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Klimapolitik nach der COP26Wenn das System kippt

Glasgow markiert das Ende der bisherigen Klimapolitik. Das heißt: hin zu nicht-staatlichen Akteuren, weg von staatlichen Nicht-Akteuren.

Ihre Sprache ist bei den Mächtigen angekommen: Klimaaktivistinnen in Glasgow Foto: Dylan Martinez/reuters

Glasgow taz | Nigel Topping hatte seine Worte bewusst gewählt: „Das hier ist der Systemwandel, nicht der Klimawandel“ („system change, not climate change“), sagte der britische Klimagesandte am „Energietag“ der Konferenz in Glasgow. Und definierte mal eben die alte antikapitalistische Forderung in einen Werbespruch für den grünen Kapitalismus um. Er sprach offiziell über die Ankündigung der Finanzindustrie, etwa 40 Prozent des globalen Anlagevermögens demnächst für den Klimaschutz einzusetzen. Aber indirekt formulierte Topping zwei weitere Ansprüche: Die Slogans der KritikerInnen für sich zu reklamieren. Und klarzumachen: In Glasgow hat ein neues Kapitel der Klimapolitik begonnen.

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Die Konferenz COP26 hat gezeigt: Zumindest die Sprache der Fridays for Future ist bei den Mächtigen angekommen. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson nahm in seiner Eröffnungsrede den Vorwurf von Greta Thunberg auf, das alles sei nur „Blablabla“. Der Ausdruck war überall präsent. Und der US-Gesandte John Kerry gestand: „Auch ich bin frustriert“.

Vieles davon ist durchsichtiges Manöver, um den Protesten, vor allem der Jugend, die Spitze zu nehmen. Aber es zeigt auch, dass in und um Glasgow tatsächlich eine Machtverschiebung deutlich wird, die das ganze Klimaregime der nächsten Jahre und Jahrzehnte dominieren wird: Hin zu Wirtschaft, Wissenschaft und Protestbewegungen, den „nicht-staatlichen Akteuren“, wie sie im UN-Jargon heißen. Und weg von den staatlichen Nicht-Akteuren, wie sie seit einem Vierteljahrhundert die UN-Realität dominieren.

Glasgow dürfte für lange Zeit die letzte COP sein, in der umfassende völkerrechtliche Regeln beschlossen wurden. Das „Regelbuch“ des Pariser Abkommens ist jetzt fertig. „Nach den Konferenzen für Regelsetzung müssen jetzt die Konferenzen zur Umsetzung folgen“, sagt Christoph Bals, Chef der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch und ein Vordenker globaler Klimapolitik. Zum ersten Mal habe es auch direkten Druck auf einen Energieträger, nämlich die Kohle, gegeben. Das könne sich demnächst beim Öl wiederholen. Und die Klimakonferenz, eine eingeführte internationale „Marke“ werde sich umgestalten zu einem Forum, wo etwa die Finanzierung der Klimahilfen gefordert und kontrolliert werde und wo sich internationale AkteurInnen vernetzen. „Man könnte hier zum Beispiel nur noch Unternehmen zulassen, die sich ernsthaft für Klimaneutralität einsetzen“, schlägt Bals vor.

Versagen bei Schadensersatz für arme Länder

Wie bei einem tauenden Gletscher ist beim Klima vieles ins Rutschen geraten und kaum noch aufzuhalten: Im Erdsystem rücken physikalische „Kipppunkte“ immer näher, hinter die es kein Zurück mehr ins Vorher gibt, etwa ein Abschwächen der Meeresströmungen. OptimistInnen sehen auch den gesellschaftlichen Druck für ehrgeizige Klimapolitik zumindest in manchen Industrieländern kurz vor dem Durchbruch – was sich allerdings derzeit in den Koalitionsverhandlungen der deutschen Ampel kaum widerspiegelt. Im Kernbereich der Glasgow-Verhandlungen jedenfalls hat es kleine und hart erkämpfte Fortschritte gegeben. Die reichen Länder versprechen mehr Hilfe für die Klima-Anpassung.

Zwar versagten sie bei der Überlebensfrage von Schadenersatz für die armen Länder bei Klimaschäden. Aber groß waren parallel dazu – und von der britischen Präsidentschaft clever und bewusst als Kontrast aufgebaut – die greifbaren Fortschritte von Glasgow: Vereinbarungen zur Reduktion des Klimakillers Methan, zum Schutz der Wälder, zum Ausstieg aus der Kohle, zum Ende des Verbrennungsmotors, zur Umschichtung der Finanzströme.

Und dann kippt noch ein anderes System: Statt globaler Klimapolitik durch Allianzen von UN-Staaten gibt inzwischen eine Mischung aus ökologisch und ökonomisch engagierten Gruppen den Ton an: Umweltgruppen, die weltweit protestierende Jugend, aber auch globale Unternehmen, die kühl mit Zukunftsmärkten und technologischen Durchbrüchen kalkulieren und naturgerechten Wohlstand versprechen.

Glasgow hat diese Verschiebung deutlicher gemacht als je zuvor. Da die Beschlüsse unverbindlich sind, liegt vieles in den Händen der Bewegungen und Unternehmen. Eine solche „Privatisierung“ der Klimapolitik wäre bis vor Kurzem undenkbar gewesen. Sie zeigt: Die Klimapolitik der letzten Jahrzehnte ist am Ende. Was jetzt kommt, ist anders, neu, dynamisch. Und es wird ganz neue GewinnerInnen schaffen. Und wenn die Politik nicht sehr aufpasst, die gleichen alten VerliererInnen.

Die Zivilgesellschaft als Aufpasserin

Begonnen hat der Niedergang der staatlichen Klimapolitik bei der gescheiterten Klimakonferenz in Kopenhagen 2009. Damals wurde klar: Ein völkerrechtlich verbindliches Regime mit Verträgen, Regeln und Strafen bei Nichteinhaltung war nicht durchzusetzen. Zu sehr wehrten sich die Industrieländer gegen Auflagen und Kosten, zu sehr scheuten die Schwellenländer wie China und Indien Grenzen für ihr Wirtschaftswachstum. Als Konsequenz daraus wurde das Pariser Abkommen 2015 ganz anders angelegt: Alle verpflichten sich auf ein gemeinsames Ziel. Aber jedes Land tut nur das, was es freiwillig in seinen Klimaplänen definiert. Juristische Konsequenz bei Nichteinhaltung: keine. Nur ein schlechter Ruf.

Gleichzeitig wurde in und um Paris aber die Zivilgesellschaft zur Aufpasserin. Eine globale Landschaft aus Thinktanks, Unternehmensberatungen, Analystenbüros, Rechenzentren, Forschungsinstituten, Stiftungen und Umweltorganisationen misst inzwischen den Anspruch der Klimapolitik in den Ländern an der Wirklichkeit. Gegen die mediale Macht der Gütesiegel wie Climate Action Tracker oder Climate Change Performance Index kommen Regierungen kaum an. Die Zahlen- und Analysegewitter aus dem World Resource Institute haben großen Einfluss, Investoren hören auf die Warnungen der Carbon Tracker“

Was ist Greenwashing, was wirkliche Aktion? Eine Unterscheidung scheint dringend nötig

Und niemand kommt an der wütenden Jugend vorbei, die vor allem in Industrieländern ihren Ärger über die Klimapolitik laut auf die Straße trägt. Die jungen Menschen beeinflussen Wahlen und Entscheidungen und haben stark dazu beigetragen, das Thema in den Medien zu halten. Genau wie die Wissenschaft, die inzwischen in Starkregen und Stürmen nicht mehr nur eine Laune der Natur sieht – und das auch deutlich sagt.

Schließlich hat die wirtschaftliche Entwicklung seit Paris große Fortschritte gemacht. Wind- und Sonnenstrom wurden billiger als alle anderen Energien. Finanzierungen für Öl-, Gas- und Kohleprojekte sind auf dem freiem Markt kaum noch zu bekommen. Der Verbrennungsmotor steht unter enormem Druck. „Die Unternehmen treiben inzwischen die Regierungen vor sich her“, sagt Bob Ward, Klima-Experte der London School of Economics. Immer mehr Konzerne, so Ward, machten klar, dass sie schnelleres Handeln beim Klimaschutz erwarten: Energieunternehmen, die grün werden wollen, Banken und Versicherungen, die langfristige Anlagen sichern müssen, Autokonzerne, die Klarheit über die nächsten Modellreihen brauchen. „Das ist die größte Gelegenheit für gute Geschäfte in diesem Jahrhundert“, sagt Ward.

Der Druck der Kapitalinteressen

Wie wichtig der Einfluss der informellen AkteurInnen schon geworden ist, hat nun auch der UN-Generalsekretär anerkannt. Er hat angekündigt, er werde eine ExpertInnengruppe berufen, die ein Auge auf die Ankündigungen all der Unternehmen und Interessengruppen zum Klima haben werde: Was ist Greenwashing, was ist wirkliche Aktion? Eine Unterscheidung scheint dringend nötig. Die UNO gibt damit aber auch zu, dass sie die Entwicklungen nicht kontrolliert, sondern ihr im besten Fall nur einen Qualitätsstempel aufdrücken kann.

So dynamisch also die Klimapolitik unter dem Druck der Kapitalinteressen zu werden beginnt, so gefährlich kann diese Entwicklung für die Ärmsten der Armen werden. Denn wer als Land, Region oder Volksgruppe nichts auf dem Markt des Klimakapitalismus anzubieten hat, fällt hinten runter. „Wir verlassen Glasgow mit leeren Händen, aber moralisch stärker“, sagt Mohamed Adow, erfahrener COP-Beobachter, Aktivist für die verwundbarsten Bevölkerungen und Chef des kenianischen Thinktanks Power Shift Africa. Der reiche Norden könne die Ansprüche der Armen auf Schadenersatz nicht länger ignorieren, im nächsten Jahr auf der COP in Ägypten werde sich diese Forderung durchsetzen, so hofft er. Für Adow sind die Nebenbeschlüsse von Glasgow zu Methan, Wald oder Kohleausstieg leere Versprechen. „Das ist hier nicht der Ort dafür, das ist ein multilaterales Forum. Wenn die Länder es ernst meinen damit, sollen sie diese Versprechen in ihre Klimapläne einbauen.“

Bisher garantiert das UN-System den armen Staaten nicht viel, aber immerhin einen Platz am Verhandlungstisch, eine Stimme für ihre Beschwerden und Vorschläge und die Veto­macht, einstimmige Entscheidungen der UN-Konferenz zu blockieren. Wenn aber immer mehr Entscheidungen außerhalb des Plenums fallen, schwindet diese Macht.

Deshalb ist Klimapolitik insgesamt auch nicht am Ende – sondern wird anders und viel entschlossener geführt werden als bisher, hoffen die KlimaschützerInnen weltweit. Die Politik müsse nicht nur den Rahmen für die Wirtschaft setzen, sondern auch lebenswichtige Elemente wie Anpassung an den Klimawandel oder Schadenersatz regeln. Das Geld dafür soll teilweise von den Unternehmen kommen. In Glasgow wurde etwa eine Abgabe auf den globalen Emissionshandel beschlossen.

Europas Zukunft hat viel mit Afrika zu tun

Die benötigten Hilfsgelder für Klimaschutz, Anpassung und Schadenersatz sind schließlich so gewaltig, dass sie alle öffentlichen Kassen sprengen. Statt der schon jetzt mühsam zusammengekratzten knapp 100 Milliarden Dollar jährlich ist etwa mit dem Zehnfachen zu rechnen. Und je länger echter Klimaschutz dauert, desto teurer wird er.

Trotz ihres Machtverlusts könnten die UN-Staaten rund um die zukünftigen COPs zu weitreichenden Beschlüssen kommen. Denn für Bob Ward haben die reichen Länder durchaus ein eigenes Interesse, den Armen zu helfen. „In den Schwellenländern liegen die Wachstumsmärkte der Zukunft. Und kein Unternehmen will seine Lieferketten aus diesen Regionen durch klimabedingte Ausfälle unter Stress sehen.“ Auch für Christoph Bals ist klar, dass die Industrieländer kein Interesse daran haben, ihre Nachbarn verarmen zu lassen, allein schon wegen Sicherheits- und Migrationsfragen. „Europas Zukunft hat auch viel mit Afrika zu tun, der nächste Green Deal der EU muss den Kontinent mit einbinden.“

Wo die eine Klimapolitik aufhört, fängt die nächste gleich an.

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24 Kommentare

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  • Na ja, die "wütende Jugend" war in China zumindest ein Aspekt der Kulturrevolution. Natürlich nicht als Teil einer Subkultur.

  • Wenn das System kippt - dann wird sich ganz schnell jeder wieder selbst der Nächste sein.

  • Da es die "wütende Jugend" in Diktaturen und Autokratien nicht gibt, kann sie dort auch keine Wirkung entfalten.



    Und Druck wird in Demokratien nur über die Drohung von Machtverlust erzeugt. Die Ergebnisse der letzten BT-Wahlgeben das IMHO nicht her, auch wenn die Union "eins auf den Deckel" bekommen hat.

  • "Denn für Bob Ward haben die reichen Länder durchaus ein eigenes Interesse, den Armen zu helfen." Blah blah blah ...

    Der Artikel endet mit naiven Wirtschaftsoptimus, der uns Bewohner*innen der westlichen Welt erlaubt, wieder das Hirn abzuschalten.

    Natürlich werden die reichen Gesellschaften ihre Vorteile sichern. Ein paar Krümel werden auch für die Benachteiligten abfallen. Wo es aber lohnenswert ist, werden Menschen und Natur weiter in bitterem Zynismus ausgebeutet.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Nicht nur in Glasgow ist Protest angesagt sondern auch vor den Botschaften Chinas und der USA, die beiden Hauptemittenten für CO2.

  • Hin zu nicht-staatlichen Akteuren, weg von staatlichen Nicht-Akteuren? Na ja, Politik wird immer noch in den Parlamenten gemacht, Und ein bisschen vielleicht in den Medien. Diese "Klima-Akteure" sind ein enger Kreis dem zumindest noch derzeit die Akzeptanz fehlt. Weil oft Kompetenz vermisst wird.

  • Versuchen Sie mal in Köln Wesseling / Godorf oder Köln Niehl eine Demonstration gegen das verbrennen / ausbeuten fossiler Brennstoffe zu genehmigen. Da kennt der Staatsschutz aber kein Pardon, wenn Sie dem größten Chemie Gürtel Europas zu Leibe rücken.



    Oder um die Ecke bei Bayer, Leverkusen, wenn es darum geht, wie gefährlich die herabfallende Asche nun wirklich war. Und warum darf Bayer, was eigentlich Europa weit verboten ist 2 Giftmüllverbrennungsanlagen nah beinander haben? Gewinnoptimierung? Ist gerade noch mal gut gegangen, fragen tut keiner! Oder Bayer, Dormagen, nur paar km den Rhein runter hinter Köln und Leverkusen. Die Betonplatte, Dormagener Platte, auf der die Industrie gebaut ist, ist alt und eine tickende Zeitbombe…



    Ach noch ein Beispiel: Die Ölpipline der ROW (Rheinische Olefin Werke) ist noch von Onkel Adolf und geht von Rotterdam bis nach Wesseling.



    Technologie Standort NRW halt.



    Die Industrie hat Ihre eigenen Gesetzte und die Tentakel sind lang, schnell und stark.



    Und wann wird die Autobahn A1, momentan Volksperrung ab Hürth, fertig? Die CO2 Emissionen durch Stau in Köln und Peripherie sind absolut vermeidbar, scheint der Politik aber egal zu sein.

  • Private Politik ist ein Widerspruch in sich. Noch steht hier immer die Hoffnung, die Pomitik antreiben und kontrollieren zu können, im Vordergrund. Letztendlich können Minderheiten das aber nicht. Einfach weil es in der Politik auf Mehrheiten ankommt. Die wirkliche Macht der Minderheiten liegt in ihrem Konsumverhalten. Man muss die Wirtschaft zwingen und nur weil die Wirtschaft sich bewegt, bewegen sich jetzt auch die Politiker.

  • die wütende Jugend bringt uns genau sowenig weiter wie die Klimagipfel.



    Meines erachtens wird nur über Kosten und verpflichtungen geredet. Tatsache ist, dass der Energieträgerfür erneuerbare im Vergleich zu fosilen erst mal nichts kosten. In der Folge muss die Energiewende langfristig nichts kosten.

    Mein Vorschlag: CO2-Zertifikate an jeden Verbraucher ausgeben, die Jährlich die Menge des erlaubt emitierbaren CO2 reduziert.

    Den rest macht die Wirtscaft aus eigeninteresse

  • Durch den Artikel im Grunde gut zu merken, dass wir von sozialen Idioten in Politik und Wirtschaft regiert werden. Da ist es nur ein Nebenbei, dass die wohl denken, es könne wie bisher, nur eben grün, weitergehen. Ich prophezeie schon einmal, dass dann Hartz IV, egal wie es dann heißt, weitergeht.

  • Das Problem ist, dass auch die wütende Jugend in ein paar Jahren für andere Themen hüpft, Klimawandel aber ein Aufgabe für ein paar Jahrzehnte ist. Und die vielen anderen Aufgaben, und das alles im Gleichgewicht halten. Und Schadenersatz macht außer Korruption erstmal auch von alleine nichts besser - und dann noch die Illusion die "Reichen" könnten es alleine wuppen. Und viele NGOs und auch Industrien, die jetzt von den Umstellungsgeldern prächtig leben, aber das nicht effizient machen oder zwar das Klima retten, dafür die nächsten Übertreibungen bedienen.

    Es dürfte also kein globaler Wendepunkt in eine neue Welt werden, in der die doofen Regierungen endlich entmachtet sind, sondern ein Schritt in einer endlosen Kette von Schritten - so wie immer, und das ist ja auch ok so.

  • Eine Schlussfolgerung würde ich unterschreiben: Die Politik ist zusehends irrelevant bei der Thematik. "Zusehends" trifft es außerdem. Das ist insofern nicht schlecht, als sich die übrigen Akteure nicht mehr an der Politik abarbeiten müssen, die ohnehin seit langem von "der Wirtschaft" gesteuert und dominiert wird, marktkonforme Demokratie eben. Die Unterhaltungsabteilung der Industrie kann man also bei zukünftigen Überlegungen außen vor lassen.

    Die andere Schlussfolgerung ist hingegen fatal: Dass die Wirtschaft nun irgendwas reißen würde. Die Wirtschaft / die Märkte sind hauptsächlich für die gegenwärtige Krise verantwortlich. Kapitalismus, ein aggressives Schneeballsystem, das auf Plünderung jeglicher Ressourcen und dem kurzfristigen (Profitmaximierung) und damit langfristigen (Herrschaftssicherung, Dominanz durch Abhängigkeiten) Vorteil für die wenigen basiert, kann nicht nachhaltig und nicht skalierbar sein. Das ist heute für viele offensichtlich. Selbst die selbsternannten neoliberalen Weltenlenker werden zugeben, dass es für sie schon mal geschmeidiger lief.

    Das Fazit kann daher eben nicht sein, dass nun zusammen mit der Wirtschaft Lösungen erreicht werden. "In den Schwellenländern liegen die Wachstumsmärkte der Zukunft" ist die gleiche alte dumme Ideologie, die die Menschheit in die Gefahrenzone manövriert hat. Gut, dass die Wirtschaft eins ihrer Dogmen so klar und frühzeitig wiederholt.

    Es gibt tatsächlich Firmen, die verantwortlich wirtschaften, aber das sind nicht die, die in Brüssel oder im Wirtschaftsministerium ein und aus gehen. Die sind wesentlich kleiner als die großen Akteure und haben den system change bereits vollzogen.

    Ein system change unter Beibehaltung der Wachstumsidiotie und ohne die wirtschaftlichen Herrschaftsstrukturen zu verändern, ist keiner.

    System change wäre u.a. an Dezentralisierung zu erkennen, bspw bei der Energieversorgung. Allgemein: An der Verringerung der vielen Abhängigkeiten der meisten Menschen. An Selbstbestimmung.

  • "Zumindest die Sprache der Fridays for Future ist bei den Mächtigen angekommen."

    Die Mächtigen haben es schon immer hervorragend verstanden, die "Sub-Kulturen" in ihr System einzubinden und ihre Sprache für eigene Marketingzwecke zu nutzen.



    Ob Flower-Power, Punk oder Umweltbewegung.



    Von Pop-up-Cola über Mode- und Musik-Label bis hin zum klimaneutralen E-SUV, nachhaltigen Urlaubsreisen und grünem Zement.



    Wir sind nicht gezwungen, aus der Geschichte zu lernen. Schon gar nicht aus der Geschichte der Grünen. Schließlich können wir mittlerweile bei Esso auch klimaneutral tanken, mit der Lufthansa klimaneutral fliegen und bald auch klimaneutral mit Kreuzfahrtschiffen auf Weltreise gehen.



    Unsere Kinder und Enkel vermutlich nicht. Für die wird allerdings gerade von Meta eine ganz neue Welt erschaffen. Wollen wir hoffen, dass dort nie der Strom ausfällt und sie immer "Netz" haben.

  • Wenn auch spät in der gesamten Klimagipfelberichterstattung, aber schlußendlich Gott sei Dank doch noch, kommt Herr Pötter mit einem Trend der Klimakonferenz zum Wesentlichen. Die Wirtschaft muß sich dieses Themas als eines der wichtigsten Geschäftsgebiete der Zukunft annehmen. Nicht die Rückkehr zum Lastenfahrrad, sondern gewinnbringend über die neuen ökologischen Technologien als Industriezweig werden die Lösungen geliefert werden müssen. Schön wäre es gewesen, wenn da noch der Zungenschlag gefolgt wäre, daß der Staat dafür auch e h r l i c h e Förderprogramme aufsetzen muß. Da kann es nicht sein, daß in Deutschland noch immer der alte Wärmetauscher gefördert wird und die Solarzelle, nur weil aus Fernost stammend, bewußt nicht. Da ist auch die 10KW-Begrenzung im Privatsektor für PV-Anlagen ein Hindernis, da sich damit die meisten Privatinteressenten nicht autonom machen können, ohne daß man ihnen eine gewerbliche Nutzung der Sonne mit steuerlichen Konsequenzen unterstellen würde. Da mit 10KW keine Batterieanlagen bei einem Durchschnitts-Einfamilienhaus für Speicherung und zeitgleiche Direktnutzung der Sonnenenergie im Haushalt aufgeladen werden können, sabotiert diese Regelung vorsätzlich echte Ökö-Hauskonzepte. Dabei gibt es sicher ehrlich ökologisches Interesse an solch dimensionierten Anlagen ohne kommerzielle Hintergedanken.

    Hier sehe ich noch erhebliche Reserven, die sich die Politik abseits vom Kontingentgerangel und von Aktivistenforderungen erschließen könnte.

  • Vor etwa 30-20 Jahren war Paradigmenwechsel das Modewort, wenn man nichts wesentliches ändern wollte oder konnte. Jetzt sagt man eben folgenlos Systemwechsel. Austausch und Neubildung der Worthülsen wird eifrig betrieben. Nachhaltigkeit, klimaneutral usw. Die politisch Verantwortlichen wie auch die Aktivisten sind nicht bereit, auch nur anzunehmen, dass die Menschheit in Ihrer Art und Weise, sich zu entwickeln, gar nicht in der Lage ist, die eigenen Lebensgrundlagen zu erhalten. Alles soll immer möglich und verfügbar sein. Nun eben auch die Klimaschutz-Erlösung durch Technik und Handel. Dass diese die Grundlage der Zerstörung waren und sind wird nicht in die Überlegungen mit einbezogen. Realitätsverweigerung ist das. Wie gehen wir mit zukünftiger Knappheit unserer Lebensgrundlagen um. Wie verteilen wir die - und nicht Geld -, das ist die entscheidende Frage.

    • @Christian Götz:

      Auf den Punkt gebracht!

    • @Christian Götz:

      Wie sollte denn nun reagiert werden? Den technischen Fortschritt so weit zurückzudrehen, daß wir wieder, wie vor 200 Jahren klimaneutral sind, ist ja nicht möglich. Deutschland hatte noch vor 1000 Jahren 80-90% Waldfläche, bis Rodungen (Wernigerode, Harzgerode, Stadtroda...) diesen Wert auf die heutigen 37,9% runtergedrückt haben. Davon sind gescholtene Staaten, wie Brasilien und Rußland noch weit entfernt! Es sind nicht Mahnrufe und Politikerschelte, sondern ausschließlich neue Wirtschaftszweige mit Freigabe von Naturräumen, und das vor allem in Ländern, die wenigstens bis auf 50% Naturflächenrückgabe kommen sollten, wie Deutschland, die das bewirken können. Dabei wird, ob es uns paßt oder nicht, auch der Verkehr vom Boden in die Luft verlegt werden müssen. Woanders sind bei uns Flächen nicht zurückholbar. Und nur die Wirtschaft wird Lösungen dafür schaffen können.

      Realitätssinn bedeutet, daß genau über die Wirtschaft die Lösung zu suchen ist!

      • @Sokrates_RS:

        Verkehr vom Boden in die Luft?

        Ich glaube kaum, dass es hierfür eine energieeffiziente Lösung gibt. Zeppeline?

        Es geht auch anders. Mehr Schiene = weniger Straßen und Parkflächen.



        Auch unterirdisch kann gebaut werden um die Oberflächenversiegelung zu reduzieren.

        Wie reagiert werden soll? Die verfügbaren Ressourcen müssen fair auf der ganzen Welt unter Ihren Bewohnern verteilt werden. Der Globale Norden wird den Gürtel enger schnallen müssen.

        Aber das wird er wahrscheinlich eher nicht. Statt dessen, wird er, weiter Mauern, Zäune, Lager bauen und Diktaturen als Türsteher anheuern.

        • @Obscuritas:

          Unterirdisch bauen ist leider für's Klima fast immer unterirdisch. Jedenfalls, wenn dafür massenhaft Zement/Beton benötigt werden. U.a. darum sind U-Bahnen ja so eine riesige Schnapsidee. Es ist vielleicht etwas anderes, wenn man eine Röhre durch Granit bohrt, keine Ahnung.

      • @Sokrates_RS:

        Es ist ein nicht einfach zu lösendes Problem, aber eine Wahrheit (die auch die Grünen und viele der Klimaaktivist/inn/en nicht gerne hören) ist, daß wir unseren Konsum massiv reduzieren müssen. Man kann auch ohne Auto, ohne Handy, ohne Fleisch gut und glücklich leben. Die zweite Wahrheit ist, daß wir von derzeit acht Milliarden Menschen wieder auf eine verträgliche Population kommen müssen, vermutlich ein (Stand von ca. 1800) bis drei (Stand von ca. 1960) Milliarden Menschen. Da man ja niemanden umbringen will, geht das nur über weniger Geburten.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    "Und niemand kommt an der wütenden Jugend vorbei, ... beeinflussen Wahlen und Entscheidungen ..."

    Naja, China, Indien, Russland, Brasilien, Indonesien, Kongo etc. lassen sich davon wohl kaum beeindrucken! Wütende Jugend funktioniert nur, wo man keine Angst haben muss vor relevanter Strafe für die eigene Existenz!

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Das kann mensch auch anders formulieren: Klimaaktivist*innen in manchen Ländern beeindrucken deren Regierungen so sehr, dass diese sich für Unterdrückung und Ermordung von Klimaaktivist*innen entscheiden.

      • @Uranus:

        Und dazwischen gibt es für Sie wieder nichts. Demos verbieten, Leute wegsperren? Nein, gleich die Mordkeule schwingen...

        • @Lars B.:

          Ich schrieb ja Unterdrückung. Damit meine ich doch "Demos verbieten, Leute wegsperren". Darüberhinaus ist es ja leider ist es in einigen Ländern aber so schlimm, wie ich schrieb. Siehe bspw.:



          fridaysforfuture.d...limaaktivistinnen/