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Umweltaktivistin über Klimawandel„Früher wurden wir belächelt“

Ziviler Ungehorsam ist okay, findet Cécile Lecomte. Er müsse aber abgewogen werden, wer durch welche Aktion eingeschränkt wird.

Die Umweltaktivistin Cécile Lecomte Foto: privat
Interview von Rebecca Ricker

taz: Frau Lecomte, was tun Sie persönlich, um klimafreundlich zu leben?

Cécile Lecomte: Ich versuche, Ressourcen zu teilen, das heißt ich lebe in einer WG, wo wir zum Beispiel die Waschmaschine teilen. Außerdem benutze ich überwiegend den Öffentlichen Personennahverkehr. Das ist aber mit einem Rollstuhl nicht immer möglich, weil nicht alles barrierefrei ist. Und ich mache politischen Aktivismus – oft mit Kletteraktionen. Klettern ist meine Leidenschaft – Politik darf Spaß machen, auch wenn es eine ernste Sache ist.

Im Interview: Cécile Lecomte

ist 1981 in Frankreich geboren, lebt aber seit ihrer Studienzeit in Deutschland. In Frankreich war sie Jugendmeisterin im Sportklettern. Sie betreibt einen Blog und arbeitet als Aktivistin gegen Atomkraft, für Klimaschutz und Barrierefreiheit. Durch ihre Kletteraktionen bekam sie den Spitznamen “das Eichhörnchen“.

Sie begehen auch zivilen Ungehorsam, das ist illegal. Warum finden Sie das in Ordnung?

Die Gesellschaft und das Klima ändern sich schneller als die Gesetze. Dann sind Sachen legitim, die noch nicht legal sind. Wenn die Politik nicht handelt, müssen wir es selbst machen. Wichtig ist natürlich, dass die Aktion verhältnismäßig bleibt und ein direktes Ziel hat: Ein Gleis für einen Atomtransport für ein paar Stunden zu blockieren und damit auf das ungelöste Atommüllproblem hinzuweisen – das finde ich legitim. Irgendeinen Zug zu blockieren, nicht. Es ist auch wichtig, dass die Aktionen vermittelbar bleiben.

Was meinen Sie mit „vermittelbar“? An wen richten sich die Aktionen?

Das ist unterschiedlich: Wenn ich zum Beispiel zwischen zwei Fahnenmasten hochklettere, dann ist das ein Hingucker. Ich kann meine Flyer mit den Argumenten besser an die Passanten verteilen. Die Flyer sind wichtig: Nur wer informiert ist, kann aktiv werden. Aber es ist sehr mittelbar. Wenn ich den Braunkohleabbau und die Baufahrzeuge blockiere, dann will ich RWE direkt behindern. Ich will natürlich, dass die Öffentlichkeit das mitbekommt. Aber ich akzeptiere, dass es da mehr Diskussionen, mehr Für und Wider geben wird.

Haben Sie Angst vor den Folgen des Klimawandels?

Es schockt mich schon: Als ich in den 1990er-Jahren anfing mit politischem Aktivismus, habe ich nicht geglaubt, dass es meine Generation schon so hart treffen würde. Das ist mir erstmals bei der Trockenheit 2003 wirklich klar geworden und umso mehr in den letzten Jahren. Aber es macht mich auch wütend: Damals wurden wir als Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen belächelt. Jetzt trifft genau das ein, was wir immer gesagt haben.

Haben Sie Angst vor den politischen Maßnahmen, die nötig sind, um den Klimawandel aufzuhalten?

Je länger wir warten, desto weniger Freiheit werden wir haben, desto radikaler müssen die Maßnahmen sein. Die Parteien, die Freiheit populistisch einfordern, sorgen für ein „Weiter so“. Das führt zu der Katastrophe. Ich habe Angst vor autoritären Sofortmaßnahmen, wenn es eigentlich schon zu spät ist.

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4 Kommentare

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  • Der Text des Liedes "Leben einzeln und frei" des politischen Liedermachers Hannes Wader beginnt mit den Worten: "Sag, bist du bereit, dich mit aller Kraft zu wehren, sie bekämpfen, zu besteh'n, du hast Mut genug..."/



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    BERTOLT BRECHT* WIRD U.A. DER SATZ ZUGESCHRIEBEN:



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    "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht, Gehorsam aber Verbrechen."



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    taz.de/Portrait-Ak...-Lecomte/!5129211/



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    taz.de/Portrait-Hanna-Poddig/!5135148/



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    taz.de/Scholz-trif...istinnen/!5815087/



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    PAPST LEO XIII SOLL ABER - NACH PETRA KELLY (1983) - DER URHEBER SEIN IN SEINER 1890 ERSCHIENENEN ENZYKLIKA SAPIENTIAE CHRISTIANAE, THEMA: DER GOTTLOSE STAAT//



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    Der Refrain des Liedes von Hannes Wader lautet: "Leben einzeln und frei, wie ein Baum und dabei, brüder_lich wie ein Wald, diese Sehnsucht ist alt..."



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    Diese Zeilen wiederum werden Nazim Hikmet zugeschrieben, die Sapientia der Poesie ist ein universelles Gut:/



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    taz.de/!1125580/



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  • Mir wird immer das Video von Londoner Pendlern in Erinnerung bleiben, die einen Extinction Rebellion-Aktivisten von Dach eines Zuges gerissen und verprügelt haben. Der Aktivist wollte mit der Aktion den Zug blockieren und den ÖPNV stören.

    Es ist ein schmaler Grad auf dem man mit zivilem Ungehorsam wandelt.

    • @gyakusou:

      Hä, XR wollte den ÖPNV stören? Klingt daneben.

      • @Zeit und Raum:

        Habe ich damals auch nicht verstanden.

        "Extinction Rebellion previously said the disruption of the London Underground trains was necessary to highlight the emergency."

        Ich glaube seitdem hat man sich andere Ziele für Proteste gesucht.