien Sachsen“.

Auf der anderen Seite wird offen der AfD-Rechtsextreme Björn Höcke gefeiert („mehr Höcke wagen!“). Beworben werden das rechtsextreme Compact-Magazin („klare Leseempfehlung“) oder Beiträge der NPD-Postille Deutsche Stimme. Verwiesen wird auf die Pegida-Proteste, die bereits früher gezeigt hätten, wie groß der „Bürgerwiderstand“ sei. Und en passant auch gegen eine „ungebremste Asyleinwanderungswelle“ geätzt.

„Diese Wende muss gründlich sein“

Vor allem aber wird in der Gruppe immer wieder aufgestachelt, mit kaum verhohlenen Umsturzaufrufen – die zeigen, dass es der Gruppe um mehr geht als nur Kritik an den Coronamaßnahmen. Man müsse sich „dem Wahnsinn widersetzen“, heißt es immer wieder. Oder: „Immerhin: In der Vergangenheit wurden ähnliche Herrschaften häufig irgendwann von den Bürgern beendet.“ Und noch deutlicher: „Diese Wende muss gründlich sein.“

Die Gründung der „Freien Sachsen“ erfolgte bereits im Februar im Erzgebirge, als Partei mit „Bewegungscharakter“. Richtig Fahrt nimmt sie erst jetzt auf, will inzwischen knapp 1.000 Parteimitglieder haben. Anführer ist der Anwalt und langjährige Rechtsextremist Martin Kohlmann, der bereits 2018 die rechten Unruhen in Chemnitz mit anheizte und auch die Splitterpartei „Pro Chemnitz“ leitet – die „Freien Sachsen“ erlauben explizit Doppelmitgliedschaften. Dazu kommt der NPD-Aktivist Stefan Hartung, der schon 2014 im Erzgebirge „Lichtelläufe“ gegen Geflüchtete organisierte. Oder Michael Brück, zuvor Rädelsführer der Neonazi-Szene in Dortmund, der strategisch nach Sachsen zog.

Der sächsische Verfassungsschutz – der Jahre brauchte, um Pegida einzustufen – erklärte die „Freien Sachsen“ auch deshalb bereits im Juni zur „erwiesenen extremistischen Bestrebung“. Deren Vorstand prägten „namhafte sächsische Rechtsextremisten“, die überregional vernetzt seien, erklärte Präsident Dirk-Martin Christian. Um den Coronaprotest gehe es dabei nur „vordergründig“. Ihr Ziel seien vielmehr „Verächtlichmachung und Delegitimierung“ des Staates.

Kulturbüro sieht „knallharte Neonazis“

Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen, das die rechte Szene beobachtet, wird ebenfalls deutlich. Die „Freien Sachsen“ würden von „knallharten Neonazis“ angeführt, die viel Erfahrung hätten, sagt er. Die Gruppe habe maßgeblich dafür gesorgt, dass die Coronaproteste in Sachsen inzwischen „vollständig von der organisierten Neonaziszene dominiert werden“.

Sie bilde eine Art Dachorganisation, die den Demonstrierenden den Eindruck geben wolle, Teil einer Großbewegung zu sein. „Obwohl sie in Wahrheit nur einen Bruchteil der Bevölkerung repräsentieren“, wie Nattke betont. Hohe Inzidenzwerte und daraus resultierende Einschränkungen spielten ihnen dabei geradezu in die Hände. „Sie wollen eine weitere Eskalation, damit sie ihre Umsturzfantasien damit befeuern können.“

Die Coronaprotestierenden in Sachsen scheint das nicht zu stören. Berührungsängste mit den „Freien Sachsen“ sind auf den Protesten kaum sichtbar, deren Telegramkanal wuchs zuletzt rasant. Und inzwischen hat die Gruppe auch Ableger in mehreren anderen Bundesländern. Als „Flächenbrand“ glorifizieren die „Freien Sachsen“ das.

Kohlmann schon Wortführer bei Chemnitz-Unruhen

Anführer Kohlmann predigte den Widerstand dagegen schon, als es Corona noch gar nicht gab. Schon 2018, bei den Chemnitz-Unruhen, rief er zu mehr als Protest auf: „Wenn es eine funktionierende Justiz gibt, brauchen wir keine Selbstjustiz. Aber Sie wissen so gut wie ich, dass es die nicht gibt.“ Und Kohlmann zog schon da Parallelen zur Wende 1989: „Auch damals ahnte keiner, wie schnell sich die Zeiten ändern können.“ Sätze, die heute wieder erklingen.

Und die Widerstandsaufrufe scheinen zu verfangen. Immer wieder kommt es bei den Coronaprotesten zu Angriffen auf Polizeikräfte und Journalisten. Das sächsische Innenministerium zählte seit März bereits 891 Straftaten mit „Bezug zur Covid-19-Pandemie“, auch auf Impfzentren. Für einen Aufschrei sorgten 30 Protestierende, die mit Fackeln vor das Haus von Köpping zogen. Die „Freien Sachsen“ verbreiteten die Bilder dazu, feierten es als „Bürgerbesuch“. Wenig später ging die Polizei gegen sächsische Mitglieder einer Telegramgruppe vor, die offenbar Mordpläne gegen Kretschmer hegte.

Die „Freien Sachsen“ relativierten die Taten. Was bei der Köpping-Bedrohung denn passiert sei, fragte Stefan Hartung danach. „Nix!“ Vielmehr redete die Gruppe von „Jammerorgien“. Zum Mordkomplott gegen Kretschmer betonte Kohlmann zwar, dass der Protest friedlich bleiben müsse. Es klang allerdings eher nach Eigennutz: „Nichts hilft dem Feind in der jetzigen Situation propagandistisch mehr als eigene Opfer.“ Im gleichen Statement macht sich Kohlmann wieder über „den Pumuckl“ lustig.

Für den Coronaprotest bedeuten die „Freien Sachsen“ einmal mehr eine Radikalisierung. Zumindest in Sachsen überflügelt der rechtsextreme Trupp nun die Reichweite vieler Querdenkergruppen, führt die Proteste an. Und auch Neonazi-Gruppen wie der „III. Weg“ laufen dort ungestört mit.

Linke und SPD fordern Verbot

Die Linkspartei und die mitregierende sächsische SPD fordern nun ein Verbot der „Freien Sachsen“. Die heizen auch nach dem öffentlichen Druck die Stimmung weiter an. Und appellieren, sich nicht spalten zu lassen: „Das Gebot der Stunde lautet: Zusammenhalt, quer durch alle politischen ‚Lager‘ und Richtungen, die sich dem Wahnsinn widersetzen.“

Verfassungsschutzchef Christian konstatiert, dass das durchaus funktioniert. Von einer „auffälligen Distanzlosigkeit nicht-extremistischer Protestteilnehmer gegen Extremisten“ spricht er. „Die Erosion der politischen Mitte hat bereits begonnen.“ Und: „Ein Ende der Gewaltspirale ist derzeit nicht absehbar.“ Im Gegenteil schwant Christian Übles, wenn nun auch noch die Impfpflicht komme. Diese würde „wie ein Katalysator wirken und die Radikalisierung der Impfgegner und Coronaleugner nur noch weiter verstärken“.

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46 Kommentare

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  • Ich lese gerade einen Roman, der in Berlin anno 1921 spielt. Erschreckend die politischen Parallelen. Auch damals rotteten sich die Rechten zusammen und versuchten die junge demokratische Republik zu destabilisieren, u.a. mit Attentaten. Ich finde, dass die demokratischen Parteien dieser Renaissance der Rechten entschieden und dringend entgegentreten müssen - und zwar mit mehr als nur Betroffenheitsbekundungen und Aussagen à la "wir werden uns das nicht gefallen lassen". Der Slogan "Währet der Anfänge" nützt nichts mehr. Wir sind mittendrin in einem Rechtsruck.

    • @Elena Levi:

      Sie meinen eine Demokratie ohne Demokraten, bewaffnete Freikorps mit einer Stärke von hunderttausenden die sich Scharmützel mit kommunistischen und anarchistischen Kräften liefern nachdem diese versucht haben lokale Räterepubliken auszurufen, Putschversuche (Kapp, Hitler), Generalstreiks, Hyperinflation und Massenarbeitslosigkeit, eine Bundesregierung die illegal eine demokratisch gewählte Landesregierung absetzt (Papens Preußenschlag) und Parteien die paramilitärische Einheiten wie die SA unterhalten, ...???



      Natürlich sind die rechtsradikalen und vA rechts-populistischen Entwicklungen ein massives und gefährliches Problem aber der Vergleich mit Weimarer Verhältnissen scheint mir doch eher schief, was vielleicht auch daran liegen könnte, dass das damalige Maß an Instabilität und Gewalttätigkeit für viele heute sozialisierte Menschen als Lebensrealität nur schwer vorstellbar sein dürfte.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Man muss das weiter spannen.“ Alles sehr „protestantisch“: Oder katholisch? Oder dilettantisch?



    de.wikipedia.org/w...1919%E2%80%931933)



    de.wikipedia.org/wiki/Franz_von_Papen

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @95820 (Profil gelöscht):

      Sry. Sollte @BOANDLGRAMER

  • Ich wohne in Leipzig. Seit kurzer Zeit kleben an den Laternenmasten Aufkleber der "Freien Sachsen". (Kretschmer verhaften, keinen Impfzwang usw.) Ich suche noch eine Idee, was man da drüberkleben könnte. Hat jemand einen originellen Einfall?

    • @Chemiker:

      "Hier wurde Nazipropaganda überklebt".

      Dazu ein Logo mit einer roten und schwarzen Fahne.

    • @Chemiker:

      Aber nicht erwischen lassen: eine Oma, die Rentnerin Irmela Mensah-Schramm, die Nazi-Aufkleber abpuhlte und Losungen übersprühte, wurde wegen Sachbeschädigung angeklagt und sogar zu Geld- bzw. Bewährungsstrafe verurteilt - in Eisenach 2019 .....2016 in Berlin

    • @Chemiker:

      Aber nicht beim Überkleben erwischen lassen, das wird teuer.

      Aleine schon das die den Staat auf dem Ideen bringen (Impfzwang) muss bestraft werden.

    • 9G
      92489 (Profil gelöscht)
      @Chemiker:

      Freie Sachsen - dicke Faxen.

    • @Chemiker:

      Wie wäre es mit:

      "Freie Sachsen lassen sich impfen!"

      ?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Aufkleber aus dem PARTEI-Bedarf natürlich - z.B.:

        fckaf.de/Vqf

        ;)

        • @EDL:

          Ich war schon immer für bedingungsloses Mindesthirn für alle, das würde sehr, sehr viele Probleme sofort lösen, auch das der Nicht-Denker.

          die-partei.net/mue...esthirn-fuer-alle/

  • Es gibt Bürger/in die allen Grund haben, wegen der Cornamassnahmen wütend auf den Staat zu sein. Einer davon ist ein guter Bekannter von mir, der hier in München bis März 2020 einen erfolgreichen Gastronomiebetrieb führte. Weil die beantragten Coronahilfen zu spät oder gar nicht ausbezahlt wurden, hat dieser Bekannter, nachdem er sich auch noch bei Freunden und Verwandten verschuldet hatte, sein bisher aufgebautes Vermögen, seinen Betrieb verloren und ist insolvent. 25 Jahre Unternehmer, keinen Tag krank , keinen Tag arbeitslos. Dieser Bekannter, dieser Mensch ist wütend.

    Ich persönlich finde das als gesellschaftliches Desaster, dass diese wütenden Menschen und Corona-Verlierer offensichtlich nur bei den schmutzigen Rechten Gehör finden.

    • @Nico Frank:

      Auch wenn ich die Wut und den Ärger Ihres Bekannten nachvollziehen kann, den "schmutzigen Rechten" (um Sie zu zitieren) geht es nicht, um verspätet ausbezahlte Corona-Hilfen, sondern um das Torpedieren der Demokratie. Die meisten Corona-Leugner-Skeptiker kritisieren die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als überzogen, weil ja ihrer Ansicht nach Corona nichts weiter als eine schwere Erkältung sei, und sie sehen die Maßnahmen als eine große Verschwörung einiger weniger Reichen und Mächtigen (vorzugsweise jüdischer Abstammung) zur Unterdrückung der Massen. Vielleicht können Sie ja dazu beitragen, dass Ihr Bekannter nicht zu den "schmutzigen Rechten" abdriftet oder dort Gehör sucht.

    • @Nico Frank:

      Ich würde vermuten, dass dieser Bekannte als jemand dre "einen erfolgreichen Gastronomiebetrieb führte" auch nicht schlecht verdient hat und man sollte sich schon im Klaren darüber sein, dass das Auftreten von Naturkatastrophen oder Seuchen zum unternehmerischen Risiko gehört und man in einem solchen Fall mE nicht erwarten sollte, dass die Staatskasse als Vollkaskoversicherung zur Verfügung steht. Dass dennoch in der Breite Unternehmer*innen mit Hilfen und Krediten vor dem drohenden Konkurs gerettet werden ist schlicht dem Umstand geschuldet, dass das auch makroökonomisch sinnvoller ist als ganze Branchen verschwinden zu lassen.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Also bei "1 Pimmel" war die Hausdurchsuchung mit Sicherstellung aller Kommunikationsmittel relativ problemlos möglich - aber es ist unmöglich bei den Nazis regelmäßig einzureiten und denen das Spielzeug wegzunehmen.

    Wenn man das mal konsequent für 8 Wochen alle 2 Wochen durchzieht, geht den Freien Sachsen garantiert das Geld aus. Und dann die Lust...

    Ich möchte daran erinnern, dass die NPD nicht in der Versenkung verschwunden ist, weil die keine Lust mehr hatten oder irgendwie die falschen Themen für ihr Klientel beackerten - denen ist schlichtweg das Geld ausgegangen.

    Durch einen beruflich bedingten Zufall bekam ich vor 10 Jahren Einblick in die Organisation und Finanzierung der NPD in Bayern - man muss ihnen geradezu Respekt zollen, dass es sie immer noch gibt!

    Vergesst Telegram und die Spaziergänger - trocknet die Resourcen der Rädelsführer aus. Aber dafür braucht man halt auch eine willige Exekutive...

    Hoppala... Entschuldigung, dass ich Eure Zeit stahl! ;)

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Da reicht es doch den Verfassungschutz abzuschaffen. Die waren dich jahrelang die größten Geldgeber, sry Arbeitgeber (Bezahlten die V-Männer für das Sammeln von Zeitungstexten)

  • Geschichte wiederholt sich nicht, aber der Blick in eben diese lohnt sich:

    Sachsen und der Nationalsozialismus, www.vandenhoeck-ru...ationalsozialismus

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @Phineas:

      Man muss das weiter spannen: Praktisch alle protestantisch geprägten Gegenden Deutschland gehörten zu den frühen Parteigängern.

      Es ist kein Zufall, dass Hitler in Braunschweig eingebürgert wurde. Und dass er München als "Hauptstadt der Bewegung" bezeichnete und Nürnberg die Reichsparteitage bekam, hat eher damit zu tun, dass das katholische Bayern schwerer zu überzeugen war, von seinen Traditionen abzulassen.

      Die Gegensatzpaare sind seit dem Westfälischen Frieden Protestantisch-Rational und Katholisch-Spirituell. Und die Macht der einfachen Argumente ziehen bei denen besser, die ihre Moral an scheinbar rationale Erkenntnisse anpassen können.

      Nazis und Querdenker sind besonders erfolgreich im Süden des deutschen Ostens, in Hessen und in Baden-Württemberg - das sind die (ehemaligen) Hochburgen des Protestantismus.

      Der Katholizismus ist kein Schutz gegen Extremismus, aber er bremst ihn doch sehr.

      Dass der hohe Norden nicht ganz so anfällig zu sein scheint, könnte daran liegen, dass da ein bürgerliches Selbstverständnis mit Wurzeln in den Zeiten der Hanse den katholischen Konservativismus ersetzt hat.

      Und heute stehen weniger die zwei Geschmacksrichtungen der Christenheit einander gegenüber, sondern die Atheisten, die die Rationalität für sich gepachtet glauben, sind die Empfänglicheren für alternative Ideologien - während die konfessionell gebundenen tendenziell zurückhaltend sind. Was die Attraktiviät der Nazis wieder als revolutionär und neu erscheinen lässt - obwohl sie das schon 1932 nicht waren.

      Gerade 2015 hat eigentlich auch gezeigt, wie die Solidarität mit den Geflüchteten zu einem wichtigen Teil aus den kirchlichen Gemeinschaften kam.

      Ich bin kein Freund von Religion, aber der Gemeinschaft stiftende Aspekt ist kaum von der Hand zu weisen - und die geographischen Matches sind zu deutlich um Zufall zu sein.

      • @05989 (Profil gelöscht):

        In der realen Welt war vor allem das erzkatholische München zu Beginn der Schwerpunkt des NS, und im Westen des Landes (Ruhr-Nord und -Süd) lagen die Braunen noch 1932 bei um die 20%.

        lisa.gerda-henkel-...t.pdf?t=1360163430

      • @05989 (Profil gelöscht):

        Ich komme aus dem "hohen Norden" Deutschlands, nämlich aus Schleswig-Holstein. Ihre Annahme, dass man dort wegen irgendwelcher "Wurzeln" für Nazis nicht ganz so anfällig sei, halte ich für sehr optimistisch. Bei den Reichstagswahlen 1930 war Schleswig-Holstein das einzige deutsche Land, in dem die NSDAP über 50% der Stimmen erhielt. Und bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein 1992 wurde die rechtsextreme DVU, die praktisch nur durch ihre Wahlplakate im Land präsent war, mit 6,3 % der Stimmen drittstärkste Partei hinter SPD und CDU (die FDP bekam 5,6 % und die Grünen scheiterten knapp an der Fünfprozenthürde).

    • @Phineas:

      Macht irgendwie Sinn und eine Entnazifizierung bzw sinnvolle demokratieorientierte Aufarbeitung der Geschichte hat wohl nicht stattgefunden dank neuer Diktatur.

  • "Die Linkspartei und die mitregierende sächsische SPD fordern nun ein Verbot der „Freien Sachsen“"



    Hahaha. Das ist wie das Prinzip der kommunizierenden Röhren. Drücke die Flüssigkeit wo weg, schon taucht sie woanders auf. Nein, das mit den Verboten ist nur eine sehr kurzfristige Lösung.



    Jetzt wäre die Stunde der Krankenkassen gekommen. Die sollten das richten, wozu die Politik nicht in der Lage ist. Die ärztlichen Behandlungskosten bei Corona Krankheit einfach vom Versicherten zurückfordern wenn man nicht geimpft ist. Die sind doch sonnst so gut dabei Leistungen zu reduzieren oder gleich ganz streichen.

    • @chinamen:

      Was für eine möglicherweise nachvollziehbare, aber völlig unrealistische Idee!



      Als ob die Krankenkassen diese Macht hätten....



      Es gab ja schon solche Vorschläge für Raucher, für McDoof-Süchtige o.ä. für leichtsinnige Sportler .....



      Und selbst für Alkoholiker werden mehrmals Entzüge von der Solidargemeinschaft bezahlt und die Kosten betreffen nicht nur die Entgiftung ......

      • @Rudi Rastlos:

        Eine Sucht wird in der Regel als Krankheit angesehen und da ist es schon richtig, dass die Allgemeinheit da mithilft den Süchtigen zu heilen.



        Es wird schon schwieriger mit den Idioten die das Vorhandensein einer Krankheit einfach leugnen oder zumindest bagatellisieren, die Corona Leugner. Soll da die Solidargemeinschaft noch greifen? Das gilt auch für die von ihnen erwähnten leichtsinnigen Sportler die sich bewusst einer Gefahr aussetzen. Da wird das Gerechtigkeitsempfinden aller Anderen arg strapaziert. Und langfristig kann so eine Solidargemeinschaft an so etwas zerbrechen.

    • @chinamen:

      Anschliesse mich der brillanten Idee.

  • Der Vorschlag die "Freien Sachsen" zu verbieten ist schon fast lustig in seiner Einfachheit. So schnell wie es eine Nachfolgeorganisation gibt, kann der Rechtsstaat gar nicht nachkommen. Es wäre besser vernünftige Zahlen zu erheben und damit transparent für Aufklärung zu sorgen. Ich selbst weiß z.B. immer noch nicht, wieviele unter 12-Jährigne ohne Vorerkrankung ernsthaft an C19 erkranken und an Spätfolgen leiden. Die Zahl geht wohl gegen Null - aber warum wird sie dann nicht veröffentlicht und mit einer ordentlichen Statistik belegt? Ich bin übrigens Ergebnisoffen was das Impfen meiner Kinder betrifft - aber Verständnis für nicht vorhandene Daten habe ich nicht mehr.

    • @Nachtsonne:

      Die Rohdaten des RKI enthält auch diese Info...

      • @R R:

        Danke für den Hinweis. Neben der Veröffentlichung der Rohdaten würde ich allerdings erwarten, dass eine Auswertung durch das RKI geliefert wird. Die Frage nach der Kindersterblichkeit ist ja nun nicht gerade unggwöhnlich.

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Klar, solange man einen Volksverhetzer und Faschisten wie Höcke frei rumlaufen lässt, fühlen sich seine Anhänger sicher und trumpfen auf.

  • Derlei extremistischen Anwandlungen kann man nur im Vorfeld beikommen.



    Insbesondere durch eine ehrliche und nachvollziehbare Politik.



    Und dadurch, dass man die Menschen an der Basis erreicht.



    Und nicht zuletzt auch durch Vermittlung von Medienkompetenz in den Schulen.

    All dies hat unsere letzte Regierung über Jahrzehnte versemmelt.

    Rhetorisches Geschwurbel, imhaltsleere Worthülsen, unsägliche Symbolpolitik ... die Menschen merken das. Vielleicht nicht sofort - aber das ist ein schleichendes Gift, dass das Vertrauen in die Politik als Ganzes untergräbt.



    Und nicht zu unterschätzen der Kadavergehorsam diverser schwarzer Abgeordneter verbunden mit einer nicht mehr zu überbietenden Amigo- und Klüngelpolitik.

    Letztlich verschafft dies alles eben jenen Rednern Gehör, die mit markigen verständlichen Worten ihre Lügen als Wahrheit anpreisen.

    Aber das ist ja kein Zufall: Hochbezahlte Kommunikationstrainer bringen unseren Politikern "das Reden bei" (oder sollte ich besser sagen "das Schwurblen" ?)

    Und jetzt rächt sich das - denn es gibt einen immer größer werdenden Bevölkerungsanteil, der den etablierten Politikern (auch den "Neuen") einfach nicht mehr glaubt.

    Und dass die Damen und Herren "Schwurbler" auch anders könnten -wenn sie denn nur wollten- sieht man, wenn sie die Fragen von Kindern beantworten.



    Aber Kinder lassen sich sprachlich wohl nicht so einfach um den Finger wickeln... wir Erwachsene offenbar um so mehr.

    • @Bolzkopf:

      Seh ich genauso. Populisten und Faschisten haben immer dort leichtes Spiel, wo die die Menschen schon längst Vertrauen in Politik und Gesellschaft verloren haben. Und da, wo für Generationen nie wirklich ein echtes Demokratieverständnis vermittelt wurde sowieso.

      Und das Thema Internet und Mediekompetenz wird bis heute komplett unterschätzt und viel zu sehr vernachlässigt.

    • @Bolzkopf:

      Komisch, sonst wird doch immer vom "mündigen Bürger" gesprochen. Hier gilt aber offenbar nicht. Hier müssen (wie immer, wenn der rechte Rand marschiert) andere Schuldige gefunden werden, scheint mir.

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @Bolzkopf:

      Da ist was dran...

    • @Bolzkopf:

      "Rhetorisches Geschwurbel, imhaltsleere Worthülsen, unsägliche Symbolpolitik ... die Menschen merken das."



      Tun sie nicht, sie laufen jedem erfundenen Bericht und jeder dreisten Lüge blind hinterher, ohne deren Realitätsgehalt zu checken. Warum haben denn AfD, Freien Sachsen etc. so viel Zulauf?

    • @Bolzkopf:

      Aha, und deshalb marschiert man mit den Nazis. Tolle Logik. Ich denke es ist viel einfacher. Man lebt endlich ganz offen das aus, was man auch selber denkt.

      • @Gnutellabrot Merz:

        Ich denke, das trifft nur zum Teil zu. Die überzeugten Faschisten schaffen es aber gerade, größere Gruppen aus der eigentlich unpolitischen oder nicht rechtsextremen Bevölkerung mitzuziehen. Und für die stimmt die Einordnung von @bolzkopf, finde ich.

        Je besser Politiker:innen der demokratischen Parteien ihre Rhetorik den Umfragen und für sie jeweils relevanten Interessen anpassen, desto unverbindlicher werden sie in ihren Aussagen. Nach und nach lernen wir alle, dass ihre Äußerungen immer unter Vorbehalt erfolgen und immer auf bestimmte Zwecke oder Zielgruppen gerichtet sind.

        Das reicht an sich schon, um Vertrauen zu untergraben. Nur sehr selten sagt jemand, was sie meint, und noch seltener das, was sie auch gestern schon gemeint hat. Dann kommt noch Mauschelei, Lobbyismus, etc dazu...

        Im Prinzip haben wir alle ausreichend Gründe, Politiker:innen nicht zu trauen. Vielleicht können wir das reflektieren und genug lesen/zuhören, um einzelne mehr oder weniger vertrauenswürdig zu finden. Oder wir koppeln uns ab. Oder wir suchen uns jemand, dessen Urteil wir uns anschließen können. Vermutlich ist es meistens eine Mischung aus allem, in unterschiedlichem Verhältnis.

        Wenn wir uns abkoppeln, haben wir ein Problem, wenn wir plötzlich von politischen Entscheidungen unmittelbar betroffen sind. Was ja gerade wirklich für jede:n der Fall ist.

        • @sàmi2:

          Hm, ich verstehe nur immer noch nicht, was das alles mit einer globalen Pandemie zu tun hat. Die wütet, unabhängig von rechts oder links und unabhängig von politischer Rhetorik. Am Ende ist es eben doch nur ein Vorwand, endlich mal Dampf ablassen zu können. Und wenn da Nazis mitmachen stört das niemanden. Komisch, mich stört es, wenn Nazis um mich herum sind.

          • @Gnutellabrot Merz:

            Da geht aber einiges durcheinander. Ihre Klage war doch, dass Bürger:innen mit Nazis mitlaufen. Niemand hat behauptet, die Pandemie gebe es wegen nachlassendem Vertrauen in die Politik. Aber zwischen dem nachlassenden Vertrauen und der Attraktivität von rechten Schwurblern gibt es einen Zusammenhang.

            Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Nazis eben Nazis und nutzen jede Gelegenheit, um ihren Mist zu verzapfen. Die "Mitläufer" sind demnach auch schon immer Nazis gewesen und lassen es jetzt endlich raus oder zu? Was ist dieses Nazisein? Angeborene Dummheit oder Arschlöchigkeit? Was macht es? Woher kommt es? Was macht man dagegen? Draufhauen?

            Mich stört es auch, dass es Nazis gibt und dass sie immer dreister werden und im Parlament sitzen, wo sie absolut nicht hingehören. Verwahre mich daher schärfstens gegen die implizite Unterstellung in ihrem letzten Satz.

      • @Gnutellabrot Merz:

        Schade. Da gibt sich jemand die Mühe, ein-zwei Gedanken anzustellen. Was fällt Ihnen dazu ein? "Unsinn. Alles Nazis!"

        • @Fabian Wetzel:

          Tut mir leid, mir erschließt sich nicht, warum man die eigene Gesundheit in einer Pandemie gefährdet. Dem Virus ist doch egal, ob’s ein Nazi oder ein frustrierter Mittfünfziger ist, den es infiziert. Wie hohl kann man eigentlich sein. Es ist unglaublich.

  • Perverserweise lassen sich die Sachsen sonst wenig mobilisieren: wie in allen anderen ostdeutschen Bundesländern ist der Grad der Organisation in Parteien und Gewerkschaften sowie das zivilgesellschaftliche Engagement dort viel geringer als im Westen. Aber für Hass und Krawall kriegen die Leute ihren Arsch hoch...

    • @Suryo:

      Es gibt in weiten Teilen des Osten eine über 100 Jahre alte Tradition der Affinität zum Rechtsextremismus. Und wenn einem etwas sehr gefällt, dass schon der Ur-Opa toll fand ...

    • @Suryo:

      Was ist der Unterschied? In Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und Verbänden musst Du Dich einbringen. Beim Corona-Aufstand reicht es mitzulaufen. Ich vermisse die Plakate und Schlachtrufe "Ich bin ein Mitläufer!".